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Vitamine für Kinder

WENN ES KINDERN MANGELT

In der Apotheke stehen zahlreiche Vitaminpräparate zur Verfügung, speziell für Kinder beziehungsweise Kleinkinder. Doch welche davon sind geeignet oder anders gefragt: Welche Mikronährstoffe sind für Kinder wirklich sinnvoll?

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Auch wenn es die Werbung häufig suggeriert, ein richtiger Vitaminmangel und damit einhergehende Mangelerkrankungen sind in Deutschland die Ausnahme. Allerdings ist bei bestimmten Risikogruppen ein Unterschreiten der empfohlenen Zufuhrmengen an Mikronährstoffen möglich. Auch sind Mangelzustände aufgrund einer Unterversorgung bekannt. Daher haben sich in der Kinderheilkunde bereits seit langem Empfehlungen zur gezielten Ergänzung der Ernährung bestimmter einzelner Mikronährstoffe bei Säuglingen und Kleinkindern etabliert. Über den Nutzen anderer Supplemente im Kindes- und Jugendalter wird immer wieder diskutiert. Nur selten raten Kinderärzte dazu.

Neugeborene Vitamin K spielt für das Blutgerinnungssystem eine wichtige Rolle. Da das Kind im Mutterleib unzureichend mit Vitamin K versorgt wird und zudem der Vitamin-K-Gehalt der Muttermilch zu niedrig ist, kann es bei Neugeborenen und jungen Säuglingen zu Blutungen kommen. Um diese zu vermeiden, erhalten alle Neugeborenen in Deutschland drei Mal zwei Milligramm (mg) Vitamin K in Tropfenform. Die orale Prophylaxe erfolgt direkt nach der Geburt sowie am vierten bis siebten Lebenstag und in der dritten bis sechsten Lebenswoche.

Säuglinge und Kleinkinder Säuglinge sind seit Jahrzehnten eine anerkannte Risikogruppe für einen Vitamin-D-Mangel. Während die meisten Menschen ihren Bedarf an dem fettlöslichen Vitamin – zumindest in den Sonnenmonaten – unter dem Einfluss von UV-Strahlung über die körpereigene Biosynthese decken, benötigen Kinder im ersten Lebensjahr grundsätzlich eine exogene Zufuhr, da die Eigenproduktion an Vitamin D in der Haut des Säuglings noch ungenügend ist. Ohne externe Vitamin-D-Zufuhr sind sie gefährdet, an einer Vitamin-D-Mangel-Rachitis zu erkranken. Dass dies nicht bloß reine Theorie ist, sieht man an den etwa 400 jährlich in Deutschland auftretenden Rachitis-Fällen, die vor allem bei Immigrantenkindern ohne Vitamin-D-Rachitis-Prophylaxe diagnostiziert werden.

Als Rachitis-Prophylaxe werden gestillten und ungestillten Säuglingen ab der ersten Lebenswoche bis zum Ende des ersten Lebensjahres täglich zehn Mikrogramm (mg) (entspricht 400 I.E.) orales Vitamin D empfohlen. Diese Empfehlung der DGE gilt unabhängig von endogener Synthese und Nahrung. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) rät, die Prophylaxe auch noch im zweiten Lebensjahr in den Wintermonaten fortzusetzen. Auch bei älteren Kindern kann eine Vitamin-D-Supplementation notwendig sein, wenn die körpereigene Synthese des fettlöslichen Vitamins nicht sichergestellt werden kann.

Nach den Leitlinien der DGKJ sollten Säuglinge gemeinsam mit Vitamin D zusätzlich noch täglich 0,25 mg Fluorid zur Kariesprophylaxe einnehmen (Voraussetzung, der Fluorid-Gehalt im Trinkwasser beträgt weniger als 0,3 mg/l, was in Deutschland meistens der Fall ist). Die orale Fluorid-Gabe sollte so lange erfolgen, bis die Kinder regelmäßig fluoridierte Zahnpasta erhalten, die sie zuverlässig ausspucken können. Dieser Zeitpunkt beginnt in der Regel mit vier Jahren. Im Gegensatz zu den pädiatrischen Empfehlungen raten Zahnärzte, zur Kariesprophylaxe bereits ab dem Durchbruch des ersten Milchzahns eine fluorierte Kinderzahnpasta zu verwenden. Eine orale Fluorid-Supplementation entfällt dann ab diesem Zeitpunkt.

Kinder und Jugendliche Wie repräsentative Studien in Deutschland zeigen, ist die Versorgung mit Mikronährstoffen bei Kindern und Jugendlichen gut. Ausnahmen bestehen bei Folat und Vitamin D. Die Aufnahme beider Vitamine liegt bei beiden Geschlechtern unter den empfohlenen Zufuhrmengen. Versorgungslücken bestehen auch bei Calcium und Eisen, allerdings nur beim weiblichen Geschlecht. Empfehlungen zur Supplementierung von Mikronährstoffen von gesunden Kindern und Jugendlichen existieren in Deutschland lediglich für Vitamin D, wobei Supplemente nur unter bestimmten Voraussetzungen befürwortet werden. So rät die DGE, Vitamin D nur dann zu supplementieren, wenn die körpereigene Vitamin D-​Synthese nicht ausreichend gewährleistet werden kann.

Hintergrund dafür ist, dass die Vitamin D-Zufuhr über die Ernährung mit den üblichen Lebensmitteln grundsätzlich nicht ausreicht, um die gewünschte Versorgung mit dem fettlöslichen Vitamin sicherzustellen. Zusätzlich zur alimentären Vitamin D-Zufuhr muss daher immer die endogene Vitamin D-​Synthese garantiert sein. Liegt jedoch eine zu geringe Sonnenlichtexposition vor, wird die angestrebte 25-Hydroxyvitamin-​D-Serumkonzentration von mindestens 50 nmol/l nicht erreicht und eine Supplementierung erforderlich. Es gelten dann die gleichen Vitamin D-Referenzwerte wie für Erwachsene, das heißt Kinder ab einem Jahr benötigen 20 mg (800 I.E.) Vitamin D am Tag. In der Praxis haben sich für diese Fälle die allgemein verfügbaren Präparate mit 25 µg (1000 I.E.) durchgesetzt.

Vitaminpräparate ersetzen keine ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse und Obst.

Weitere Supplemente bei VitaminmangelFür andere Präparate zur Nahrungsergänzung existieren in Deutschland keine Empfehlungen. Pädiater, Experten und Fachgesellschaften wie die DGE gehen davon aus, dass bei gesunden Kindern in der Regel kein zusätzlicher Bedarf für eine Nahrungsergänzung besteht. Eine Supplementierung mit Mikronährstoffen sollte vielmehr nur auf medizinischen Rat in Abstimmung mit dem Kinder- und Jugendarzt erfolgen. Dieser wird bei tatsächlich vorliegenden Mangelzuständen ein hoch dosiertes Präparat gezielt verordnen. In der Praxis geschieht dies beispielsweise häufig bei einem Eisenmangel. Aber auch Kinder und Jugendliche mit Essstörungen können eine Risikogruppe für Supplemente sein, die dann vom Kinder- und Jugendarzt individuell ausgesucht und dosiert werden. Zudem erhalten Kinder und Jugendliche, die sich vegan ernähren, Vitamin B12-Präparate.

Vitaminzufuhr über die Ernährung Ein ungünstiges Ernährungsverhalten kann nicht durch Einnahme von Nährstoffsupplementen ausgeglichen werden, sie können Obst und Gemüse nicht ersetzen. Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente werden aus der Nahrung besser aufgenommen und verstoffwechselt, da die Lebensmittel – im Gegensatz zu den Supplementen – neben Mikronährstoffen noch viele weitere bioaktive Substanzen beinhalten, die alle in ihrer Gesamtheit eine positive Wirkung auf die Gesundheit ausüben. Der Tipp für Rat suchende Eltern in der Apotheke sollte daher lauten, darauf zu achten, dass sich ihre Kinder vollwertig ernähren. Eine ungünstige Lebensmittelauswahl kann hingegen zu Versorgungslücken bei Mikronährstoffen beitragen. Eine vollwertige Ernährung im Sinne der DGE ist vor allem abwechslungsreich. Die Lagerung und Zubereitung der Nahrung muss sorgfältig und schonend erfolgen, um einer Zerstörung der licht- und hitzeempfindlichen Vitamine entgegenzuwirken.

Den Artikel finden Sie auch in der Sonderausgabe Nahrungsergänzungsmittel, Vitamine und Mineralstoffe der PTA IN DER APOTHEKE ab Seite 66.

Gode Chlond, Apothekerin

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