Schleuse © Bruskov / iStock / Thinkstock
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Venengesundheit

WENN DIE KLAPPEN NICHT MEHR SCHLIESSEN

Venenerkrankungen sind nicht nur ein kosmetisches Problem, sie können weitreichende gesundheitliche Komplikationen verursachen. Einem schweren Verlauf kann durch frühzeitige medikamentöse und Kompressionstherapie vorgebeugt werden.

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Tipps zu den Strümpfen Viele alte Menschen haben nicht genug Kraft, um die Strümpfe überzuziehen, insbesondere wenn diese noch sehr neu sind. PTA und Apotheker sollten das Anziehen gemeinsam mit dem Patienten ausprobieren und wenn nötig eine Anziehhilfe dazu empfehlen. Um die Elastizität der Fasern zu bewahren, ist der Hinweis zur korrekten Wäsche zu geben: bei 30 bis 40 Grad im Schonwaschgang ohne Weichspüler waschen. Werden Schenkelstrümpfe abgegeben, sollte dazu ein Hautkleber empfohlen werden, der den Strumpf am Bein fixiert und das Rutschen des Strumpfes verhindert.

Ödemprotektiva Neben der Kompressionstherapie nennt das Konsensuspapier die oralen medikamentösen Venenprotektiva als weitere Säule. Doch nicht jedes Phytopharmakon, das gegen Venenbeschwerden beworben wird, weist ausreichende Studiendaten auf, um eine evidenzbasierte Empfehlung zu ermöglichen. Bei der Auswahl eines Präparates sollten Arzneibuch-Monographie- Empfehlungen, ausreichend hohe Dosierungen und Ergebnisse klinischer Studien berücksichtigt werden. Die pflanzlichen Extrakte gelten als gut verträglich und sind auch für eine dauerhafte Therapie geeignet.

Patienten sollten jedoch auf einen verzögerten Wirkungseintritt hingewiesen werden. In der Regel ist nach etwa acht Wochen mit Besserung der Beschwerden zu rechnen. Ein kurzfristiger Effekt, zum Beispiel, wenn ein Patient ein Phytopharmakon zur Prophylaxe vor einer Busreise einnehmen möchte, ist nicht zu erwarten. Auch einfache oberflächliche Besenreiser werden durch die Einnahme von Ödemprotektiva nicht kosmetisch verbessert. Ein Patient mit Ulcus cruris benötigt auf jeden Fall eine Kompressionstherapie, die orale Behandlung mit Venenprotektiva kann allenfalls ergänzt werden.

Im Konsensuspapier werden standardisierter roter Weinlaubextrakt, standardisierter Rosskastaniensamenextrakt und Oxerutin genannt. Der rote Weinlaubextrakt enthält die Flavonoide Quercetin 3-Oglucuronid, Isoquercitin und Kämpferolglucosid. Sie sind die Inhaltstoffe des Gesamtextraktes, der antiödematös, antiinflammatorisch und membranstabilisierend wirkt. Einer In-vitro-Studie zufolge wirkt der rote Weinlaubextrakt schützend und sogar reparativ auf das von aktivierten Leukozyten und Thrombozyten geschädigte Venenendothel. Wurde der rote Weinlaubextrakt vor dem Angriff der aktivierten Blutkörperchen appliziert, so schützte er die Endothelschicht.

Auch in vivo ließen sich diese Effekte bestätigen. So lagern sich die Flavonoide nach peroraler Gabe selektiv schützend im Endothel an und vermindern die Durchlässigkeit der Gefäße. In den Untersuchungen konnten sowohl signifikante Ödemreduktion als auch Symptomverbesserung nachgewiesen werden. Vorteilhaft ist die einmal tägliche Einnahme von 360 Milligramm des Trockenextraktes, am besten mit einem Glas Wasser vor dem Essen. Der Extrakt aus Rosskastaniensamen wurde in einigen älteren Studien untersucht und soll danach eine signifikante Ödemreduktion erreichen.

Der ödemprotektive und antiexsudative Effekt ist auf ein Triterpenglykosidgemisch, Aescin, zurückzuführen. Aescin bildet mit Cholesterinmolekülen in der Lysosomenzellwand Komplexe und reduziert so die Freisetzung der lysosomalen Enzyme ins Blut, die bei den Mikroentzündungsprozessen eine wichtige Rolle spielen. Außerdem werden auch die defekten Venenwände durch lipophile Aescin-Cholesterin-Komplexe stabilisiert, sodass weniger Flüssigkeit und Proteine ins Gewebe gelangen. Die Arzneibuch- Monographie empfiehlt eine Extraktmenge von 100 Milligramm Aescin pro Tag verteilt auf zwei Einzeldosen am Morgen und am Abend, um den gewünschten Effekt zu erzielen.

Die Einnahme wird gut vertragen. Für magenempfindliche Patienten gibt es außerdem Retardpräparate, die den Magen weniger belasten. Als Wechselwirkung ist nur die Verstärkung von Aggregationshemmern zu beachten. Oxerutin ist ein Abkömmling des Rutins, einem Wirkstoff des japanischen Schnurbaums. Rutin wie auch Oxerutin verbessern die kapillare Mikrozirkulation und haben ebenfalls antioxidative Effekte zum Schutz des Endothels.

In Untersuchungen von 1994 und 1996 wurden signifikante Ödemreduktion und Symptomverbesserung nachgewiesen. Empfohlen wird die zweimal tägliche regelmäßige Gabe von 500 Milligramm Oxerutin in Form eines Fertigarzneimittels mit standardisiertem Extrakt. Zu den traditionellen Arzneimitteln, die aber nicht im Konsensuspapier genannt werden, zählen Mäusedornwurzelstock (Ruscus aculeatus) und Buchweizen. Auch sie gehören zu den Ödemprotektiva.

WARUM EIGENTLICH KRAMPFADER?

Der Begriff Krampfader kommt übrigens nicht von Verkrampfung, sondern von dem mittelhochdeutschen Wort „Krampader“ – „Krummader“. Krampfader ist gleichbedeutend mit Varize. Die Gesamtheit des Krampfaderleidens wird unter Medizinern mit dem Fachwort Varikose bezeichnet.

Tipps für die Beratung Apotheker und PTA werden sehr häufig als erstes gefragt, wenn Patienten Beschwerden in den Beinen haben. Wichtig ist, zunächst abzuklären, ob diese akut und mit einem Entzündungsgeschehen verbunden sind. Wenn es sich um dauerhafte kontinuierliche Symptome handelt, die typisch für Venenerkrankungen sind, sollte eine ärztliche Untersuchung zur Klärung des Stadiums angeraten werden. Eine verantwortungsvolle Rolle tragen die Apothekenmitarbeiter, indem sie die Therapietreue bei Patienten mit Kompressionstherapie stärken, Tipps rund um die Strümpfe geben und ein ergänzendes orales Ödemprotektivum empfehlen.

Hier steht der Hinweis auf die dauerhafte und ständige Therapie im Focus. Von Gelen und Salben sollte zugunsten der besser wirksamen oralen Medikamente eher abgeraten werden. Sie haben wohl eher nur den angenehmen kühlenden Massageeffekt. Heparin ist übrigens bei einer Veneninsuffizienz eine off label-Anwendung. Angezeigt sind Heparingele bei Sportverletzungen und leichten Thrombophlebitiden. Last but not least sollte die PTA Bewegung empfehlen: Sitzen und stehen ist schlecht, lieber liegen und laufen!

BEGRIFFE RUND UM VENENERKRANKUNGEN

Die Chronisch-venöse Insuffizienz oder kurz CVI ist eine Erkrankung der Beinvenen, die durch venöse Abflussbehinderungen und Mikrozirkulationsstörungen im Bereich der Unterschenkel und Füße gekennzeichnet ist. Sie äußert sich zunächst durch Schwere- und Spannungsgefühle in den Beinen sowie reversible Ödeme, später durch oberflächliche Erweiterung der Venen in Form von Besenreisern und Krampfadern, Hautveränderungen und andauernde Flüssigkeitsansammlungen in den Beinen. Im Endstadium bildet sich eine tiefe, nässende Wunde.

Varize ist der medizinische Begriff für Krampfader. Das Wort „Varize“ leitet sich von dem lateinischen Begriff „varis = Knoten“ ab. Die Definition der WHO beschreibt sie als sackförmig oder zylindrisch erweiterte, oberflächliche Venen.

Die Varikosis ist das Krampfaderleiden.

Varizenruptur werden Varizenblutungen genannt, zum Beispiel nach einem traumatischen Ereignis auf eine Varize.

Besenreiser beschreiben die funktionsgestörten kleinsten Venen, die bereits zum Formenkreis der Varikosen zählen.

Eine Thrombose entsteht, wenn ein Thrombus, also ein Blutgerinnsel, ein Blutgefäß einengt oder verstopft. Am häufigsten treten Thrombosen in den tiefen Bein- und Beckenvenen auf, können aber auch in allen anderen Körperregionen entstehen.

Thrombosen der Beinvenen werden als Phlebothrombose bezeichnet.

Die Thrombophlebitis ist eine Venenentzündung, die oberflächlich sein kann, aber auch die tieferliegenden Venen betreffen kann. Sie geht häufig mit der Bildung eines Blutgerinnsels (Thombus) einher.

Ulcus cruris venosum bezeichnet ein offenes Bein, das aufgrund eines fortgeschrittenen Venenleidens aufgetreten ist.

Venenmessaktion in der Apotheke Einige Firmen bieten Materialien und Ausleihgeräte zur Vermessung der Venen an. Um auf das Thema aufmerksam zu machen, kann in der Apotheke eine Venenwoche organisiert werden. Die Messungen werden mit einem Gerät auf Basis von Infrarotlicht durchgeführt. Die Licht- Reflexions-Rheografie (LRR) ermöglicht es, Erkrankungen der Venenklappen frühzeitig zu erkennen. Dabei wird die Zeit gemessen, in der sich die Venen nach einer Muskelaktivität wieder mit Blut füllen.

Gibt es einen Defekt in der Venenklappe, fließt das Blut wieder zurück, das zuvor durch die Muskelleistung in Richtung des Herzens transportiert wurde. Je schneller das Blut zurück in die Venen fließt, desto wahrscheinlicher ist eine Veneninsuffizienz. Diese Messungen sollen eher ein Screeningverfahren sein, mit dem Risikopatienten identifiziert und zum Arzt geschickt werden. Sie ersetzen nicht die Diagnosestellung durch einen Arzt.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/17 ab Seite 34.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

„Wenn die Klappen nicht mehr schließen”

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