Schleuse © Bruskov / iStock / Thinkstock
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Venengesundheit

WENN DIE KLAPPEN NICHT MEHR SCHLIESSEN

Venenerkrankungen sind nicht nur ein kosmetisches Problem, sie können weitreichende gesundheitliche Komplikationen verursachen. Einem schweren Verlauf kann durch frühzeitige medikamentöse und Kompressionstherapie vorgebeugt werden.

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Arten der Varikosis Nach Lokalisation und Erscheinungsbild werden unterschiedliche Formen der Varikosen unterschieden. Die Besenreiservarizen, die netzartig die Haut durchziehen, befinden sich eher auf der Rückseite des Oberschenkels und betreffen die kleinen epifaszialen Venen. Krampfadern an Unterschenkeln und Fußrändern sind die retikulären Varizen und eine Varikosis an einer der großen Stammvenen betrifft die Vena saphena magna oder Vena saphena parva.

Klassifikation Nach der CEAP- Klassifikation werden sechs Stadien zur Beschreibung der Varikose unterschieden. Wer international oder wissenschaftlich die Varikose beschreibt, verwendet dazu die CEAP Definition. Der Begriff stammt aus dem Englischen und ist eine Abkürzung für „Klinischer Befund“ (C = clinical condition), „Ätiologie“ (E=etiology), „Lokalisation“ (A=anatomic location) und „Pathophysiologie“ (P=pathophysiology). Im Stadium C0 gibt es keine sichtbaren Anzeichen einer Venenerkrankung. Im Stadium C1 sind bereits Besenreiser, Teleangiektasien oder retikuläre Venen sichtbar.

Eine Varikose ohne klinische Anzeichen einer chronisch venösen Insuffizienz liegt in Stadium C2 vor. Das Stadium C3 ist eine Varikose mit Ödembildung, C4 mit trophischen Hautveränderungen, C5 mit abgeheiltem und C6 mit einem florierenden Ulcus. Ein Ulcus cruris venosum ist also die schwerste Form des Venenleidens. Ursache ist eine langfristige Hypertonie des Venensystems, einhergehend mit einer venösen Hypervolämie und einer Klappeninsuffizienz.

Das Ulcus cruris venosum ist neben dem diabetischen Fußsyndrom die häufigste Ursache nicht spontan abheilender Wunden an den Beinen. Die Ulcera heilen nur langsam und manchmal auch gar nicht ab. Die Abheilraten liegen zwischen 66 und 90 Prozent nach dreimonatiger Behandlung. Die Rezidivrate ist ebenfalls hoch.

Abgrenzung akuter Venenerkrankungen Neben der chronischen Varikosis gibt es akute Ereignisse, die den baldigen Arztbesuch erfordern. Eine Phlebothrombose entsteht, wenn ein Thrombus, also ein Blutgerinnsel, ein Blutgefäß einengt oder verstopft. Am häufigsten treten Thrombosen in den tiefen Bein- und Beckenvenen auf, können aber auch in allen anderen Körperregionen entstehen. Typische Kennzeichen sind starke Schwellung, Schmerzen, bläuliche Verfärbungen der Haut und Wadenkrämpfe. Hier besteht die Gefahr einer Lungenembolie.

Dies ist der Fall, wenn sich ein Thrombus teilweise oder vollständig ablöst und mit dem Blutstrom Richtung Herz beziehungsweise Richtung Lunge schwimmt. Bleibt der Thrombus dann in den engeren Gefäßen stecken, kommt es zur lebensbedrohlichen Lungenembolie. Deshalb ist eine sofortige Antikoagulation, zum Beispiel mit niedermolekularem Heparin das A und O. Zusätzlich wird in so einem Fall auch mit der Kompressionsbehandlung gearbeitet, um der Enstehung eines postthrombotischen Syndroms und zusätzlicher Ödembildung entgegenzuwirken.

Unter einem postthrombotischen Syndrom wird eine chronische Schwellungsneigung des Beines, mit Hyperpigmentierungen, Schmerzen und Unterschenkelgeschwüren im Nachgang an eine Thrombose verstanden. Die Thrombophlebitis ist eine akute Venenentzündung, die oberflächlich sein kann, aber auch die tieferliegenden Venen betreffen kann. Sie geht häufig mit der Bildung eines Blutgerinnsels (Thrombus) einher.

Charakteristische Anzeichen sind Druckschmerz, Überwärmung, Rötung und Verhärtung der Krampfader. Die Schwellung ist im Gegensatz zur tiefen Venenthrombose rein oberflächlich. Eine Varizenruptur ist eine Varizenblutung, zum Beispiel nach einem traumatischen Ereignis auf eine Varize. Die Erstversorgung erfolgt über einen Druckverband zusammen mit einer Kompressionstherapie. Anschließend wird das Gefäß verödet.

Therapie Eine chronische Veneninsuffizienz ist letztlich nicht heilbar. Therapieziele sind einerseits die Beschwerdelinderung und das Verlangsamen beziehungsweise Stoppen des weiteren Krankheitsverlaufs mit Einfluss auf das tiefe Venensystem. Die konservative Therapie umfasst Maßnahmen zur Entstauung der Gefäße wie Lymphdrainage, Gefäßsport, die Gabe von Venentherapeutika und die Kompressionstherapie. In fortgeschrittenen Stadien stößt die konservative Therapie an ihre Grenzen und operative Methoden sind angezeigt.

Einen Leitfaden für die systematische Therapie von chronischen Venenerkrankungen bietet ein Konsensuspapier von Stücker et al. von 2016. Die Autoren heben hervor, dass chronische Venenerkrankungen auf der Basis der individuellen pathophysiologischen Störung behandelt werden sollen. Die symptomorientierte Behandlung chronischer Venenerkrankungen basiert auf drei Säulen mit nachgewiesener Wirksamkeit: der invasiven Therapie, der Kompressionstherapie und der medikamentösen Therapie. Bei der Indikationsstellung sind objektive Symptome ebenso wie subjektive Beschwerden zu berücksichtigen.

Gemäß den Empfehlungen aktueller Leitlinien sollte zunächst eine Sanierung des venösen Gefäßbetts erwogen werden, um einen störungsfreien venösen Blutfluss wiederherzustellen und Symptome und pathologische Veränderungen zu beseitigen oder zu bessern. Ist ein invasiver Eingriff nicht möglich beziehungsweise nicht erwünscht oder bestehen nach einem Eingriff noch Restsymptome, gilt es, die symptomatischen Therapieoptionen optimal auszuschöpfen. Kompressionstherapie und medikamentöse Therapie können allein oder in Kombination angewendet werden. Welche Strategie den größten Erfolg verspricht, ist individuell zu entscheiden.

Störenfried entfernen Bei der operativen Krampfaderbehandlung werden die beschädigten Venen- oder Venenteile entfernt oder stillgelegt. Das venöse System funktioniert auch mit einem Gefäß weniger genauso gut. Krampfaderentfernungen können in der Regel ambulant erfolgen. Viele Patienten warten aus Angst zu lange mit dem in der Regel harmlosen, aber sinnvollen Eingriff. Trotz Invasivität treten nur selten Komplikationen, wie zum Beispiel Wundinfektionen, Thrombophlebitiden oder Nachblutungen auf.

PTA und Apotheker sollten hier ruhig zureden, wenn Patienten dazu ihre Zweifel äußern. Der invasive Eingriff sorgt für eine Entlastung des Venensystems, weil das Blut nicht mehr versackt, sondern wieder zum Herzen zurücktransportiert wird. Sind die tiefen Stammvenen sowie die Perforans-Venen funktionsuntüchtig, ist die operative Therapie Mittel der ersten Wahl.

Gegenanzeigen für die chirurgische Behandlung sind akute tiefe Bein- und Beckenvenenthrombosen sowie die fortgeschrittene periphere arterielle Verschlusskrankheit. Übliche Verfahren sind die Schaumsklerosierung, bei der Polidocanol zur Verödung in die Venen injiziert wird, die Hitzeverödung der kranken Vene mit Radiofrequenz- oder Lasertherapie und die minimalinvasive chirurgische Entfernung des Gefäßes.

SINNVOLLE KOMBINATION

 Orale Venenprotektiva ergänzen die Kompressionsbehandlung durch antiödematöse Effekte. Das A und O ist eine kontinuierliche Anwendung der Therapie. Nach Beendigung der Behandlung schreitet die Veneninsuffizienz weiter voran. „Die Kombination aus oralen Ödemprotektiva und Kompressionstherapie ist der Kompression allein deutlich überlegen“, so Stücker, Mitautor des Konsensuspapiers.

Druck ausüben Eine wichtige zweite Säule ist die Kompressionstherapie. Sie sorgt dafür, dass Ödeme ausgeschwemmt werden, die Beschwerden abnehmen und oberflächliche Venen wieder Halt gegen den inneren Druck haben. Die Muskelpumpe wird so in ihrer Arbeit unterstützt. Kompressionsverbände – auch phlebologische Kompressionsverbände (PKV) genannt – werden zur Initialbehandlung von Venenerkrankungen eingesetzt.

Sie kommen als tägliche Wechselverbände oder als Dauerverbände für mehrere Tage zur Anwendung. Bei den Verbänden werden Lang-, Mittel- und Kurzzugbinden unterschieden. Richtig angelegt erzeugen die Binden einen niedrigen Ruheund einen hohen Arbeitsdruck. Dies leisten insbesondere Kurzzugbinden, die im Rahmen einer chirurgischen Venenbehandlung zur Nachbehandlung zum Einsatz kommen. Für die Dauertherapie, aber auch für die Prävention bei Risikopersonen (Schwangere, Personen, die im beruflichen Alltag viel stehen und sitzen), sind Kompressionsstrümpfe die erste Wahl.

Sie üben einen gleichmäßigen Druck auf das Bein aus, wobei der Druck vom Fußgelenk aus nach oben zum Oberschenkel hin weiter abnimmt, um die Flussrichtung des Blutes in Richtung des Herzens zu unterstützen. Die Akzeptanz der Kompressionstherapie ist immer noch begrenzt, obwohl sich Qualität und Tragekomfort in den vergangenen Jahren deutlich verbessert haben – die Produkte in Kompressionsklasse 1 ähneln einem gewöhnlichen Feinstrumpf. Sie werden in verschiedenen Farben und Längen angeboten. So gibt es Kniestrümpfe, Halbschenkel- und Oberschenkelstrümpfe sowie Strumpfhosen.

Was ausgewählt wird, hängt von der Lokalisation der Veneninsuffizienz ab. Nur etwa die Hälfte der Patienten trägt die Strümpfe wirklich regelmäßig. Stützstrümpfe haben nur einen geringen Effekt, eignen sich aber zur Unterstützung der Beine bei Flugreisen oder langen Autofahrten. Eine leichte Kompression genügt zur Prophylaxe der Venenleiden bei Risikopatienten. Bei fortgeschrittenen Venenerkrankungen bis hin zum irreversiblen Lymphödem ist eine sehr kräftige Kompression erforderlich.

Medizinische Kompressionsstrümpfe unterscheiden sich nach den Kompressionsklassen 1 (leichte Kompression 18 bis 21 mm Hg), 2 (mittlere Kompression 22 bis 32 mm Hg), 3 (kräftig 34 bis 46 mm Hg) und 4 (sehr kräftige Kompression 49 mm Hg und kräftiger ). Sie bestehen aus Polyamid, Elasthan, Baumwolle, Elastodien aber auch Mikrofasern, sodass die besondere Kompressionswirkung gesichert ist. Da die Strümpfe einen geringeren Arbeitsdruck, aber einen höheren Ruhedruck ausüben, sollten diese über Nacht ausgezogen werden. Für die Anmessung von Kompressionsstrümpfen ist die Apotheke die richtige Adresse. Die Messung erfolgt am besten direkt morgens am ödemfreien Bein des stehenden Patienten.

Die Messpunkte (Länge und Umfang des Beines) sind vorgegeben und werden in Tabellen der Herstellerfirmen eingetragen. Ist die Kompression an beiden Beinen nötig, müssen beide Beine einzeln vermessen werden und zwei einzelne Strümpfe angefertigt werden. Vielfach sind keine speziellen Maßanfertigungen nötig, sondern Serienmodelle passend. Aber auch dazu muss vorher ausgemessen werden. Bei entsprechender Indikation werden Kompressionsstrümpfe von der Krankenkasse erstattet.


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„Wenn die Klappen nicht mehr schließen”

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