© vi73777 / iStock / Getty Images

Krebserkrankungen

WENN DER KREBS DIE LUFT ABSCHNÜRT

Lungenkrebs hat eine schlechte Prognose und es gibt keine Früherkennung. Auch Schmerzen bereitet die Erkrankung zunächst nicht. Umso wichtiger ist es, Risikofaktoren zu vermeiden. Rauchen steht dabei an oberster Stelle.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Rund 55 000 Menschen erkranken in Deutschland jedes Jahr an Lungenkrebs. Für Männer ist es die zweithäufigste, für Frauen die dritthäufigste Krebsart. Mit circa 29 000 beziehungsweise 16 000 Toten pro Jahr ist es die häufigste krebsbedingte Todesursache bei Männern und die zweithäufigste bei Frauen. Lungengeschwulste entstehen schleichend: Am Anfang steht fast immer der Kontakt mit einer oder mehreren krebserregenden Substanzen, die eingeatmet werden und das Erbgut der Bronchialzellen und Bronchiolen schädigen. Nach einer Latenzzeit von bis zu 40 Jahren, meist aber wesentlich früher, entsteht aufgrund des entarteten Wachstums einer einzigen solchen Zelle schließlich ein Bronchialkarzinom. Das mittlere Erkrankungsalter liegt zwischen 68 und 70 Jahren; bei sehr jungen Betroffenen vermutet man eine zusätzliche genetische Komponente.

Gift für die Lungen Hauptrisikofaktor für Lungenkrebs ist das Rauchen, das bei neun von zehn Diagnosen die Ursache ist. Die Gefahr zu erkranken ist für einen Raucher 10- bis 15-mal höher als für jemanden, der nie geraucht hat. Auch Passivrauchen ist gefährlich, denn es steigert das Risiko für Lungenkrebs um den Faktor 1,3. Bis in die 1980er Jahre hinein war Lungenkrebs noch eine deutlich „männliche“ Krebsform. Als aber immer mehr Frauen anfingen zu rauchen, näherten sich die Fallzahlen der Geschlechter allmählich an. Spätestens seit man in öffentlichen Räumen nicht mehr rauchen darf, ist der Coolness-Faktor des Glimmstängels jedoch stark gesunken. Der deutsche Drogen- und Suchtbericht zeigt, dass immer weniger Kinder und Jugendliche anfangen zu rauchen, was sich positiv auf künftige Fallzahlen auswirken dürfte.

Häufig Berufskrankheit Neben Tabakrauch spielen auch andere Umweltgifte eine Rolle, wie das radioaktive Edelgas Radon, das im Erdboden vorhanden ist und von Kellern in Wohnräume aufsteigt oder der mittlerweile verbotene Baustoff Asbest. Andere lungenkrebserregende Substanzen wie Arsen-, Chrom- und Nickeldämpfe werden in metallverarbeitenden Betrieben, Gummiwerken oder Gießereien jedoch immer noch eingeatmet. Lungenkrebs ist daher häufig auch eine Berufskrankheit. Einem Kanzerogen jedoch können wir alle nicht ausweichen – den Feinstäuben von Fahrzeugabgasen. Sie erhöhen das Krebsrisiko um das 1,5-Fache. Kleinere Risikofaktoren sind vernarbtes Lungengewebe, zum Beispiel durch eine Infektion, sowie eine vitaminarme Ernährung. Vitamine aus Nahrungsergänzungsmitteln schützen jedoch nicht vor Lungenkrebs, sondern steigern bei Rauchern sogar das Risiko dafür.

Klein und gemein Lungenkrebs kann in allen Lungenteilen auftreten, am häufigsten sind jedoch die oberen Bereiche der Lungenflügel betroffen, da sich dort durch die Atmung die meisten Umweltschadstoffe ablagern. Meist zeigen sich Symptome erst dann, wenn die Erkrankung schon weit fortgeschritten ist. Dann kann es zu wochenlang anhaltendem Husten kommen, auch mit (blutigem) Auswurf, Heiserkeit, Atemnot, starken Brustschmerzen und Fieberschüben. Haben sich bereits Hirnmetastasen gebildet, kommen neurologische Ausfälle, Kopfschmerzen und Übelkeit hinzu. In diesem Stadium ist meist nur noch eine Palliativbehandlung möglich. Es ist also überlebenswichtig, dass der Krebs früh erkannt wird.

Das ist jedoch meist nur ein Zufallsbefund aufgrund anderer Verdachtsdiagnosen, denn eine Früherkennung für Lungenkrebs gibt es nicht. Bei Verdacht auf Lungenkrebs werden Blut und Auswurf labortechnisch untersucht und die Lunge geröntgt sowie eine Bronchoskopie durchgeführt. Erhärtet sich der Verdacht, kann er über weitere bildgebende Verfahren abgesichert werden. Dann muss mittels einer Biopsie untersucht werden, um welche Form es sich handelt. Man unterscheidet prinzipiell zwischen dem aggressiven, schnellwachsenden kleinzelligen Bronchialkarzinom (SCLC) und dem langsamer wachsenden, nicht-​kleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC).

Das NSCLC macht mit circa 80 Prozent die meisten Fälle aus und lässt sich noch einmal grob in das häufigere Adenokarzinom und das etwas seltenere Plattenepithelkarzinom gliedern. Beide Lungenkrebsformen werden je nach Größe und Ausdehnung des Tumors, der Beteiligung der Lymphknoten und dem Vorliegen von Metastasen in vier Stadien eingeteilt. Ins Stadium 1 fallen kleine Tumoren ohne Lymphknotenbefall, während im Stadium 4 Fernmetastasen vorliegen. Je nach Stadium kommen unterschiedliche Therapien zum Einsatz, die teilweise auch kombiniert werden.

Klassische Behandlung Ist der Allgemeinzustand des Patienten gut und die Lunge bis auf das Tumorgewebe noch gut funktionsfähig, wird immer eine Operation angestrebt. Dabei wird der Tumor großräumig entfernt, häufig mit dem kompletten befallenen Lungenlappen. Ist die Funktion der Lunge zu stark eingeschränkt oder der Tumor nicht mehr örtlich begrenzt, kommt eine Strahlentherapie zum Einsatz, eventuell gefolgt von einer Operation, wenn der Tumor weit genug geschrumpft ist.

Weiterhin möglich sind Operation und adjuvante Chemotherapie und/oder verschiedene Kombinationen von Strahlen- und Chemotherapien. Erst wenn mehrere Metastasen vorliegen, wird nur noch palliativ behandelt. Beim SCLC kommt eine Operation nur im Anfangsstadium der Krankheit in Frage. So früh wird sie jedoch meist nur durch einen Zufallsbefund entdeckt; in der Regel ist der Krebs schon weiter fortgeschritten. Dann wird meist eine Kombination aus Strahlen- und Chemotherapie durchgeführt. Eine wichtige Bedeutung hat dabei die nachfolgende Schädelbestrahlung, mit der man versucht, der beim SCLC häufig auftretenden Hirnmetastasierung vorzubeugen.

Zielgerichtete Therapie Wie bei allen anderen Krebsarten spielt die zielgerichtete Therapie auch bei Lungenkrebs eine immer größere Rolle. Bisher waren die Überlebenschancen in späten Stadien extrem gering. Doch immer bessere zielgerichtete Therapien machen Hoffnung, wie etwa Angiogenesehemmer, die die Blutversorgung des Tumors abschnüren und in Kombination mit einer Chemotherapie die Überlebenszeit der Betroffenen verlängern können. Beim NSCLC weisen manche Tumoren zudem bestimmte Mutationen auf, die jeweils als Angriffspunkt für Tyrosinkinasehemmer genutzt werden – Wirkstoffe, die das Wachstum von Krebszellen ebenfalls gezielt hemmen können. Die größte Hoffnung liegt jedoch auf den Immuntherapien.

Checkpoint-Inhibitoren wie Pembrolizumab und Nivolumab lösen die Bremse, mit denen Krebszellen den Angriff von Immunzellen blockieren, sodass sich die körpereigene Abwehr wieder gegen die Tumorzellen richten kann. Gleiches gilt für den neueren Wirkstoff Atezolizumab, der in Kombination mit einer Chemotherapie und einem Angiogenesehemmer mittlerweile als Erstlinientherapie beim NSCLC empfohlen wird, nachdem Studienergebnisse zeigten, dass die Überlebenszeit durch die zusätzliche Immuntherapie mit Atezolizumab von 14,9 auf 19,8 Monate anstieg.

Atezolizumab ist zudem auch ein Hoffnungsträger beim fortgeschrittenen SCLC, das bisher kaum wirksam bekämpft werden kann. 2018 wurden Studienergebnisse veröffentlicht, die zeigten, dass die Überlebenszeit durch seine zusätzliche Gabe zu einer Chemotherapie von 10,3 auf 12,3 Monate anstieg. Die Immuntherapie wird künftig eine wesentliche Säule der Lungenkrebstherapie sein, zumal sie wesentlich weniger Nebenwirkungen hat als herkömmliche Behandlungsmethoden und damit nicht nur die Lebenszeit der Patienten verlängert, sondern auch die Lebensqualität.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 09/19 ab Seite 98.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

×