Eltern mit Baby © detailblick-foto / stock.adobe.com
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Homöopathie

WANN HOCH, WANN NIEDRIG POTENZIEREN?

Homöopathische Mittel können in jedem Alter und für jedes Geschlecht angewendet werden – das macht es gerade für den Einsatz in der Selbstmedikation attraktiv. Häufig stellt sich im Beratungsgespräch die Frage nach der korrekten Potenz.

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Bei der großen Auswahl an Homöopathika kann man schon einmal den Überblick verlieren, gilt es doch als die große Kunst, das richtige Mittel für den individuellen Einsatz zu ermitteln. Dafür bedarf es neben Erfahrung und Know-how auch ein gewisses Fingerspitzengefühl, therapiert man doch in der klassischen Homöopathie im Gegensatz zur Schulmedizin nicht nach strengen Richtlinien die Krankheit, sondern unterstützt die Selbstheilungskräfte des Körpers.

Und sowohl die körperliche wie die seelische Verfassung als auch die Reaktionen, die ein Körper auf eine Erkrankung zeigt, können sich zwischen einzelnen Personen stark unterscheiden. Daneben können sich im Beratungsgespräch aber noch andere, wichtige Fragen stellen: Welche Potenz ist die richtige? Wie muss das Mittel dosiert werden? Wann empfiehlt sich der Einsatz eines Einzel-, wann eines Komplexmittels?

Die Potenzierung

Die Potenz beschreibt sozusagen die „Stärke“ eines Präparats, in Zahlen ausgedrückt gibt sie den Grad der Verdünnung an. Die Avogadrogrenze hilft bei der Einteilung der Potenzen. Sie beschreibt, ab wann eine bestimmte Verdünnung rechnerisch kein Teilchen der Ausgangssubstanz mehr enthält. Tiefpotenzen liegen unterhalb dieser Grenze, bei sehr niedrigen Verdünnungen (tiefe Tiefpotenzen) kann es daher durchaus zu pharmakologischen oder gar toxischen Wirkungen kommen. Potenzgrade von D1 bis D23 und C1 bis C11 werden als Tief- oder Niedrigpotenzen bezeichnet. Die Potenzen C12 bis C29 und D24 bis D59 werden als mittlere Potenzen und Potenzen oberhalb C30 beziehungsweise D60 als Hochpotenzen bezeichnet.

Homöopathische Selbstmedikation Abgesehen von einzelnen Ausnahmen, sind homöopathische Arzneimittel lediglich registriert, sie durchlaufen kein Zulassungsverfahren und tragen somit auch keine Indikation. Daher ist die Beratung bei der Abgabe in der Apotheke besonders wichtig. Zur Selbstmedikation eignen sich vor allem Tiefpotenzen. Nach homöopathischem Verständnis wirken Hochpotenzen besonders nachhaltig und tiefgreifend – die Auswahl und Verschreibung sollten daher dem Profi überlassen werden. Gängige Potenzen sind D3, D6 und D12, sie wirken zwar eher kurz, dies lässt sich aber durch eine häufigere Gabe anpassen. Deshalb gelten sie nicht als weniger wirksam.

An dieser Stelle kann direkt eine Empfehlung für eine Standard-Dosierung gegeben werden: Für Erwachsene besteht eine Gabe aus entweder fünf Globuli, fünf Tropfen oder einer Tablette. Babys erhalten ein Globulus, Kleinkinder drei. Wie häufig die Mittel eingenommen werden, hängt von den Beschwerden ab. Bei sehr akuten Beschwerden (Schock, Ohnmacht) kann die Gabe alle fünf bis zehn Minuten wiederholt werden, akute Erlebnisse wie Fieber oder Kopfschmerzen können eine stündliche Wiederholung bedeuten und bei andauernden Symptomen (Rheuma-Schmerzen, Schwangerschaftsübelkeit) oder bei Besserung kann dreimal täglich eine entsprechende Dosis eingenommen werden.

Dabei sollte auch im niedrig potenzierten Bereich eine Gabe von sechs bis sieben Mal pro Tag nicht überschritten werden. Bei der Auswahl des richtigen Mittels kommt es nun auch ein bisschen auf Ihr Know-how an, haben Sie viel Erfahrung mit Homöopathika oder eine Zusatzausbildung im Bereich Homöopathie? Dann können Sie sich mit Hilfe einiger Fragen um die Beschwerden (Wo sind die Beschwerden und wie fühlen sich diese an? Was war der Auslöser? Wann verbessern oder verschlechtern sich die Symptome?) ein genaues Bild von dem Leid des Kunden machen und ihm eines der möglicherweise passenden Mittel empfehlen.

Denn ob das Mittel wirklich passt, erkennt man erst an den Reaktionen des Betroffenen auf die Einnahme. Verfügen Sie eher über ein solides Grundwissen, empfehlen Sie Präparate, die erfahrungsgemäß besonders erfolgreich bei dieser Indikation eingesetzt werden. Zum Beispiel Rhus toxicodendron bei rheumatischen Schmerzen, Nux vomica bei Verdauungsbeschwerden oder Apis bei Insektenstichen. Im Gegensatz zu der eingangs beschriebenen Vorgehensweise der Behandlung des Menschen im Ganzen und nicht der Therapie der Beschwerden, wendet man genau dies in der Selbstmedikation an. Homöopathen sprechen dann von einer organotropen, also symptombezogenen Herangehensweise, ähnlich wie in der Schulmedizin.

Komplexmittel

Sie stellen eine Sonderform homöopathischer Arzneimittel dar. In ihnen sind mehrere Substanzen meist mit bewährten Indikationen in einer Weise kombiniert, dass sie alle für die Erkrankung typischen Symptome abdecken, sich also ergänzen. Die Komplexhomöopathie fand ihren Anfang im 19. Jahrhundert, einer der ersten Anwender war der Lehm-Pastor Emanuel Felke (1856–1926). Er kombinierte für seine Patienten meist niedrig potenzierte Einzelmittel. Dafür ermittelte er die passenden Einzelmittel individuell und fügte weitere hinzu, die zu dem jeweiligen Krankheitsbild passten. Ein Vorteil liegt in der Erfahrung, die diesen Kombinationen zugrunde liegt. Zudem ist die Auswahl des Mittels verhältnismäßig einfach, kann auch mit wenig Homöopathie-Wissen durchgeführt werden und eignet sich daher gut für die Selbstmedikation. Die „bewährten Indikationen“ reichen von fieberhaften Infekten, Schlafstörungen oder Wechseljahrbeschwerden bis zu Heuschnupfen oder Allergien. Manche dieser Komplexmittel können zudem eine studiengestützte Indikation aufweisen, ihre Wirkung und Unbedenklichkeit wurde also klinisch erprobt. Genauso wie die Einzelmittel wurden die Präparate alle nach Anforderungen des HAB, dem Homöopathischen Arzneibuch, produziert.

Personotrope Homöopathie Anders beim Arzt oder Heilpraktiker: Die Personotrope Homöopathie beschreibt eine Therapiemethode mit einer sehr differenzierten Anamnese. Es werden körperliche wie seelische Beschwerden gleichermaßen berücksichtigt und durch ein intensives Gespräch erforscht. Dabei richten sich die Fragen sehr eingehend nach den Beschwerden, klopfen Begleiterscheinungen und Gemütszustand ab und erkundigen sich ebenso nach Allgemeinmaßnahmen, wie beispielsweise, ob eher kalte oder warme Wickel helfen. Der Vorgang dieses ausführlichen Anamnesegesprächs, das mitunter bis zu zwei Stunden dauern kann, nennt sich auch Repertorisieren.

Zumeist werden im Anschluss Hochpotenzen verordnet, mitunter genügt eine einzelne Gabe eines passenden Mittels. Es ist aber auch eine wiederholte Gabe nach verordneter Dosierung möglich. Von diesem Dosierschema sollte nicht abgewichen werden. Da es nach der Einnahme häufiger zu der sogenannten Erstverschlimmerung kommen kann als das unter Niedrigpotenzen in der Selbstmedikation der Fall ist, obliegt die Verschreibung beziehungsweise Empfehlung der Hochpotenzen dem Arzt oder Heilpraktiker.

Den Artikel finden Sie auch in unserem Sonderheft „Phytotherapie und alternative Heilmethoden“ ab Seite 74.

Farina Haase, Apothekerin/Redaktion

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