Eine Frau liegt auf einer Behandlungsliege, eine Ärztin untersucht ihren Hals mittels Ultraschall.
Zur Schilddrüsen-Diagnostik gehört auch die Sonographie. © AlexRaths / iStock / Getty Images Plus

Schilddrüsenerkrankungen

VITAMINE, JOD, SELEN – WAS IST SINNVOLL?

Sie sitzt im vorderen Halsbereich und hat die Form eines Schmetterlings: die Schilddrüse. Das Organ erfüllt zahlreiche Aufgaben in unserem Körper. Schilddrüsenhormone beeinflussen Stoffwechsel, Kreislauf, Wachstum und Psyche. Krankheiten der Schilddrüse äußern sich deshalb vielfältig.

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In der Schilddrüse entstehen die beiden wichtigen Hormone Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4), die von dort aus ins Blut gelangen. Zur Produktion dieser Hormone benötigt die Schilddrüse Eiweiß und Jod. Da der menschliche Körper kein eigenes Jod herstellt, muss er es in ausreichender Menge über die Nahrung zu sich nehmen. Bei Jodmangel kann sich die Schilddrüse vergrößern und einen Kropf (Struma) bilden. Das ebenfalls in der Schilddrüse gebildete Hormon Calcitonin spielt eine Rolle im Calcium-Stoffwechsel.

Welche Schilddrüsenwerte sind normal?
Üblicherweise orientiert sich der Arzt am TSH-Wert. TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon, Thyreotropin) ist ein Hormon, das in der Hirnanhangsdrüse entsteht. Es steuert die Hormonproduktion der Schilddrüse. Als „normal“ gilt ein TSH-Wert, der sich in einem bestimmten Spektrum bewegt: Der Normbereich liegt bei 0,4 bis 4. Die Werte für die Schilddrüsenhormone T3 und T4 können je nach Lebenssituation variieren: Junge Frauen haben oft Hormonwerte im höheren Bereich. Bei älteren Menschen ist dagegen eine leichte Unterfunktion der Schilddrüse normal.

TSH: Stimulanz der Schilddrüse
Der Wert verrät, ob die Schilddrüse in ausreichendem Maß Hormone produziert und ob eine Schilddrüsenunterfunktion oder -überfunktion vorliegt.

Fehlfunktionen
Von einer Über- oder Unterfunktion spricht man, wenn die Drüse zu viele beziehungsweise zu wenige Hormone produziert. Das hat Auswirkungen auf die von der Schilddrüse gesteuerten Körperfunktionen. Die Symptome sind vielfältig:

  • Eine Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) äußert sich beispielsweise in Nervosität, Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen oder vermehrtem Schwitzen.
  • Symptome der Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) sind dagegen Kälteempfindlichkeit, Antriebslosigkeit oder depressive Verstimmungen.

Welche Krankheiten gibt es?
Schilddrüsenüber- und -unterfunktionen sind auf verschiedene Ursachen und Krankheiten zurückzuführen. Eine Schilddrüsenunterfunktion ist nur in seltenen Fällen angeboren, oft ist sie das Resultat einer Schädigung des Schilddrüsengewebes, etwa bei einer Entzündung.

  • Als Hashimoto-Thyreoiditis bezeichnet man eine chronische Entzündung der Schilddrüse, bei der das Immunsystem des eigenen Körpers das Schilddrüsengewebe angreift. Es handelt sich um eine Autoimmunkrankheit.
  • Eine Überfunktion ist zu mehr als 95 Prozent auf eine Basedowsche Krankheit, eine Autoimmunerkrankung, zurückzuführen. Bei ihr bildet der Körper bestimmte Antikörper, welche zu einer verstärkten Ausschüttung von Schilddrüsenhormonen führen. Es kommt zur Schilddrüsenüberfunktion. Häufige Symptome sind zum Beispiel Schwitzen, Zittern oder Gewichtsabnahme.

Schilddrüsen-Antikörper: MAK (TPO-Antikörper), TAK, TRAK
Unruhe, Schlaflosigkeit, Gewichtsveränderungen und andere unklare Beschwerden können Symptome einer autoimmunen Schilddrüsenerkrankung sein.

Vergrößert sich die Schilddrüse, entsteht ein Kropf am Hals. Schuld daran ist meist Jodmangel. Ein Kropf liefert den am deutlichsten sichtbaren Hinweis auf eine mögliche Schilddrüsenerkrankung, ist aber natürlich nicht bei allen Störungen vorhanden.

Laut Schätzungen haben fast ein Drittel der Deutschen Knoten in der Schilddrüse. Diese können hormonell aktiv sein und zu einer Überfunktion beitragen. Andere Knoten sind inaktiv. Wieder andere Knoten sind bösartig.

Die Ursachen für Schilddrüsenkrebs (Schilddrüsenkarzinom) sind nicht eindeutig geklärt. Risikofaktoren sind unter anderem erhöhte Belastungen mit Röntgenstrahlen oder radioaktive Strahlung. Jährlich erkranken in Deutschland etwa 8000 Menschen an Schilddrüsenkrebs.

Über- und Unterfunktion: Behandlung
Die Therapie richtet sich nach der Art der Erkrankung. Grundsätzlich können die meisten Schilddrüsenprobleme inzwischen mit einer hohen Erfolgsrate behandelt werden. Patienten mit einer Schilddrüsenunterfunktion können zum Beispiel Tabletten mit synthetischem Thyroxin (T4) helfen. Die Schilddrüsenüberfunktion wird normalerweise mit Thyreostatika behandelt. Sie hemmen die Produktion von Schilddrüsenhormonen. Wenn diese Maßnahme nicht ausreicht, kommt auch eine Radiojodtherapie oder ein operativer Eingriff infrage.

L-Thyroxin ist ein Schilddrüsenhormon, das unter anderem bei einer Schilddrüsenunterfunktion die fehlenden Hormone ersetzt. Die richtige Dosierung zu finden ist manchmal etwas knifflig.

Macht eine Vorsorgeuntersuchung Sinn?
Schilddrüsenerkrankungen sind zu einem gewissen Teil auch erblich veranlagt. Wenn in der Familie Fälle von Fehlfunktionen oder Kröpfen bekannt sind, kann eine Vorsorgeuntersuchung auch ohne akute Symptome sinnvoll sein. Raten Sie Ihren Kunden am besten zu einem Gespräch dem Hausarzt oder Radiologen. „Alle anderen sollten sich ab dem 40. Lebensjahr in regelmäßigen Abständen von ein bis zwei Jahren untersuchen lassen“, erklärt Dr. Joachim Feldkamp, Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie des Klinikums Bielefeld.

Der Arzt oder die Ärztin kann die Schilddrüse mit der Hand nach Unregelmäßigkeiten abtasten. Zusätzlich kann er oder sie das Organ per Ultraschall untersuchen und den TSH-Wert bestimmen. Diese Untersuchungen gehören aber nicht zu den normalen Vorsorgeleistungen der gesetzlichen Krankenkassen. Der Patient muss die Kosten dafür unter Umständen selbst übernehmen, wenn keine medizinische Notwendigkeit besteht.

Prophylaktisch Jod einnehmen?
Die wichtigste Vorsorgemaßnahme besteht in einer ausreichenden Versorgung mit Jod. Der tägliche Bedarf hängt von verschiedenen Faktoren – wie Alter und Umweltbelastung – ab. Die empfohlene Jodzufuhr für einen Erwachsenen liegt bei 200 Mikrogramm (μg). Neben dem bekannten Jodsalz spielen dabei viele andere Lebensmittel eine wichtige Rolle: „Mit der Menge, die Sie über Jodsalz aufnehmen, könnten Sie gar nicht Ihren Tagesbedarf an Jod abdecken“, erläutert Feldkamp. „Viel wichtiger zur Sättigung des Jodhaushaltes ist zum Beispiel Brot, das große Mengen an Jod enthält.“ Auch, auf das Rauchen zu verzichten, schont die Schilddrüse. „Zigarettenrauch enthält Zyanid, das die Jodaufnahme in der Schilddrüse blockiert“. ergänzt der emeritierte Professor Dr. Roland Gärtner von der LMU München. Milch, Milchprodukte sowie Fisch und Meeresfrüchte helfen ebenfalls, den täglichen Jodbedarf zu decken.

Selen und Vitamine
Bei einem Selenmangel ist die Schilddrüse anfälliger für eine Entzündung, die sogenannte Autoimmun-Thyreoiditis oder Hashimoto-Erkrankung. Jeder zehnte Bundesbürger trägt die genetische Veranlagung dafür in sich; Frauen sind etwa achtmal häufiger betroffen als Männer. Die Höhe dieser TPO-Antikörpertiter lässt sich durch Selen-Applikation dosisabhängig reduzieren, wie mehrere Studien ergeben haben. „Gleichzeitig fühlen sich die Patienten besser“, sagt Professor George Kahaly von der Universitätsklinik Mainz.

Selen und Schilddrüse
Selen ist für die normale Funktion der Schilddrüse unverzichtbar. Es liegt im Schilddrüsengewebe in hohen Konzentrationen vor. Als Bestandteil der Glutathionperoxidase schützt es das Organ vor Wasserstoffperoxid, das bei der Synthese von Schilddrüsenhormonen entsteht. Zudem ist Selen ein Baustein der Dejodasen, die das Prohormon Thyroxin (T4) zum aktiven Hormon Trijodthyronin (T3) dejodieren. Bei unzureichender Selenversorgung erhöht sich das Verhältnis von T4 zu T3 im Serum. Das kann die Schilddrüsenfunktion stören.

Um einen Effekt auf die Antikörpertiter zu erzielen, müssen Betroffene täglich 200 μg Natriumselenit einnehmen. Bei einer Dosis von 100 μg täglich veränderte sich die Antikörperkonzentration nicht. Ob die regelmäßige Einnahme von Selen verhindert, dass Patienten eine Hypothyreose entwickeln, ist noch unklar. Eine mögliche Indikation für die Selensubstitution sieht Kahaly deshalb vor allem bei Patienten mit Autoimmunthyreoiditis mit ausgeprägter entzündlicher Aktivität und hohen TPO-Antikörpertitern.

Ersten Ergebnissen von weiteren Studien zufolge scheint die Selensubstitution auch bei einer immunogenen Hyperthyreose (Morbus Basedow) sinnvoll zu sein. Inwieweit die Applikation von Selen bei Patienten mit M. Basedow das Entstehen oder Fortschreiten einer endokrinen Orbitopathie (Hervortreten der Augen) vermindern kann, prüft Kahaly derzeit in einer randomisierten Studie. „Angesichts der begrenzten therapeutischen Alternativen und der guten Verträglichkeit ist die antioxidative Therapie mit Vitamin E, Vitamin C, Betakarotin und Selen bei Patienten mit endokriner Orbitopathie eine sinnvolle Ergänzung der Therapie“, so Kahaly.

Ist zu viel Jod schädlich?
„Allein über die tägliche Nahrungsaufnahme ist es praktisch unmöglich, zu große Mengen an Jod zu sich zu nehmen“, erklärt Gärtner. „Aufpassen sollte man allerdings bei einigen Medikamenten, die zum Teil große Mengen an Jod enthalten.“ Eine gesunde Schilddrüse kommt aber auch mit einer kurzzeitigen Überversorgung gut zurecht.

Werner Hilbig,
Apotheker/Journalist

Quellen:
www.aerztezeitung.de
www.hashimoto-thyreoiditis.de 
www.gesundheits-lexikon.com
www.schilddruesenpraxis.at/medikamente.html
www.biosyn.de
www.biosyn.de/aktuelles/die-schilddruse-braucht-selen 
www.fair-pure.com

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