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Giftpflanzen

VIRGINISCHER TABAK

Im 16. Jahrhundert kam der Virginische Tabak nach Europa, wo er zunächst als Zier- und Heilpflanze kultiviert wurde. Inzwischen ist er die bedeutendste Pflanze für die Tabakindustrie.

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Nicotiana tabacum ist eine einjährige Pflanze, die ursprünglich aus Südamerika stammt. Tabak gehört mit seinen etwa 75 Arten zur Familie der Nachtschattengewächse . Während einige Arten wie beispielsweise der nachts stark duftende Wald-Tabak (Nicotiana sylvestris) lediglich als Zierpflanze unsere Gärten schmückt, kommt der Virginische Tabak (Nicotiana tabacum) für die Herstellung von Tabakwaren zum Einsatz. Daneben wird vereinzelt (z. B. in Russland) der Bauern-Tabak (Nicotiana rustica) für die Tabakindustrie angebaut.

Rauschmittel, Arzneidroge und Rauchware In den alten Hochkulturen Südamerikas versetzten sich die Priester mit Tabak in Trance oder Bewusstlosigkeit, um Kontakt mit den Göttern aufzunehmen. Als Heilmittel wurde die Tabakpflanze später in der alten Welt eingeführt. Jean Nicot de Villemain, französischer Gesandter am portugiesischen Hof in Lissabon, brachte den Virginischen Tabak 1560 für medizinische Zwecke nach Europa. Er setzte ihn gegen Hautkrankheiten ein und empfahl das Rauchen und Schnupfen der Blätter bei Migräne.

Aufgrund des großen Erfolges erhielt die Pflanze ihm zu Ehren ihren Gattungsnamen Nicotiana. Der Artname tabacum stammt möglicherweise vom indianischen Wort „tabagos“ ab, mit dem die Ureinwohner Südamerikas das aus den zusammengerollten Tabakblättern gebildete Rauchrohr bezeichneten. Ärzte des Mittelalters gebrauchten Tabak gegen verschiedene Leiden. Die Behandlung von Zahnweh, Husten, Wassersucht, Geschwülsten oder Flechten sind nur einige Beispiele.

RAUCHEN
Beim Rauchen kommt es gewöhnlich nicht zu Vergiftungen. Zum einen wird das meiste Nikotin verbrannt, sodass nur niedrige Dosen in den Körper gelangen. Zum anderen verteilt sich der Giftstoff zügig im Körper und wird mit einer Halbwertszeit von zwei Stunden schnell abgebaut und ausgeschieden.

Besondere Furore machte die Pflanze als ein Mittel zur Seuchenprophylaxe und als Desinfektionsmittel. Dabei trug ihr Einsatz bei der Pest, die im 17. Jahrhundert in Europa wütete, in entscheidendem Maße zur Verbreitung des Tabakrauchens bei und bereitete damit Tabak den Weg zum Genussmittel. Darüber hinaus war ein Sud der Pflanze zum Abtöten von Läusen und anderen Schädlingen ein bekanntes Hausmittel. Noch heute werden Nikotinlösungen zur Schädlingsbekämpfung verwendet.

Attraktives Nachtschattengewächs Der Virginische Tabak ist mit seinen bis zu 50 Zentimeter großen Blättern und einer Höhe von bis zu drei Metern eine eindrucksvolle Pflanze. Ihr dicker Stängel ist wenig verzweigt und wie die Blätter und der Kelch drüsig behaart. Die samtig-weichen Blätter sind nach vorn eiförmig zugespitzt, an der Basis umgeben sie den Stängel. Die rispig angeordneten Blüten sind trichterförmig und erscheinen von Juni bis September. Sie sind rosafarben und haben einen grünen Kelch. Die fünf Blütenblätter sind zu einer Röhre zusammengewachsen, nur ihre Blattspitzen stehen zipfelig ab. Es werden Kapselfrüchte gebildet, die zahlreiche kugelförmige bis breit elliptische Samen mit netzartig gewellter Oberfläche enthalten.

Hohe akute Toxizität Alle Pflanzenteile enthalten das giftige Alkaloid Nikotin. Es wird in den Wurzeln der Pflanze produziert und zum Schutz gegen Fraßinsekten in den Blättern eingelagert. In den frischen Blättern findet sich zwischen 0,1 und 4 Prozent des Alkaloids. In den getrockneten Blättern kann der Nikotin-Gehalt auf circa neun Prozent ansteigen. Lediglich die Samen sind fast frei von dem Giftstoff. Die Gefährlichkeit des Giftes ist nicht nur in der hohen Toxizität des Nikotins begründet.

Die tödliche Dosis liegt bei Erwachsenen schon bei 40 bis 60 Milligramm Nikotin, was einer oralen Aufnahme von vier bis fünf Zigaretten entspricht. Bei Kleinkindern kann bereits der Verzehr eines ein Zentimeter kurzen Teils einer Zigarette Vergiftungserscheinungen hervorrufen. Problem ist zudem die gute und schnelle Resorption des Giftstoffes über Haut, Lunge und Schleimhäute. Bei Arbeitern auf den Tabakplantagen werden allein durch den permanenten Hautkontakt mit den Blättern chronische Vergiftungen ausgelöst.

Vergiftungssymptome In niedrigen Dosen führt Nikotin ähnlich wie Acetylcholin durch Depolarisation der postsynaptischen Membranen zu einer Blutdrucksteigerung, verstärkter Magensaftsekretion und zu einer Tonuserhöhung im Magen- Darm-Trakt. Nach höheren Dosen sinkt der Blutdruck und im Magen-Darm-Trakt kommt es zu einer Tonusminderung. Zentrale Effekte sind Tremor und Atemstimulation. In toxischen Dosen kommt es zum Kreislaufkollaps mit schwachem, hohem Puls und kaltem Schweiß, zu Krämpfen unter Bewusstseinsverlust und schließlich zu Herzstillstand und Atemlähmung.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/15 ab Seite 96.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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