Frau schwimmt mit Delfinen © abezikus / iStock / Getty Images
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Therapietiere

THERAPEUTEN IM WASSER

Kaum eine andere Tierart übt eine so große Faszination aus wie der Delfin. Er scheint aufgrund seiner Anatomie ständig zu lächeln, was ihn sympathisch erscheinen lässt und eine positive Stimmung hervorruft.

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Die geselligen, verspielten und intelligenten Lebewesen gehören zu der Familie der Zahnwale, wobei der „Große Tümmler“ eine verbreitete Art ist, die aus Delfinarien oder aus der Serie „Flipper“ bekannt ist. Delfine verfügen über ein komplexes Gehirn und ein gutes Gedächtnis, leben in sozialen Verbänden und können sich durch Trillern, Schnattern, Quietschen und Pfeifen unterhalten. Die Meeressäuger zeigen Einfühlungsvermögen, tauschen – wie der Mensch – Informationen über ihre Identität aus, sollen eine eigene Persönlichkeit besitzen und sich individuelle Namen geben, die sich aus einer bestimmten Abfolge von Pfeiftönen zusammensetzen.

Mit Hilfe dieser akustischen Signale rufen sich Delfine untereinander, stellen sich bei einem Kennenlernen neuen Artgenossen vor oder kommunizieren gemeinsame Jagdstrategien. Delfine trauern um Verstorbene, erkennen sich selbst im Spiegel und können sich Kunststücke durch bloßes Abschauen beibringen. Außerdem suchen sie Kontakt zu Menschen und sind ihnen gegenüber neugierig.

Widersprüchliche Meinungen Aufgrund ihrer positiven Eigenschaften zählen Delfine zu den beliebtesten Tieren und kommen daher auch bei der Behandlung verschiedener Krankheitsbilder zum Einsatz. In der tiergestützten Therapie sollen sie dabei helfen, Ängste zu mildern, die Entwicklung autistischer Kinder zu verbessern oder Erkrankungen wie Depressionen zu lindern. Immer wieder liest man in den Medien über spektakuläre Behandlungserfolge mit den niedlichen Meeressäugern. In der Fachwelt sind die Therapien allerdings umstritten, weil es noch an wissenschaftlichen Studien, die für einen Wirkungsnachweis ausreichen, mangelt. Während Befürworter die Maßnahmen oft als Wundermittel bezeichnen, kontern die Gegner damit, dass sie teuer und wirkungslos seien.

Definition und Wirksamkeit Bei der delfingestützten Therapie handelt es sich um eine therapeutische Intervention, bei der ein Delfin in die ursprüngliche Behandlung mit einbezogen wird, um deren Effekte zu verstärken. Häufig werden die Begriffe Dolphin Human Therapy (DHT) oder Dolphin Assisted Therapy (DAT) verwendet. In den 1980er Jahren gab es zwar verschiedene Studien, welche die Effizienz der delfingestützten Behandlung untersuchten, allerdings wiesen diese meist methodische Mängel auf, sodass sie nicht verwertbar waren.

Jüngere Untersuchungen (zum Beispiel Lämmermann 2012) zeigten hingegen den positiven Einfluss bei Kindern mit verschiedenen Diagnosen (wie Trisomie 21 oder Autismus). Im Gegensatz zu anderen tiergestützten Behandlungen findet die delfingestützte Therapie im Medium Wasser statt, welches Betroffenen zusätzlich eine spezielle Form der Körpererfahrung ermöglicht. Die Befreiung von der Schwerkraft soll positive physiologische Effekte wie die Entlastung der Gelenke, die Förderung des Gleichgewichts, die Verbesserung der Koordination oder die Zunahme der Gelenkbeweglichkeit haben.

Schwimmen mit Flipper Die Angebote einer Delfintherapie fallen sehr unterschiedlich aus, gemeinsam sind ihnen die Interaktion mit dem Tier, die ganzheitliche psychologische Betreuung sowie die Urlaubsatmosphäre während des Aufenthaltes. Es gibt verschiedene Spielvarianten mit dem Meeressäuger, die in der Regel etwa 30 Minuten pro Tag andauern:

  • Das Kind schaut dem Delfin vom Beckenrand aus bei Kunststücken zu.
  • Der Patient hat indirekten Kontakt zu dem Meeressäuger, indem er ihm beispielsweise Bälle zuwirft, die das Tier zurückbringt.
  • Der indirekte Kontakt ist aus einer geringeren Distanz möglich: Die Person befindet sich dann am Beckenrand und reicht dem Delfin Gegenstände an.
  • Am Beckenrand können auch direkte Berührungen zwischen dem tierischen Therapeuten und dem Patienten stattfinden. Er wird von der Schnauze berührt oder streichelt und füttert den freundlichen Kameraden.
  • Die engste Form des Kontaktes ist das Schwimmen mit dem „Großen Tümmler“. Therapeut und Patient oder der Patient alleine lassen sich dabei schieben oder ziehen.


Wirkungsweise
Es existieren verschiedene Erklärungsmodelle zur Wirkung der delfingestützten Therapie: Einige Forscher gehen davon aus, dass Patienten von der Aufmerksamkeit, die die Delfine ihnen schenken, profitieren. Es macht den Anschein, dass sich Kinder mit emotionalen und sozialen Problemen, die bereits schwierige soziale Beziehungen erlebt haben, eher auf Tiere als auf Menschen einlassen. Die „Theorie der sozialen Kognition“ besagt, dass Tiere Betroffenen durch ihr Verhalten eine unmittelbare Rückmeldung geben. Zusätzlich erhalten Delfine die Aufmerksamkeit der Kinder dadurch aufrecht, dass sie ständig ihr Spiel ändern. Sie vermitteln Lebensfreude und unterdrücken impulsive Reaktionen der Patienten. Die Delfintherapie soll auch physische Effekte aufweisen, wie etwa muskelentspannende, beruhigende oder euphorisierende Wirkungen sowie eine motorische Aktivierung.

Risiken für Mensch und Tier Die Delfintherapie geht jedoch mit verschiedenen Nachteilen einher: Das Fangen in freier Wildbahn stellt für die Tiere einen großen Stressfaktor dar, schließlich werden sie von Hochgeschwindigkeitsbooten verfolgt und grob darauf gehievt, bevor sie in einem flachen Wasserbecken landen. Eine Übertragung von Krankheiten zwischen Schwimmern und Delfinen, Belastungen durch den Fang sowie negative Einflüsse durch die Gefangenschaft sind mögliche Begleiterscheinungen. Hinzu kommt, dass die Haut der Delfine sehr sensibel ist, sodass beim Schwimmen mit den Meeressäugern gegebenenfalls unbeabsichtigte Verletzungen durch Nägel oder Schmuck auftreten.

Außerdem sind Delfine anfällig für Erkrankungen der oberen Atemwege, die unter Umständen durch menschliche Keime hervorgerufen werden (Dunn et al., 2001). Eine Studie zeigte, dass das Umfeld, in welchem die Therapie stattfindet, einen entscheidenden Einfluss auf die Wirkung sowie auf den Stress der Delfine nimmt und die Kontaktfreudigkeit der Tiere gegenüber den Menschen unter schlechten Bedingungen reduziert ist (Brensing et al., 2005). Auch für den Menschen geht das Schwimmen mit Delfinen nicht ohne Risiken einher.

Die „Großen Tümmler“ können unter Umständen aggressives Verhalten zeigen oder im Spiel etwas rabiater werden. Die künstliche Gefangenschaft birgt die Gefahr von Verletzungen durch stressbedingte Bisse oder Rammattacken. Es sollte nicht vergessen werden, dass die Tiere bis zu 600 Kilogramm schwer sind und ihre Körper mit unglaublicher Geschwindigkeit durch das Wasser katapultieren können. Außerdem sind Infektionen auf den Menschen möglich, zum Beispiel durch Fäkal- und Fäulnisbakterien oder durch verunreinigtes Schwimmwasser.

Fazit Delfine können für Personen mit bestimmten Erkrankungen einen Beitrag zur Linderung der Beschwerden leisten, allerdings stellt sich die Frage, ob tierfreundlichere Alternativen mit Haus- und Nutztieren wie Hunden oder Pferden zu bevorzugen wären.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 07/18 ab Seite 122.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin

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