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E-Rezept

SICHERER, SCHNELLER, BESSER?

Seit Jahren bemühen wir uns, in Büro, Haushalt und Alltag weniger Papier einzusetzen. Jetzt soll auch die Verschreibung vom Arzt, das gute alte Rezept dran glauben. Was bringt die E-Version?

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Wie war das noch? Früher bedurfte es zum Teil grafologischer Tiefenforschung, um die handschriftlich verfassten Elaborate der Ärzte entziffern zu können. Das Thema Arzneimittelsicherheit fristete damals noch eine Art Stiefkinddasein. Dies ist ein Grund, Rezepte, wie in den vergangenen Jahren bei den meisten Ärzten üblich, mittels Computer und Drucker zu erstellen. Damit wurde eine große Gefahrenquelle ausgeschaltet beziehungsweise erheblich verringert.

Wie soll das werden? Nun soll auch das gedruckte Arztrezept einer Verjüngungskur unterzogen werden. Das Bundesgesundheitsministerium schreibt vor drei Monaten auf seiner Homepage: „Wenn Ihre Ärztin oder Ihr Arzt Ihnen ein Medikament verschreibt, erhalten Sie ein E-Rezept, das Sie in einer Apotheke Ihrer Wahl einlösen können. Die Arzneimittel kommen dann direkt per Botendienst zu Ihnen nach Hause. Das spart Zeit und Wege. Und macht vor allem die Behandlung mit Arzneimitteln sicherer. Natürlich können Sie das E-​Rezept auch bei „normalen“ Arztbesuchen erhalten. Und Sie können es auch in Ihrer Apotheke vor Ort einlösen.“ Das heißt, der Zettelwirtschaft, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn es nennt, soll begegnet werden, Ausnahmen sollen indes möglich sein.

Was kann das E-Rezept? Außer Papier zu sparen sollte das E-Rezept doch über erhebliche Vorteile gegenüber seinen papiernen Verwandten verfügen. Wir haben ein bisschen geforscht und folgende Kriterien ausfindig gemacht: Der Weg zur Apotheke oder im Falle einer Online-Apotheke zum Briefkasten entfällt. Der Weg des Rezeptes zur Apotheke wird nach Patientenfreigabe elektronisch getätigt. Bei Bestellung und Lieferung kann Zeit eingespart werden.

Bei den Krankenkassen lassen sich Kosten einsparen, die den Versicherten zugute kommen können. Bei den Ärzten werden Zeit und Kosten für das Ausdrucken der Rezepte gespart. Ein weiterer Aspekt ist, dass die telemedizinische Sprechstunde für zahlreiche Ärzte immer attraktiver wird. In diesem Zusammenhang wird das E-Rezept das Mittel der Wahl werden, wenn es um die Verordnung von Medikamenten geht, denn selbst bei der Online-Sprechstunde, wie diese Form der Sprechstunde auch genannt wird, verläuft aktuell der Versand der Rezepte primär noch postalisch.

Wann ist mit dem E-Rezept zu rechnen? Jens Spahn hat im November 2018 prognostiziert, dass zum Beginn des Jahres 2020 das E-Rezept Einzug in den deutschen medizinischen Alltag halten könnte. Mitte August 2019 begann mit der Einführung des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) die Frist von sieben Monaten für die Selbstverwaltung, um sämtliche Regelungen anzupassen, die bis dato für die Verordnung ausschließlich in Papierform gelten. Das bedeutet, dass ab Februar 2020 das E-Rezept seinen schrittweisen Vorstoß nehmen soll. Wie die gesamte Infrastruktur der Apotheken, Ärzte, Großhändler etc. bis zu diesem Zeitpunkt umgerüstet sein wird, ist bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Mit einer flächendeckenden Einführung des E-Rezeptes rechnet Spahn indes im Jahr 2021.

Wer und was wird dafür eigentlich gebraucht? Zunächst einmal ist die Übereinstimmung der unterschiedlichen am Prozess „E-Rezept-Einführung“ Beteiligten vonnöten. Eine Schlüsselrolle spielt in diesem Zusammenhang die Gematik. In der Gematik haben sich die Leistungserbringer, die Kassen und das Bundesgesundheitsministerium zusammengetan, um über die wichtigen Weichenstellungen bei der Digitalisierung in der Medizinwelt zu beraten. Der Gesetzgeber hat der Gematik erst kürzlich den Auftrag gegeben, bis Ende Juni 2020 die Spezifikationen, also gewissermaßen das Grundgerüst und die Spielregeln im E-Rezept-System, festzulegen.

Das heißt, im Moment stehen die genauen Definitionen für die Voraussetzungen noch aus. 2020 wird es hierzu sicherlich weitere Informationen geben. Sicherlich ist technisch eine ganze Menge Hard- und Software erforderlich, um das notwendige Netzwerk aufzubauen. Basis für das sichere Übertragen der Daten ist so etwas wie eine Datenautobahn, die sogenannte „Telematikinfrastruktur“. Zahlreiche Apotheken haben diese Struktur bereits aufbauen und sich vernetzen lassen. Allerdings gibt es noch erheblichen Handlungsbedarf, der laut Bundesregierung nach dem Digitalen Versorgungs-Gesetz (DVG) bis September 2020 gedeckt sein soll. Auch hier wird es Ende Juni 2020 nähere Informationen dazu geben, was eine Apotheke für die Einbindung in das E-Rezept-Netzwerk alles benötigt.

Weg mit dem Papierrezept? Es wird, so ist der Plan, nicht zur ausschließlichen Arbeit mit dem E-Rezept kommen. Immerhin gibt es viele Patienten, die mit der digitalen Entwicklung nicht Schritt halten können oder wollen. Beruhigend ist die Information, dass eine vollständige Abschaffung des Papierrezeptes nicht geplant zu sein scheint. Allerdings steht auch zu befürchten, dass mit der Einführung des E-Rezeptes die Scheu vor Online-Apotheken sinken und die Zahl der niedergelassenen Apotheken in Deutschland dramatisch zurückgehen wird. Die Versandapotheken könnten somit die großen Gewinner der digitalen Entwicklung werden. Die Entwicklung ist nicht aufzuhalten. Grundvoraussetzung für ein gutes Gelingen des Vorhabens ist und bleibt aber eine offene Informationspolitik. Seien wir gespannt auf moderne Zeiten – allerdings nur im Interesse sämtlicher Beteiligter.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/2020 ab Seite 96.

Wolfram Glatzel, Autor und Redakteur
Ursula Tschorn, Apothekerin

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