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Kinderkrankheiten

SELTEN, ABER GEFÄHRLICH

Das Kawasaki-Syndrom geht mit hohem, anhaltendem Fieber einher, betroffen sind in der Regel Kleinkinder. Als gefährlich gelten die Gefäßentzündungen, die auch bei überstandener Krankheit zu Langzeitfolgen führen.

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Erstmals beschrieb der Pädiater Tomisaku Kawasaki 1967 das nach ihm benannte Syndrom. Hierbei handelt es sich um eine in Japan häufig auftretende, akute und entzündliche Erkrankung der Blutgefäße im Kleinkindalter. In Europa erkranken lediglich fünf bis acht von 100 000 Kindern an Kawasaki. Da das Syndrom selten ist und möglicherweise zum Teil übersehen wird, geht man von einer höheren Dunkelziffer aus. Auch in den USA scheint es eine hohe Dunkelziffer zu geben: In einer Fallserie aus Kalifornien wurden bei fünf Prozent aller Herzinfarkt-Patienten unter 40 Jahren Aneurysmen der Koronararterien gefunden.

Unspezifische Symptome In der akuten Phase leiden Betroffene unter mindestens fünf Tage andauerndem Fieber. Die Hauptgefahr von Morbus Kawasaki liegt in der Beteiligung des Herz-Kreislauf-Systems, denn es kommt mitunter zu irreversiblen Schäden an den Koronargefäßen. Laut der Definition der American Heart Association müssen für die Diagnose wenigstens vier der fünf aufgeführten Kriterien zutreffen: eine Erdbeerzunge mit Erythem der Mund- und Rachenschleimhaut sowie der Lippen, gerötete und geschwollene Hände und Füße mit anschließender Ablösung der Haut im Bereich der Nägel, Rötungen der Bindehaut ohne Exsudat, Schwellungen der Lymphknoten am Hals, Hautausschlag.

Die Abgrenzung von anderen Kinderkrankheiten wie Masern oder Scharlach gestaltet sich aufgrund der ähnlichen Symptomatik schwierig, was zu verheerenden Folgen wie der Entwicklung von Aneurysmen führen kann. Sprechen Kinder mit hohem Fieber und Hautveränderungen nicht auf Antibiotika an, sollten Ärzte das Kawasaki-Syndrom in ihre Überlegungen rund um die Diagnostik einbeziehen.

Klarheit durch Enzyme Die Arbeitsgruppe um Susan Kim vom Boston Children's Hospital fand im Harn betroffener Kinder Marker zur sicheren Diagnostik des Syndroms. Sie führte bei Patienten Proteom-​Analysen durch, um sämtliche Proteine im Harn zu bestimmen. Zwei davon scheinen mit dem Krankheitsgeschehen in Verbindung zu stehen: Dies sind zum einen das Protein Filamin C und zum anderen das Enzym Meprin A. Forscher vom Imperial College in London untersuchten Blutproben erkrankter Kinder und stellten fest, dass sogenannte Transkripte, die in der akuten Krankheitsphase gebildet werden, für die Diagnostik des Syndroms hilfreich sind. Ein spezifischer Test würde die Erkennung und Diagnosestellung der Erkrankung im akuten Stadium erleichtern. Bislang orientieren sich Ärzte nach wie vor an den klinischen Hauptkriterien (siehe oben).

Vom Winde verweht Die Auslöser des Kawasaki-Syndroms sind nicht eindeutig identifiziert. 2014 berichteten Wissenschaftler im Fachmagazin PNAS, dass winzige, toxische Pilzteilchen über troposphärische Winde von Nordost-China nach Japan gelangen und für die Symptomatik verantwortlich seien. Besonders bei einer bestimmten Wetterlage würden in Japan viele Fälle diagnostiziert, sodass neben den infektiösen Faktoren auch meteorologische Trigger diskutiert werden. Auch eine generelle Überreaktion des Immunsystems, welche die Entzündung in den Gefäßen hervorruft, gilt als potenzielle Ursache. Darüber hinaus zeigte sich, dass Kinder von ehemaligen Kawasaki-​Syndrom-Patienten häufig erkranken, sodass ein genetischer Einfluss denkbar ist.

Symptomatische Therapie Grundsätzlich ist beim Verdacht auf das Kawasaki-Syndrom ein Krankenhausaufenthalt erforderlich, um beim Auftreten von Komplikationen unverzüglich handeln zu können. Die Zusammenarbeit eines Kinderkardiologen sowie eines Spezialisten für infektiöse Kinderkrankheiten ist dabei in der Regel erforderlich. Im Vordergrund der symptomatischen Behandlung stehen die Entzündungshemmung sowie die Vermeidung von Aneurysmen an den Herzkranzgefäßen. Kleinkinder mit Kawasaki erhalten eine Antikörper-​Therapie mit hochdosiertem intravenösem Immunglobulin (ivIg) als Einzeldosis von 2 g/kg Körpergewicht sowie bis zu vier Mal täglich eine hohe Dosis Acetylsalicylsäure (ASS) (20 bis 25 mg/kg Körpergewicht). ASS soll dafür sorgen, dass keine Blutgerinnselbildung in den Herzkrankgefäßen stattfindet. Normalerweise dürfen Kinder keine ASS erhalten, da die Einnahme die Gefahr eines Reye-Syndroms birgt. Hierbei handelt es sich um eine häufig tödlich verlaufende Erkrankung mit Beteiligung der Leber und des Gehirns. Die Verordnung des Wirkstoffs im Rahmen des Kawasaki-Syndroms stellt aber eine Ausnahme dar. Die Therapie gilt als erfolgreich, wenn das Kind innerhalb von 36 Stunden nach der Verabreichung der ivIg fieberfrei ist. Versagt die Therapie mit ivIg und ASS, ist der Einsatz von Corticoiden oder von Biologika, welche die körpereigene Immunfunktion unterdrücken, indiziert.

Weitere Betreuung Auch wenn das Kind als geheilt gilt, sollten über einen längeren Zeitraum weitere Kontrolluntersuchungen des Herzens stattfinden. Auf diese Weise können Fehlfunktionen der Herzklappen, Herzmuskelentzündungen oder lebensbedrohliche Komplikationen wie Aneurysmen rechtzeitig bemerkt werden. Sind die echokardiografischen Kontrollen ohne Befund, entscheidet der Arzt meist, die Medikation mit ASS zu beenden. Weisen die Ergebnisse jedoch auf eine Herzbeteiligung hin, sind weitere thrombozytenaggregations- oder gerinnungshemmende Maßnahmen sowie eine Herzkatheteruntersuchung notwendig.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/19 ab Seite 108.

Martina Görz, PTA, Psychologin und Fachjournalistin

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