Was sich im Darm für Bakterien tummeln, beeinflusst unser Herzinfarkt-Risiko - und das ist sogar messbar. © SasinParaksa / iStock / Getty Images Plus

Bakterielle Stoffwechselprodukte | Neue Studie

SEGENSREICHES MIKROBIOM: BAKTERIEN IM DARM SENKEN HERZINFARKTRISIKO

Er nennt es eine neue „elegante Methode“: Beeinflusst man das Mikrobiom im Darm auf eine bestimmte Weise, kann man das Herzinfarkt-Risiko signifikant senken, erklärt Professor Ulf Landmesser, ärztlicher Leiter des Charité-Centrums für Herz-, Kreislauf- und Gefäßmedizin in Berlin.

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In Berlin sind es um die 10 000, in ganz Deutschland 280 000 Menschen: So viele erleiden jährlich einen Herzinfarkt. Zu dessen bekannten Ursachen gehören Bluthochdruck, hohe Cholesterinwerte, Rauchen, Übergewicht, mangelnde Bewegung und eine familiäre Disposition.

Landmesser hat mit seinen Kolleginnen und Kollegen vom Department of Cardiovascular Medicine in Cleveland/USA sowie jenen der Charité und der Medizinischen Hochschule Hannover in zwei Studien mit insgesamt über 600 Patienten, die kürzlich einen Schlaganfall erlitten hatten, einen bisher wenig bekannten Risikofaktor untersucht: das Mikrobiom, also die Gesamtheit der Bakterien im Darm. Dabei untersuchten die Mediziner insbesondere die Konzentration eines Stoffwechselproduktes dieser Bakterien, das Trimethylaminoxid. Sie setzten es in Korrelation mit dem Risiko, einen Herzinfarkt beziehungsweise Schlaganfall zu erleiden.

„Wir haben herausgefunden, dass Patienten mit einer hohen Trimethylaminoxid-Konzentration im Blut ein doppelt bis fünffach so hohes Risiko für einen Herzinfarkt beziehungsweise Schlaganfall hatten wie Patienten mit einer niedrigen Konzentration des Metaboliten“, sagt Ulf Landmesser. Das Trimethylaminoxid regt offenbar die Zellen auf der Innenschicht der Blutgefäße (Endothelzellen) dazu an, Faktoren zu bilden, die die Blutgerinnung und Gefäß-Entzündung begünstigen. Das wiederum lockt entzündungsfördernde Blutzellen an, Monozyten, die ihrerseits in den Endothelzellen die Atherosklerose und thrombotische Ereignisse fördern.

Neu ist diese Idee nicht. Rudolf Virchow hatte sie schon vor 160 Jahren: Demnach hängen Entzündungen mit Arteriosklerose zusammen. Aber eben auch Mikrobiom und Schlaganfall beziehungsweise Herzinfarkt. Das eröffnet neue Möglichkeiten: „Herkömmliche Medikamente, die die Blutgerinnung hemmen, verringern zwar das Herzinfarktrisiko, erhöhen aber gleichzeitig das Blutungsrisiko“, erklärt Landmesser. „Das Interessante an diesem neuen Ansatz ist, dass man durch die Beeinflussung der Bakterien das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko senken könnte, ohne dass man gleichzeitig das Blutungsrisiko erhöht.“

Natürlich will man die gewonnenen Erkenntnisse in einer Studie evaluieren. Doch damit nicht genug: „Wir haben noch weitere interessante Metaboliten im Mikrobiom gefunden, die etwa den Cholesterinstoffwechsel positiv beeinflussen. Man könnte einen solchen Bakterien-Metabolit oral verabreichen, als Nahrungszusatzstoff, und so das Herzinfarktrisiko senken“, sagt der Professor, begeistert von den Möglichkeiten präventiver Ansätze.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft

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