Teufel im Feuer © James Thew / Hemera / Thinkstock
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Thema | Kopfschmerzen und Migräne

SCHMERZ LASS‘ NACH!

Jeder Kopfschmerz ist anders – selbst Migräne kann sich verschieden äußern. Wie unterscheiden sich die Leiden in ihrer Symptomatik und vor allem, wie kann man das Übel bekämpfen?

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Kopfschmerzen vom Spannungstyp ist der am häufigsten auftretende primäre Kopfschmerz. Je nach Studie leiden bis zu 78 Prozent mindestens ein Mal in ihrem Leben daran. Gleichzeitig ist dieser Kopfschmerztyp im Vergleich zur Migräne relativ schlecht untersucht. Treffen kann es im Prinzip jeden, Männer wie Frauen, junge wie alte Menschen. Treten die Kopfschmerzen an maximal zwölf Tagen im Jahr auf, spricht man vom sporadisch auftretenden episodischen Kopfschmerz vom Spannungstyp.

Die einzelnen Episoden dauern 30 Minuten bis 7 Tage. Der Schmerz ist meist beidseitig zu spüren, fühlt sich drückend und beengend an und wird als leicht bis mittelschwer beschrieben. Er verstärkt sich nicht durch körperliche Aktivität in normalem Rahmen. Entsprechend melden sich weniger Arbeitnehmer krank als bei der Migräne. Es besteht auch keine begleitende Übelkeit. Licht- und Geräuschempfindlichkeit können jedoch vorhanden sein. Steigert sich der Schmerz auf 15 Tage im Monat oder mehr, dann handelt es sich um einen chronischen Kopfschmerz vom Spannungstyp.

Bis es so weit kommt, ist der Kopfschmerz meist schon viele Jahre sporadisch und im Laufe der Zeit auch häufiger aufgetreten. Vom chronischen Spannungskopfschmerz sind ältere Menschen häufiger betroffen als junge. Die genaue Ursache und auch die pathophysiologischen Vorgänge sind nicht bekannt. Einig ist man sich allerdings darüber, dass es sich um ein multifaktorielles Geschehen handelt. Früher ging man davon aus, dass Verspannungen an der Halswirbelsäule dafür verantwortlich sind – daher auch der Name Spannungskopfschmerz.

Muskelverspannungen sind aber offensichtlich nur eine von vielen möglichen Auslösern. Auch Stress und Überforderung können eine Rolle spielen, denn dies verändert den Hirnstoffwechsel und fördert unter anderem den Abbau von Serotonin. Dadurch sinkt die Schmerzschwelle und das Gehirn reagiert empfindlicher auf Schmerzreize. Im chronischen Stadium kommen die Kopfschmerzen dann auch ohne Anlass, sie haben sich verselbstständigt.

Therapie des Spannungskopfschmerzes Zur Akuttherapie können die gleichen Analgetika wie zur Migränebehandlung verwendet werden. Auch hier gilt die Regel, dass Schmerzmittel nicht häufiger als an zehn Tagen pro Monat genommen werden dürfen. Neben ASS, Paracetamol, Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen hat sich zehnprozentiges Pfefferminzöl in einer alkoholischen Lösung bewährt.

Es wird großflächig auf Stirn und Schläfen aufgetragen. Auch Entspannungsübungen wirken sich günstig auf den Kopfschmerz aus. Triptane wirken beim Spannungskopfschmerz nicht. Ist die Erkrankung chronisch geworden, kann der Arzt trizyklische Antidepressiva, wie Amitriptylin, Doxepin, Imipramin, Nortriptylin und Desipramin verordnen. Dadurch lassen sich die Spannungskopfschmerzen lindern und die Lebensqualität des Geplagten wird verbessert. Auch beim Kopfschmerz vom Spannungstyp hat sich moderater Ausdauersport als Prophylaxe bewährt.

Wichtig ist ebenso, für einen guten Schlaf zu sorgen und Stress möglichst zu vermeiden. Zudem lohnt es sich, die Organisation des Arbeitsplatzes im Büro zu analysieren und gegebenenfalls neu zu gestalten, um Muskelverspannungen durch verkrampftes Sitzen zu vermeiden. Zum Arzt gehen Kopfschmerzpatienten mit ihren Beschwerden eher selten. Gerade wenn die Schmerzen im jugendlichen Alter neu auftreten, sollte aber unbedingt ein Experte konsultiert werden. Zu groß ist die Gefahr, dass der Spannungskopfschmerz chronisch wird und dann nur noch schwierig zu behandeln ist.

Analgetika sollten nicht häufiger als an zehn Tagen im Monat und maximal an drei Tagen hintereinander genommen werden. Anderenfalls kann sich ein analgetikabedinger Kopfschmerz entwickeln.


Clusterkopfschmerz In ihrer Stärke übertreffen diese Kopfschmerzen sogar die schlimmsten Migräneanfälle. Clusterkopfschmerzen zählen zu den stärksten Schmerzsyndromen des Menschen überhaupt. Etwa ein Viertel der Betroffenen berichtet sogar von Selbstmordabsichten während einer solchen Attacke. Zum Glück ist die Erkrankung eher selten. Höchstens ein Promille der Deutschen leidet an den wiederkehrenden Anfällen. Sie beginnen meist um das 30. Lebensjahr herum, können aber auch in jedem anderen Alter auftreten.

Männer und Frauen sind im Verhältnis 3 : 1 betroffen. Die Schmerzen sind in oder über der Augenhöhle oder in der Schläfe und zwar stets einseitig lokalisiert. Eine Attacke dauert zwischen 15 Minuten und 3 Stunden. Die Anfälle kommen in bestimmten Perioden, beispielsweise im Frühjahr und Herbst, gehäuft vor. Die Bezeichnung Cluster (englisch für Gruppe oder Häufung) bezieht sich darauf, dass die Erkrankung periodisch gehäuft auftritt, während sich dann für einige Monate oder sogar Jahre beschwerdefreie Intervalle anschließen können.

In einer aktiven Clusterperiode, die in der Regel vier bis zwölf Wochen dauert, kommt es immer wieder zu heftigen Attacken – manchmal nur jeden zweiten Tag, in schweren Fällen aber auch bis zu acht Mal am Tag. Die Schmerzen beginnen immer wieder zur gleichen Uhrzeit, vorwiegend nachts zwischen ein und drei Uhr oder am frühen Nachmittag. Viele Betroffene können quasi die Uhr danach stellen. Manchmal kündigt sich die Attacke vorher durch ein Brennen oder Kribbeln auf einer Gesichtsseite an, meistens werden die Erkrankten jedoch wie aus heiterem Himmel davon überfallen.

Gleichzeitig tritt mindestens eines der folgenden Begleitsymptome auf: Das Auge tränt auf der betroffenen Seite. Es ist stark gerötet und das Lid fällt nach unten. Auf der schmerzenden Seite ist die Nase entweder verstopft oder sie läuft. Auf Stirn und Gesicht bricht Schweiß aus, manchmal stellen sich auch Übelkeit und Schwindel ein. Nur in Einzelfällen kommt es zu Licht- und Geräuschempfindlichkeit. Während sich ein Migränepatient in einen abgedunkelten Raum zurückzieht, laufen Menschen mit Clusterkopfschmerzen unruhig im Raum umher und suchen die Bewegung. Die Pathophysiologie ist noch nicht abschließend geklärt.

Vermutlich werden die Schmerzen durch Stimulation parasympathischer und trigeminaler Kerngebiete initiiert. Die einzelnen Anfälle werden teilweise durch Dinge ausgelöst, die ansonsten problemlos vertragen werden. So weiß man, dass während einer Clusterperiode Alkohol eine Rolle spielen kann. Menschen, die unter derart heftigen Kopfschmerzen leiden, müssen auf jeden Fall einen Arzt aufsuchen. Ohne adäquate Behandlung ist diese Erkrankung fast nicht zu ertragen. Da der Clusterkopfschmerz vielen gar nicht bekannt ist, halten sie es für Migräne.

Allerdings gibt es eine Reihe von Unterscheidungskriterien, beispielsweise die Unruhe und das tränende Auge während des Anfalls, die dem Arzt rasch zur richtigen Diagnose verhelfen. Man unterscheidet auch eine episodische und eine chronische Form. Während die Perioden beim episodischen Clusterkopfschmerz stets von schmerzfreien Zeiten, die mindestens einen Monat lang dauern, unterbrochen werden, gibt es bei der chronischen Form gar keine Unterbrechung oder sie hält kürzer als einen Monat an.

MEDIKAMENTÖS INDUZIERTER KOPFSCHMERZ

Kopfschmerzen können ein eigenständiges Krankheitsbild darstellen, Symptom einer anderen Erkrankung sein, aber auch als Nebenwirkung einer Arzneimitteltherapie auftreten. Ein ganz besonderer Fall ist der Übergebrauch von Analgetika, denn hier werden die Kopfschmerzen verursachenden Medikamente ja gerade genommen, um den zuvor bestehenden Kopfschmerz zu behandeln. Arzneistoffe, die relativ häufig zu Kopfschmerzen als Nebenwirkung führen sind: Betablocker, Dipyridamol, das Antiepileptikum Felbamat, die 5-HT3-Antagonisten Ondansetron, Granisetron und Tropisedron, die zur Behandlung von Übelkeit im Rahmen einer Chemotherapie oder postoperativ eigesetzt werden, Immunglobuline, Immunsuppressiva wie Cyclosporin und Tacrolimus, Interferone, Kalziumantagonisten, Nitroglyzerin und andere Nitrate, Phosphodiesterasehemmer, wie Sildenafil, Protonenpumpenhemmer, Xanthinderivate und Zytostatika.

Therapie des Clusterkopfschmerzes Gegen die Attacken helfen keine der üblichen Schmerzmittel. Selbst Opioide kommen dagegen nicht an. Triptane sind prinzipiell wirksam, oral genommen entfalten sie ihre Wirkung aber zu spät. Sumatriptan kann entweder subkutan gespritzt oder als Nasenspray genommen werden, Zolmitriptan als Nasenspray. Unter die Haut gespritzt entfaltet Sumatriptan seine Wirkung am schnellsten. Über die Nasenschleimhaut tritt die Wirkung innerhalb von 15 Minuten ein.

Fast drei Viertel der Patienten werden durch die Triptane schmerzfrei. Der Arzt kann Betroffene auch reinen Sauerstoff inhalieren lassen. Dies hilft ebenfalls innerhalb von 15 Minuten, die Attacke zu durchbrechen und den Schmerz zu lindern oder sogar völlig zu unterbinden. Durch die Anreicherung des Blutes mit dem Sauerstoff werden vermutlich die Gefäße im Gehirn verengt. Wichtig ist dabei, die Therapie sofort nach Einsetzen der Schmerzen zu beginnen, sonst kann keine volle Wirkung mehr erreicht werden.

Es gibt spezielle Flaschen mit Sauerstoff samt Atemmaske, die für zu Hause gedacht sind sowie kleinere Geräte für unterwegs. Der Sauerstoff darf keinesfalls länger als 30 Minuten inhaliert werden, sonst sind Schädigungen an der Lunge möglich. Zur Prophylaxe werden Verapamil in einer Retardformulierung und Glukokortikoide eingesetzt. Wird Verapamil regelmäßig genommen, kann es bei zwei Dritteln der Betroffenen die Schmerzanfälle verhindern. Wenn nicht, ist Kortison eine Alternative.

Allerdings müssen dabei über lange Zeit hohe Dosen gegeben werden – mit dem Risiko der typischen Nebenwirkungen. Lithium und Topiramat sind prinzipiell besser verträglich, zählen aber nicht zu den Mitteln der ersten Wahl, da ihre Wirkung weniger zuverlässig ist. Die Entspannungsmethoden, die bei Migräne und Spannungskopfschmerz gute Erfolge erzielen, sind beim Clusterkopfschmerz wirkungslos, ebenso Akupunktur. Wichtig ist, dass Clusterpatienten akzeptieren, auf Medikamente angewiesen zu sein.

Sie müssen gut eingestellt sein und sollten auch möglichst genau über ihr Leiden informiert werden. Falls Sie in die Situation kommen sollten, einen von Clusterkopfschmerz betroffenen Kunden zu beraten, empfehlen Sie ihm auch, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen. Hier kann er Informationen aus erster Hand erhalten.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER SCHULE 2017 ab Seite 18.

„Schmerz lass‘ nach!”

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