Kind auf Koffer © Konstantin Yuganov / stock.adobe.com
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Schlafstörungen

SCHLAFQUALITÄT IST LEBENSQUALITÄT

So richtig schön müde ins Bett sinken, dann tief schlafen und am nächsten Morgen erfrischt und munter aufwachen – das wünschen sich die meisten von uns. Doch was, wenn der Schlaf einfach nicht kommen mag?

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Obwohl die alten Griechen von moderner Schlafforschung keine Ahnung hatten, waren sie erstaunlicherweise voll darüber im Bilde und konstruierten in ihrer mythischen Götterwelt die Zusammenhänge nach: Mutter Nyx (übersetzt: die Nacht) hatte zwei Söhne: Thanatos (der Tod) und seinen kleinen Bruder Hypnos (der Schlaf). Vater Schlaf wiederum sorgte dreimal für Nachkommenschaft: Sohn Morpheus, der für die Träume zuständig war; Phobetor, der die Alpträume konstruierte und Phantasos, der für eine blühende Einbildungskraft stand. Bis heute bezeichnet der Satz „in Morpheus Arme sinken“ den sanften Übergang in den Schlaf. Doch was passiert dabei eigentlich? Und warum ist dabei unser Bewusstsein ausgeschaltet?

Sinn und Zweck des Schlafes Wenn unser Gehirn eine Erholungspause braucht, sorgt es dafür, dass bestimmte Hormone unterdrückt und andere ausgeschüttet werden: Wir werden müde. Denn die Anhäufung von Nervenzellen und deren hoher Energieverbrauch in unserer Schaltzentrale bedarf innerhalb eines 24-Stunden-Tages eines circa siebenstündigen Resets: Nervennetz und Mikrostruktur trennen sich von unnützen Eindrücken und Informationen, speichern jedoch nützliche. Sie räumen den Platz für neue Informationen und entsorgen mittels des glymphatischen Systems Stoffwechselabbauprodukte.

Das glymphatische System befindet sich in den Zwischenräumen des Gehirns und funktioniert ähnlich wie das Lymphsystem. Während der Einschlaf- und Leichtschlafphase, die idealerweise zusammen nicht länger als 30 Minuten dauern, entspannt sich der Organismus. Das Herz schlägt peu à peu langsamer, die Atmung vertieft sich, die Anzahl der Atemzüge sinkt. Das EEG zeigt in dieser Phase eine zunehmende langwellige Aktivität des Gehirns. Kurioserweise hat der Mensch zu diesem Zeitpunkt eine kleine (natürliche) Amnesie. Der Hippocampus hat nämlich seine Arbeit bereits eingestellt, während die Hirnrinde noch wach ist. Versuchen Sie einmal, sich am nächsten Morgen an den Zeitpunkt des Einschlafens zu erinnern – es wird Ihnen nicht gelingen.

Die wichtigste Schlafphase Nun folgt der wichtigste Teil des Schlafes: der Tiefschlaf. Er ist für unsere körperliche und psychische Leistungsfähigkeit verantwortlich und gleichzeitig ein Indikator unserer Schlafqualität. Menschen, deren Tiefschlafphasen längere Zeit gestört sind, drücken das oft so aus: „Ich habe seit vielen Nächten kein Auge zugetan“. So fühlt es sich nämlich an, wenn der tiefe Schlaf fehlt. Diese Phase dauert anfangs ungefähr 20 Minuten. Und da sich alle Schlafphasen drei- bis viermal pro Nacht wiederholen und dabei die Tiefschlafphasen immer kürzer werden, kommt man dabei durchschnittlich auf eine Stunde – es sind die entscheidenden 60 Minuten für unsere körperliche Regeneration.

Nun kommt Morpheus ins Spiel: Im Traumschlaf, der auf den Tiefschlaf folgt, springt unser Gehirn quasi in den Wachzustand. In einem Feuerwerk neuroelektrischer Impulse erzeugt es, unbelastet von der Vernunft des Tages, Träume. Vor allem emotionale Impulse werden jetzt verarbeitet: Wir können plötzlich fliegen, sind an mehreren Orten gleichzeitig und treffen auch schon mal Menschen, die längst tot sind. All das findet nur in unserem Kopf statt, glücklicherweise ist unsere Muskelspannung im Körper gleich null (nur bei Schlafwandlern ist das anders).

Da sich während der Traumphase die Augäpfel hinter den geschlossenen Lidern schnell bewegen, nennt man sie auch die REM-Phase – von Rapid Eye Movement. Danach wachen wir ganz kurz auf, allerdings folgt die Einschlafphase auf dem Fuße und wir erinnern uns am nächsten Morgen wegen der Kurz-Amnesie meist nicht an diese Zwischenzeit.

Schlafstörungen

Insomnien (Schlafstörungen) sind ein häufiges Beratungsthema in der Apotheke. Gerade bei älteren Menschen leidet oft die Qualität des Schlafes, Tiefschlafphasen werden kürzer und das Einschlafen fällt manchmal schwer. Hinzu kommt der psychologische Effekt, dass Probleme in der Ruhe der Nacht oft größer erscheinen als sie sind. Eine einfühlsame Beratung der PTA und Einschlafhilfen aus dem pflanzlichen und dem nicht verschreibungspflichtigen OTC-Sortiment können den Betroffenen eine große Hilfe sein.

Schlaf ist lebenswichtig Die oben genannten Phasen wiederholen sich vier- bis fünfmal in der Nacht. Jede Phase dauert etwa anderthalb Stunden. Eine Schlafdauer zwischen sechs und acht Stunden gilt deshalb als gesund. Würde man verhindern, dass der Mensch schläft, kann dies schwerwiegende körperliche Schäden nach sich ziehen, bis hin zum Tod. Verständlich also, dass Menschen alles tun, um in einen erholsamen Schlaf zu finden. Einschneidende Lebensveränderungen wie Trennung oder Tod nahestehender Menschen, Schwierigkeiten in der Paarbeziehung, Arbeitslosigkeit oder Depressionen können immer wieder von Schlafstörungen flankiert werden.

Insomnie heißt der medizinische Ausdruck dafür: Eine Insomnie bezeichnet verzögertes Einschlafen, gestörtes Durchschlafen, zu frühes Erwachen sowie das Fehlen von Schlaf und liegt laut Definition vor, wenn dieser Zustand mindestens dreimal pro Woche über einen Zeitraum von einem bis drei Monaten besteht. Eine spezielle Schlafstörung ist auch das Restless-​Leg-Syndrom: die Muskeln der Beine bewegen sich periodisch und unkontrollierbar, häufig kribbeln sie und reißen die Patienten dabei aus dem Tiefschlaf.

Hilfe aus der Apotheke Neben verschreibungspflichtigen schlaffördernden Medikamenten, die ärztlicher Überwachung bedürfen, sind in der Apotheke frei verkäufliche, bewährte Mittel erhältlich, die das Einschlafen erleichtern können. Da sind zum einen die Phytopharmaka: Baldrian, Hopfen, Melisse und Passionsblume, als Tee oder Extrakt, als Tablette oder Kapsel, wirken beruhigend und helfen beim Herunterfahren, auch die Kamille wirkt durchaus. Neue Studien fanden heraus, dass das in der Heilpflanze enthaltene Apigenin sich an einen Schlafstoffrezeptor (den Benzodiazepinrezeptor) bindet.

Dazu reicht es schon, die Dämpfe eines starken Kamille-Absuds länger einzuatmen – trinken kann man ihn natürlich auch. Andere nicht verschreibungspflichtige Wirkstoffe sind die H1-Rezeptorantagonisten der ersten Generation. Zunächst als Antiallergikum konzipiert, entdeckte und schätzte man bald eine der Nebenwirkungen ihrer Bindung an den Histamin-Rezeptor: Dimetinden, Doxylamin und Diphenhydramin machen nämlich müde. Bei bestimmungsgemäßem, also nicht andauerndem Gebrauch können sie beim Einschlafen helfen und somit auch den Einstieg in den Tiefschlaf erleichtern, was wiederum zu einer höheren Schlafqualität führt. H1-Rezeptorantagonisten machen nicht abhängig. Sie sind schon lange auf dem Markt, gut untersucht und haben sich bewährt.

Rechtzeitig kümmern Dr. Ingo Fietze, Schlafmediziner an der Berliner Charité, schreibt in seinem Buch „Die übermüdete Gesellschaft“: „Sobald Sie merken, dass Ihr Schlaf gestört ist und nicht erst, wenn sich bereits eine chronische Insomnie eingestellt hat, sollten Sie die Initiative ergreifen.“ Denn schläft man „länger als fünf Jahre zu kurz, schlecht oder kurz und schlecht, dann leidet nach heutigem Kenntnisstand die Lebenserwartung und steigt die Gefahr, dass sich eine Herz-​Kreislauf-Erkrankung wie Bluthochdruck, Vorhofflimmern, Schlaganfall und Herzinfarkt entwickelt oder ein Diabetes oder Krebserkrankungen“.

Guter Schlaf ist also die Grundlage für eine gute Gesundheit. Leider haben „Schlaftabletten“ bei manchen Menschen immer noch einen schlechten Ruf, der aus der Zeit stammt, als Benzodiazepine sorglos und in großen Mengen verschrieben wurden und ein entsprechendes Abhängigkeitspotential bestand. Dem ist heute nicht mehr so. Und auch Schlafmediziner leiten heute ihre Therapien häufig mit Phythopharmaka und den nicht verschreibungspflichtigen H1-Antihistaminika ein.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/18 ab Seite 100.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

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