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Repetitorium

ERKRANKUNGEN DER HARNWEGE – TEIL 1

Häufiger Harndrang sowie Brennen beim Wasserlassen sind meist charakteristische Zeichen einer Harnwegsinfektion. Überwiegend ist es ein weibliches Problem. Dieses soll im ersten Teil des Repetitoriums näher betrachtet werden.

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Harnwegsinfektionen gehören zu den häufigsten Infektionskrankheiten in der westlichen Welt. Bis zu 70 Prozent aller Frauen erkranken mindestens einmal im Leben daran. Bei der Hälfte der Betroffenen kommt es schon nach kurzer Zeit zu einem weiteren Infekt und bei etwa jeder Dritten sogar mehrmals im Jahr.

Rückfall oder Neuinfektion Definitionsgemäß spricht man von einem Rezidiv, wenn drei oder mehr Infektionen in den letzten zwölf Monaten oder mehr als zwei pro Halbjahr auftreten. Man unterscheidet zwischen einem Rückfall und einer Neuinfektion: Kehren die Beschwerden trotz Therapie und anfänglicher Besserung innerhalb von zwei Wochen wieder, geht man von einem Rückfall oder Therapieversagen aus.

Mögliche Ursachen können mangelnde Compliance (z. B. zu kurz durchgeführte Antibiose), bisher nicht erkannte Risikofaktoren (z. B. Anomalie der Harnwege mit Harnabflussstörungen), resistente Erreger oder Problemkeime sein. Kommt es erst zwei Wochen nach der Erstbehandlung zu einem Rezidiv, handelt es sich meist um eine Neuinfektion. Vorliegende Erreger können mit dem des Erstinfekts identisch sein, müssen aber nicht.

Meist bakteriell Verursacher sind größtenteils gramnegative Bakterien aus dem eigenen Darmtrakt, die durch Schmierinfektion in die Harnwege gelangen. Der häufigste Keim einer unkomplizierten Blasenentzündung ist mit fast 80 Prozent das Darmbakterium Escherichia coli (E. coli), das mithilfe fadenförmiger Anhängsel (P-Fimbrien) an die Zellen der Blasenwand andockt und eine Entzündung der Blasenschleimhaut (Urothel) auslöst. Das Urothel schwillt an und ist damit so leicht reizbar, dass selbst geringe Füllmengen an Urin ausreichen, um einen häufigen und starken Harndrang auszulösen.

Daneben gehören andere Enterobakterien wie Proteus mirabilis oder Klebsiella spp. sowie Staphylococcus saprophyticus zum typischen Erregerspektrum. Enterokokken oder Pseudomonas stellen Problemkeime dar, die bei komplizierten Harnwegsinfektionen oder bei Krankenhausinfektionen eine Rolle spielen. Zu den seltenen Erregern zählen auch das Bakterium Neisseria gonorroehae sowie Chlamydien, die eine isolierte Entzündung der Harnröhre (Urethritis) bedingen. Ebenso lösen Viren, Parasiten oder Pilze vereinzelt Harnwegsinfektionen aus.

Vorwiegend weiblich Meist sind Frauen betroffen. Die Ursache dafür liegt in der weiblichen Anatomie. Die Harnröhre ist beim weiblichen Geschlecht deutlich kürzer als beim Mann (vier Zentimeter gegenüber 20 bis 25 Zentimetern), sodass es Keime leichter haben, bis in die Blase aufzusteigen. Zudem befindet sich die Harnröhre bei Frauen in enger anatomischer Nähe zum Darmausgang, was das Eindringen der Erreger erleichtert.

Prinzipiell sind alle Altersklassen betroffen, wobei mit Beginn der sexuellen Aktivität sowie im höheren Lebensalter eine Zunahme der Erkrankungshäufigkeit zu verzeichnen ist. Typischerweise geht häufiger und intensiver Geschlechtsverkehr vermehrt mit Harnweginfekten einher, da er die Schleimhäute reizen kann („Honeymoon-Zystitis“). Zudem sind Phasen der hormonellen Umstellung häufig mit Blasenentzündungen verbunden.

In der Schwangerschaft weitet sich die kurze weibliche Harnröhre, sodass die Erreger noch leichter in die Blase gelangen. Ebenso sind die Wechseljahre eine sensible Zeit, da durch die sinkenden Estrogenspiegel die weiblichen Schleimhäute dünner und empfindlicher und damit aufnahmefähiger für Keime werden. Nach der Menopause liegt der pH-Wert des Vaginalsekrets im alkalischen Bereich, was den Erregern verbesserte Lebensbedingungen beschert und damit Harnwegsinfektionen begünstigt.

Infektionsbegünstigendes Verhalten Prinzipiell kann eine zu geringe Flüssigkeitsaufnahme den Weg für Harnwegsinfektionen bahnen. Die Bakterien können sich dann in der Harnröhre leichter festsetzen als bei Personen, die ausreichend viel trinken und durch entsprechendes häufigeres Wasserlassen krankmachende Keime ausspülen.

Zudem schwächt psychischer Stress oder körperliche Belastung das Immunsystem und erhöht damit das Erkrankungsrisiko. Unterkühlung legt ebenso die Abwehr lahm, da sich bei Kälte die Blutgefäße verengen. Auf diese Weise verschlechtert sich die lokale Durchblutung der Blasenhaut, wodurch weniger Immunzellen in den Harnwegen patrouillieren und potenzielle Erreger liquidieren. Daher sind Blasenentzündungen nach längerem Tragen von nasser Badekleidung oder durch Sitzen auf kalten Steinen keine Seltenheit.

Aber auch durch falsche Wischtechniken nach dem Stuhlgang gelangen die Keime aus der kontaminierten Analregion in die Harnröhre. Die Verwendung von Spermiziden zur Verhütung, Scheidenspülungen oder alkalische Seifen und Intimsprays zur Hygiene erhöhen das Risiko zudem, da sich der schützende physiologische saure pH-Wert der Scheide ins Alkalische verschiebt.

Zystitis oder Pyelonephritis Bleibt die Entzündung auf die unteren Harnwege, also auf die Harnblase, beschränkt, handelt es sich um eine Blasenentzündung. Typischerweise ist das Wasserlassen bei einer Zystitis, wie eine Blasenentzündung mit medizinischem Fachbegriff bezeichnet wird, sehr schmerzhaft (Algurie). Zudem können Unterleibskrämpfe hinzukommen. Fieber tritt im Allgemeinen nicht auf.

Meist fällt die Blasenentleerung schwer (Dysurie) und es lassen sich nur kleine Mengen an Urin abgeben, dafür aber sehr häufig (Pollakisurie). Der Urin kann einen eigentümlichen Geruch aufweisen sowie trüb oder dunkel verfärbt sein, ist aber nicht rot. Eine rote Farbe des Urins ist auf Blutbeimengungen zurückzuführen (Hämaturie), was Anzeichen für eine Nierenbeteiligung und damit für eine Pyelonephritis, also eine Entzündung der Nierenbeckenstrukturen, sein kann.

Dabei steigt die Infektion über die Harnleiter (Ureter) zu den oberen Harnwegen auf und erreicht das Nierengewebe. Weitere Alarmzeichen sind ein dumpfer Rückenschmerz oder Klopfschmerzen in Höhe der Nieren (Flankenschmerz, oft einseitig), die mit einem beeinträchtigten Allgemeinbefinden einhergehen. Zudem klettert die Körpertemperatur in der Regel auf über 38 Grad Celsius.

Wenn es kompliziert wird Liegen keine anatomischen Veränderungen, funktionelle Anomalien sowie keine relevanten Nierenfunktionsstörungen oder Begleiterkrankungen vor, spricht man bei einer Zystitis definitionsgemäß von einer unkomplizierten Harnwegsinfektion. Hintergrund dafür ist, dass man davon ausgeht, dass die Infektion in der Regel nicht schwer verläuft und daher die Gefahr für Komplikationen gering ist.

Zudem ist sie erfahrungsgemäß mit einer hohen Spontanheilungsrate verbunden (30 bis 50 Prozent nach einer Woche). Eine Pyelonephritis kann hingegen kompliziert werden, da unbehandelt die Gefahr einer Nierenschädigung besteht, die ein Nierenversagen zur Folge haben kann. In schweren Fällen breiten sich die Bakterien über das Blutsystem im ganzen Körper aus und bedingen eine lebensbedrohliche Blutvergiftung (Urosepsis).

Ebenso gelten Blasenentzündungen bei Patienten mit besonderen Risikofaktoren für einen schweren Verlauf oder Folgeschäden als kompliziert. Dazu gehören beispielsweise Männer, Schwangere, Kinder sowie geriatrische, immunsupprimierte oder Diabetes-Patienten mit instabiler Stoffwechsellage.

Grenzen der Selbstmedikation Diese speziellen Personengruppen gehören ebenso wie Patienten mit einer Pyelonephritis immer zum Arzt. Bei ihnen wird häufiger als bei anderen eine Antibiotikatherapie erforderlich, da sie anfälliger für Verläufe sind, die sich ausweiten, chronifizieren oder gravierende Folgeerkrankungen nach sich ziehen können. Beispielsweise neigen Schwangere zu einer Pyelonephritis, die eine Fehl- oder Frühgeburt auslösen kann.

Bei Kindern sind häufig Anomalien der Harnwege wie ein vesikoureteraler Reflux Auslöser, bei dem Harn aus der Blase über die Harnleiter bis in das Nierenbecken zurückfließt. Diese Komplikation wird zumeist im Kindesalter manifest und muss ärztlich diagnostiziert und behandelt werden. Harnwegsinfektionen sind bei Männern zwar selten, werden aber grundsätzlich als kompliziert eingestuft, da ursächlich eine Prostata erkrankung (z. B. Prostatitis, Prostatahyperplasie, Tumor) vorliegen kann, die ausgeschlossen oder einer entsprechenden Therapie zugeführt werden muss.

Prädestiniert für komplizierte Verläufe sind zudem Patienten mit einer Niereninsuffizienz sowie anderen urologischen Erkrankungen (z. B. Harnsteinleiden (Urolithiasis) oder funktionellen Störungen (z. B. neurogene Blasenentleerungsstörung mit Restharnbildung). Patienten mit einem Blasenkatheter zählen ebenfalls zu den Risikogruppen. Hier spielen Problemkeime wie Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE), Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA) und Bakterien mit Enzymen zur erweiterten Spaltung von beta-Lactam-Antibiotika, den extended-spectrum beta-lactamases (ESBL), eine besondere Rolle.

Aber auch unkomplizierte Blasenentzündungen können ein Fall für den Arzt werden. Bessern sich die Beschwerden trotz verschiedener Maßnahmen der Selbstmedikation nicht oder dauern sie länger als fünf Tage an, hilft oft nur noch die Verordnung von Antibiotika. Ebenso gehören häufige Rezidive in ärztliche Hand. Auch wenn die meisten Rezidive unkompliziert verlaufen, sollten sich Betroffene untersuchen lassen, um bisher nicht erkannte Risikofaktoren (z. B. Anomalie der Harnwege mit Harnabflussstörungen) zu erkennen.

Keimnachweis Typische Beschwerden lassen eine Harnwegsinfektion zwar vermuten. Zur eindeutigen Bestätigung der Eigendiagnose und zur Abgrenzung von anderen urogenitalen Erkrankungen muss der Urin aber auf Bakterien geprüft werden. Für die Gewinnung der Urinprobe wird der Mittelstrahlurin verwendet. Er gilt als keimfrei. Dafür wird der erste und letzte Harnstrahl verworfen, da diese das Untersuchungsergebnis durch Erreger, die sich am äußeren Rand der Harnröhre befinden, verfälschen können.

Außerdem sollten Frauen bei der Urinabgabe zur Vermeidung möglicher Kontaminationen die äußeren Schamlippen mit den Fingern spreizen und Männer ihre Vorhaut zurückschieben. Der Harn wird in einem sauberen Auffanggefäß gesammelt und mithilfe eines Urinteststreifens überprüft. Dabei wird insbesondere Nitrit, ein Abbauprodukt vieler pathogener Bakterien, nachgewiesen. Zudem kann auf Leukozyten getestet werden. Sie gelangen normalerweise nicht durch die Glomeruli der Nieren in den Harn und stellen ein Leitsymptom für Entzündungen dar, durch die der Nierenfilter „geweitet“ wird.

Ebenso gibt eine Messung des pH-Wertes Hinweise auf Entzündungen, er ist dann ins Alkalische verschoben. Der Nachweis von Erythrozyten stammt aus den Blutbeimengungen im Urin. Bei häufig wiederkehrenden oder komplizierten Infekten sowie bei bestimmten Patientengruppen (z. B. Männer, Schwangere) wird zusätzlich zur Identifizierung des Erregers eine Urinkultur angeregt, um eine erregerspezifische Antibiotikatherapie einzuleiten.

Bakteriurie, Harninkontinenz, Reizblase In einigen Fällen können im Urin Bakterien nachgewiesen werden (Bakteriurie), ohne dass sich Symptome zeigen. Dann liegt eine asymptomatische Bakteriurie vor, die als eine Harntraktbesiedlung ohne Symptome definiert ist. In diesem Fall ist meistens weder eine weitere Diagnostik noch eine antibiotische Therapie nötig, da nur ein sehr geringer Prozentsatz der Betroffenen daraus einen symptomatischen Harnwegsinfekt entwickelt.

Eine Ausnahme stellen beispielsweise Schwangere dar, bei denen immer eine Antibiose notwendig ist, um die Gefahr für Geburtskomplikationen zu minimieren. Ebenso gelten Betroffene vor urologischen Operationen als behandlungsbedürftig. Es ist auch möglich, dass die Bakteriendiagnostik negativ ist und Frauen dennoch Beschwerden verspüren, die den Harntrakt betreffen. Dann ist nicht eine Blasenentzündung der Auslöser, vielmehr können andere urogenitale Erkrankungen dafür verantwortlich sein.

Bei intensivem Harndrang mit nur geringen Urinmengen ist beispielsweise an eine Blasenschwäche (Harninkontinenz) zu denken. Im Gegensatz zu einer Zystitis kommt es weder zu den typischen Schmerzen beim Wasserlassen, noch lassen sich im Urin Bakterien oder andere Zeichen einer Infektion feststellen. Hingegen ist bei einer Harninkontinenz unfreiwilliger Urinabgang typisch.

Ebenso lassen sich bei einer Reizblase (Dranginkontinenz (Zystalgie)) keine Keime nachweisen, dafür ist unkontrollierter Harnverlust verbunden mit starkem Harndrang und Schwierigkeiten bei der Blasenentleerung möglich. Eine Reizblase stellt sich häufig nach wiederkehrenden Harnwegsinfektionen ein. Ursache ist eine Hyperaktivität der Blasenmuskulatur als Folge einer chronischen Schleimhautreizung.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 04/2022 ab Seite 94.

Gode Chlond, Apothekerin

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