Portrait Paul Klee © Alexander Eliasberg
© Paul Klee, photographed in 1911 by Alexander Eliasberg. Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons

Krankheiten berühmter Persönlichkeiten

RATLOSE MEDIZINER

Der Maler Paul Klee litt wohl an „Sklerodermie“, einer autoimmunen Bindegewebskrankheit. Seine Ärzte hielten sich zwar mit einer exakten Diagnosestellung zurück, nicht aber mit ihren therapeutischen Aktivitäten.

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Der deutsche Maler und Grafiker Paul Klee hinterließ ein vielseitiges Werk – das dem Expressionismus, Kontruktivismus, Kubismus, Primitivismus sowie dem Surrealismus zugeordnet wird. Geboren am 18. Dezember 1879 in Münchenbuchsee bei Bern, war er dennoch deutscher Staatsbürger, da sein Vater Hans Wilhelm Klee , Musiklehrer am Kantonalen Lehrerseminar in Bern, aus Unterfranken stammte. Seine Schweizer Mutter Ida Marie Klee, geborene Frick (1855 bis 1921), war am Konservatorium in Stuttgart zur Sängerin ausgebildet worden.

Dieser Hintergrund erklärt Paul Klees ausgesprochen musische Begabung, er liebte die Musik – war selbst ein hervorragender Geiger und heiratete 1906 die Pianistin Lily Stumpf. Nach dem Maturitätsexamen am Literaturgymnasium in Bern 1998 studierte er zunächst Grafik an einer Privatschule, ab Oktober 1900 an der Münchner Kunstakademie, war vorwiegend in der Klasse von Franz von Stuck (1863 bis 1928), in der auch der russische Maler Wassily Kandinsky (1866 bis 1944) studierte.

Eine längere Italienreise prägte sein künstlerisches Ausdrucksvermögen, seinen Lebensunterhalt verdiente er jedoch bis 1906 als Geiger bei der Bernischen Musikgesellschaft. Selbst als ab September 1906 München sein Hauptsitz wurde, blieb er künstlerisch zunächst isoliert und wenig geachtet. Für den Lebensunterhalt kam primär seine Frau auf.

VORSCHAU
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Erst mit dem Zeigen grafischer Arbeiten bei der 1912 erfolgten zweiten Ausstellung der „Blauen Reiter“, einer von seinem Freund Wassily Kandinsky und Franz Marc (1880 bis 1916) gegründeten Künstlergruppe, wuchs sein Bekanntheitsgrad. Eine 1914 unternommene Tunesienreise zusammen mit August Macke (1887 bis 1914) und Louis Moilliet (1880 bis 1962) verschaffte ihm den Durchbruch mit abstrakter Aquarellmalerei. Im ersten Weltkrieg wurde er im März 1916 eingezogen, der direkte Fronteinsatz blieb ihm jedoch erspart. Er konnte sogar außerhalb der Kaserne weitermalen und erzielte 1918 den künstlerischen und kommerziellen Durchbruch in Deutschland.

Erfolgreiche Jahre Im Oktober 1920 wurde Klee an das Staatliche Bauhaus in Weimar berufen. Über ein Jahrzehnt verbrachte er dort, zunächst in Weimar, nach dessen Umzug ab 1926 in Dessau, konnte seine pädagogischen Ambitionen ausleben, war selbst sehr produktiv. Ausstellungen in den USA 1924 und 1930 waren ein voller Erfolg. Ab 1928 häuften sich allerdings die Querelen am Bauhaus, der politische Druck durch den aufkommenden Nationalsozialismus, Streit zwischen „angewandten“ und „freien“ Künstlern wie Klee einer war, nahmen zu.

Im Jahr 1931 folgte er deshalb einem Ruf auf eine Professur an die Düsseldorfer Kunstakademie. Ende April 1933, also kurz nach der Machtergreifung, wurde Paul Klee von den Nationalsozialisten als „entarteter Künstler“ diffamiert und als Professor an der Kunstakademie Düsseldorf entlassen. Er kehrte mit seiner Frau Lily in seine Heimatstadt Bern zurück. Hier wurde seine Kunst nicht verstanden; der zuvor in Deutschland angesehene Maler geriet in eine Isolation.

Fünf Jahre Krankheit Hinzu kam ab Sommer 1935 Paul Klees Krankengeschichte, ein Leidensweg. Er erkrankte schwer an einer damals rätselhaften Krankheit mit Hautveränderungen und einem späteren Befall innerer Organe, starb am 29. Juni 1940 an deren Folgen. Zuvor scheint er allerdings – so seine Tagebuchaufzeichnungen von 1898 bis 1918 – trotz ausgeprägtem Tabak- und Alkoholkonsums über eine robuste Gesundheit ohne ernsthafte Erkrankungen verfügt zu haben.

Klees Krankengeschichte selbst ist, da sämtliche medizinische Aufzeichnungen, Krankenakten nach seinem Tod bei einem Feuer zerstört wurden, primär aus den zahlreichen Aufzeichnungen und Briefen seiner Frau an Freunde ersichtlich. Aufgrund Abgeschlagenheit, Müdigkeit und einer tief sitzenden Bronchialinfektion bekam Klee im August 1935 vom Berner Internisten Dr. Gerhard Schorer völlige körperliche Ruhe sowie das damals moderne Medikament Theominal, eine Mischung aus Theobromin und Phenobarbital, verordnet.

Dieses Mittel wurde damals zur Behandlung von Herz-Kreislauf- Erkrankungen eingesetzt, was bei näherer Betrachtung der Wirkstoffe aber wenig sinnvoll erscheint. Schließlich wirkt Theobromin als Koffein-Verwandter Kreislaufanregend, das Barbiturat hingegen als

Schlaf- und Betäubungsmittel stark sedierend. Da sich Klees Zustand verschlimmerte (doppelseitige Lungenentzündung mit begleitender „Herzerweiterung“), wurden weitere Ärzte hinzugezogen, aufgrund eines starken, plötzlich hinzugekommenen Hautausschlags „Masern“ diagnostiziert. Klees Frau Lily schrieb allerdings im Oktober 1936 irritiert: „Die Ärzte behaupten neuerdings, dass es die Masern nicht gewesen wären!! Aber was war es dann?“

»Klee entwickelte das typische „Maskengesicht“ der Sklerodermie, verlor seine Mimik, litt an Ess- und Schluckstörungen.«

Im Januar 1937 litt Paul Klee an einer Grippe, hatte eine Magenblutung aufgrund eines Magengeschwürs. „Endokrine Störung“, auch „vasomotorisch-trophische Neurose“ waren Diagnosen, welche die Klees im Laufe der Jahre von den Ärzten zu hören bekamen. Wahrscheinlich erkannten die behandelnden Ärzte, darunter auch der Universitätshautklinik Bern, erst nach und nach, dass es sich bei Klee nicht um eine unglückliche Kette einzelner losgelöster Erkrankungen handelte, sondern eine Systemerkrankung vorlag.

Die Diagnose „Sklerodermie“, eine Autoimmunerkrankung des Hautbindegewebes, die oft auf andere Organe wie Herz, Lunge, Verdauungstrakt übergreift und dann tödlich verläuft, wurde erst posthum, jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gestellt. Paul Klee litt wohl an ihrer gravierendsten Form. Er entwickelte das typische „Maskengesicht“ der Sklerodermie, verlor seine Mimik, litt an Essund Schluckstörungen, konnte selbst mit Mühe nur noch flüssige, breiige Nahrung zu sich nehmen, hatte starke Beeinträchtigungen der Nerven und Blutgefäße auch an den Händen (Raynaudsches Syndrom), mit denen er ja malen wollte.

In den letzten acht Wochen beherrschte das Symptom der Herzinsuffizienz das klinische Bild. Laut Totenschein starb Paul Klee an einer Myokarditis. Die zahlreichen Behandlungsversuche der Ärzte – außer Kuren in den Bergen, die tatsächlich dem Erkrankten gut taten – waren dies unter anderem „unspezifische Reizmittel“, um das Immunsystem zu stimulieren, hochdosiertes Vitamin C, tierischer Leberextrakt oder auch Eisen-Arsen-Präparate waren Versuche ohne Wirkung. Bestenfalls haben diese ihm nicht noch zusätzlich geschadet.

In höchst beeindruckender Art schuf Paul Klee in den fünf Krankheitsjahren bis zu seinem Tod 1940 dennoch ein umfangreiches Spätwerk, das sich vom früheren Schaffen deutlich unterschied. Krankheit und Todesnähe wirkten sich auf die Produktivität, Kreativität, Thematik und den Stil von Paul Klee aus. Klees Bilder und Zeichnungen der letzten Jahre sind bestürzender Ausdruck eines unheilbar Erkrankten.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/15 ab Seite 50.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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