Wirkstoffe – historisch beleuchtet
P – WIE PENICILLIN
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Eine verschimmelte, also verunreinigte Bakterienkultur brachte den schottischen Arzt Dr. Alexander Fleming bei Forschungsarbeiten im St. Mary’s Hospital in London auf die richtige Spur. Die mit Staphylokokken beimpfte Agarplatte war mit einem blaugrünen Schimmel (Penicillium notatum) übersäht. Bei genauem Hinsehen entdeckte Fleming, dass die Bakterienkolonien stark in ihrem Wachstum gehemmt waren. Er wiederholte den Versuch sowohl mit Staphylokokken als auch mit anderen pathogenen Bakterien und stellte fest, dass der Pilz viele Erreger im Wachstum hemmt, dagegen Leukozyten, also weiße Blutkörperchen, nicht angreift.
Insbesondere auf gram-positive, eitererregende Bakterien wie Staphylo-, Strepto- und Pneumokokken hatte die vom Pinselschimmel produzierte Substanz eine gute Lysewirkung. Fleming selbst bezeichnete den Pilzextrakt zunächst als „mould juice” (Schimmelsaft), am 7. März 1929 dann erstmals als Penicillin. Allerdings konnte er weder das Problem der Instabilität des Pilzextraktes noch die Isolation des Wirkstoffes zur Gänze lösen. Im Juni 1929 veröffentlichte Fleming seine Entdeckungen im „British Journal of Experimental Pathology”, weitere Publikationen folgten.
PENICILLIN SCHON IM MITTELALTER?
Die Medizin des Mittelalters war fortschrittlicher als vermutet. Professor Gundolf Keil vom Medizinhistorischen Institut der Universität Würzburg konnte nachweisen, dass die als „Quacksalber” vielfach verschrienen mittelalterlichen Ärzte schon Penicillin anwendeten, um Wundinfektionen zu bekämpfen. Auf speziellen Nährböden, die unter anderem Honig und Schafskot enthielten, wurden Schimmelpilze gezüchtet. Diese produzierten Penicillin, wurden abgeschabt und in die Wunde eingebracht. Die Substanz selbst kannten die mittelalterlichen Ärzte allerdings noch nicht.
Gezielte Forschung und Zufall 1938 stießen zwei Wissenschaftler, der Biochemiker Ernst Boris Chain (1906 bis 1979) und der Pathologe Lord Howard Walter Florey (1898 bis 1968), auf Flemings Veröffentlichungen. Sie verfügten über die nötigen finanziellen Mittel und ein großes Forschungsinstitut, um die Arbeiten am Schimmelpilz gezielt voranzutreiben. Das Problem der Instabilität des Pilzextraktes wurde gelöst, 1940 das erste reine Penicillin gewonnen. Im Gegensatz zu früher wurde die Substanz nun auch innerlich angewandt.
Doch die Herstellung war noch mühsam. Dies änderte sich erst, als wieder nur per Zufall auf einer verschimmelten Melone der Pilz Penicillium chrysogenum entdeckt wurde, der wesentlich leichter in einfachem Wasser-Mais-Nährboden kultivierbar war und dabei wesentlich mehr Penicillin produzierte.
Einsatz im zweiten Weltkrieg Penicillin wurde während des zweiten Weltkrieges insbesondere bei den Alliierten schnell zum „Wundermittel” bei stark infizierten Wunden. Im Jahre 1945 erhielten Fleming, Chain und Florey den Nobelpreis für Physiologie und Medizin „für die Entdeckung des Penicillins und seiner heilenden Wirkung bei verschiedenen Infektionskrankheiten”. 1946 bekam auch noch die Chemikerin und Röntgenkristallografin Dorothy Hodgin den Nobelpreis für die erfolgreiche Raumstrukturaufklärung des Penicillins.
Heute wird Penicillin auch halbsynthetisch hergestellt. Der völlig sorglose Umgang mit der „Wunderwaffe” bei vielen Infektionskrankheiten ,wie Meningitis, Tuberkulose, Pocken, Lungenentzündung, ist infolge starker Anpassungsfähigkeit der Bakterien und daraus resultierender Penicillinresistenz vieler Stämme jedoch mittlerweile passé.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/12 auf Seite 28.
Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin