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Steckbrief

OPIOIDE

Häufig können starke chronische Schmerzen nur noch mit Opioid-Analgetika ausreichend therapiert werden. Was bei welchen Wirkstoffen zu beachten ist, zeigen nach der Einführung in diesem Heft die folgenden Steckbriefe.

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In Deutschland leiden etwa acht bis 16 Millionen Menschen unter chronischen Schmerzen. Diejenigen, die täglich mit Schmerzen ihren Alltag bewältigen müssen, berichten, dass ihr Befinden direkte negative Auswirkungen auf ihr privates und berufliches Leben hat. Eigentlich ist der Schmerz ein Alarmsignal des Körpers. Allgemein unterschieden werden der physiologische Nozizeptorschmerz, zum Beispiel nach Sport- oder Schnittverletzungen, der entzündliche Schmerz, wenn eine Gewebeschädigung vorliegt, beispielsweise nach einer Prellung oder bei einer entzündlichen Gelenkserkrankung, und der neuropathische Schmerz.

Er entsteht, wenn Nerven geschädigt oder beeinträchtigt sind, wie beim Bandscheibenvorfall. Von einem chronischen Schmerzgeschehen wird gesprochen, wenn die Beschwerden über mehr als drei Monate anhaltend oder ständig wiederkehrend sind und sich stetig steigern. Die unterschiedlichen Schmerzarten erfordern auch unterschiedliche Formen der Schmerztherapie. Bei starken und sehr starken Schmerzen sowie operativen Eingriffen sind Opioid-Analgetika Mittel der Wahl.

Sie sind eine medikamentöse Therapieoption in der kurz- (4 bis 12 Wochen), mittel- (13 bis 25 Wochen) und langfristigen Therapie (≥ 26 Wochen) von chronischen Arthrose- und Rückenschmerzen sowie chronischen Schmerzen bei diabetischer Polyneuropathie und Postzosterneuralgie. Kontraindikationen sind primäre Kopfschmerzarten sowie funktionelle und psychische Störungen mit dem dominanten Symptom Schmerz.

Kein leichtfertiger Einsatz Opioid-Analgetika sollen immer nur dann eingesetzt werden, wenn nicht-medikamentöse Maßnahmen und andere Schmerzmittel nicht ausreichend wirksam waren oder wegen ihrer Nebenwirkungen oder Kontraindikationen ausgeschlossen sind. Die Behandlung von chronischen Schmerzen sollte medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapiestrategien umfassen, wobei Opioid-Analgetika ein Baustein sind. Im Sinne einer partizipativen Entscheidungsfindung sollten die individuellen Therapieziele und die Maßnahmen zusammen von Behandler und Patient festgelegt werden – so fordert es die Leitlinie.

Das WHO-Stufenschema Es gibt Orientierung für den Einsatz von Opioid-Analgetika zur Tumorschmerztherapie. Nach Intensität, Lokalisation und Art der Schmerzen werden drei Stufen unterschieden. Zunächst wird eine Initialtherapie eingeleitet, um möglichst schnell Schmerzlinderung zu erreichen. Die Stufe 1 umfasst nicht-opioide Analgetika, wie NSAR, Paracetamol und Metamizol. Mittelstarke Opioid-Analgetika wie Tilidin und Tramadol zählen zur Stufe zwei und die starken Opioid-Analgetika, wie zum Beispiel Morphin, Fentanyl oder Buprenorphin werden in Stufe drei empfohlen. Sie wirken analgetisch, dämpfend, atemdepressiv, aber nicht antiinflammatorisch wie NSAR.

Komedikation und Darreichungsform Opioide binden als Agonisten oder Partialagonisten mit unterschiedlicher Affinität an die körpereigenen Opioidrezeptoren und hemmen so die Schmerzweiterleitung im zentralen Nervensystem, also im Rückenmark und im Gehirn. Opioidrezeptoren gibt es außerdem auch in der Peripherie, hier können die Substanzen Nebenwirkungen, zum Beispiel Obstipation hervorrufen. Opioide werden bei mittelstarken bis starken Schmerzen häufig mit Koanalgetika wie Nicht-Opioid-Analgetika, Antidepressiva und Antikonvulsiva kombiniert.

Insbesondere bei neuropathischen Schmerzen sind letztere angezeigt. Weitere Begleitmedikamente sind auch Laxanzien, Antiemetika und Glucocorticoide, um die Nebenwirkungen zu lindern. Als Darreichungsformen stehen transdermale Systeme (TTS) und Sublingualtabletten zur Verfügung. Opioidpflaster stellen eine gleichmäßige Resorption über die Haut ins Blut sicher. Sie eignen sich besonders, wenn Patienten Schluckprobleme oder intestinale Resorptionsstörungen haben.

Bei Abgabe von TTS sind Apotheker und PTA gefordert, wichtige Anwendungshinweise zu geben, insbesondere wenn es zum Wechsel der Dosierungen oder des Herstellers kommt. Wenn der Patient während einer andauernden Schmerztherapie nicht mehr auf das Opioid anspricht, kann er von einem Wechsel des Wirkstoffs profitieren. So können Wirksamkeit und Verträglichkeit verbessert werden. Zu beachten ist, das neue Opioid auch wieder von einer 25 bis 50 Prozent niedrigeren Dosis aus aufzutitrieren und nicht sofort mit einer Äquivalenzdosis zu starten.

Vier Grundprinzipien Für die tägliche Praxis empfiehlt die WHO für die Schmerztherapie bei Tumorpatienten:

  • „by mouth“: Die orale Gabe ist, wenn möglich, zu bevorzugen vor der sonst sinnvollen transdermalen Anwendung. Wenn gespritzt werden muss, eignet sich die subkutane Applikation besser als die intramuskuläre, weil sie schmerzärmer ist.
  • „by the clock“: Die Schmerzmittelgabe sollte in festen Zeitintervallen erfolgen. Die Dosis kann so lange gesteigert werden, bis eine ausreichende Schmerzlinderung erreicht ist. Eine Notfalldosis bei Durchbruchschmerzen ist eine zusätzliche Maßnahme.
  • „for the individual“: Die Arzneistoffauswahl und -dosierung richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen, Vorerkrankungen, Risiken und Komorbiditäten des Patienten.
  • „with attention to detail“: Ärzte sollten den Patienten oder Angehörigen einen bundeseinheitlichen Medikationsplan mitgeben, auf dem die Dosierungen und Intervalle verständlich dargestellt sind. Eine gründliche Beratung über Risiken und Nebenwirkungen gehört ebenfalls dazu.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 06/2021 ab Seite 126.

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