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Siccasyndrom

ÖDLAND

Reiben, Jucken, Kratzen und Brennen, ein Gefühl, als hätte man Sand in den Augen und rote Bindehaut – so macht sich das Trockene Auge bemerkbar.

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Das Siccasyndrom ist eine Benetzungsstörung. Dazu kann es durch zwei Mechanismen kommen: Entweder wird zu wenig Tränenflüssigkeit gebildet oder diese verdunstet zu schnell, weil nicht genügend ölige Anteile gebildet werden. Der Tränenfilm besteht nämlich aus drei Schichten: einer unteren Schleimschicht, die dafür sorgt, dass die Flüssigkeit nicht von der Hornhaut abperlt, sondern haften bleibt, einer dickeren wässrigen Schicht und einer nach außen abschließenden Lipidschicht.

Nach neueren Erkenntnissen liegt in sehr vielen Fällen eine Funktionsstörung der Talgdrüsen an den Lidkanten des Auges (Meibom-Drüsen) vor. Diese geben ihr fetthaltiges Sekret an die Tränenflüssigkeit ab. Arbeiten sie nur eingeschränkt oder sind sie verstopft, wird die wichtige äußerste Schicht nicht richtig ausgebildet, wodurch die wässrige Phase leichter verdunstet. Viele Faktoren können die Trockenheit begünstigen: Heizungsluft, Klimaanlagen, Tragen von Kontaktlinsen.

Eine besondere Belastung für das Sehorgan ist das Arbeiten am PC: Durch die Konzentration auf den Bildschirm sinkt die Frequenz des Lidschlags. Schließen sich – automatisch und unbemerkt – die Augenlider normalerweise alle vier bis sechs Sekunden für kurze Zeit, passiert dies am Computer nur noch halb so häufig. Damit ist ein wesentlicher Mechanismus der Feuchthaltung der Augenoberfläche gestört: Mit ihrer „Scheibenwischerfunktion” helfen die Lider nämlich, die Hornhaut gleichmäßig mit der Tränenflüssigkeit zu benetzen. Die Störung hat einen eigenen Namen: Office Eye Syndrome.

Auch Feinstaub beeinflusst die Zusammensetzung der Tränenflüssigkeit ungünstig. Und Pflanzenpollen können auch die Augen von Nicht-Allergikern reizen, indem Enzyme Komponenten des Tränenfilms abbauen und ihn damit instabil machen. Im Rahmen von Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises kann die Tränenproduktion ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen werden. Verschiedene chronische Hautkrankheiten wie Rosazea, atopisches Ekzem und Psoriasis führen manchmal zu Irritationen der Augen, weil die Fett- und Schleimproduktion der in den Lidern lokalisierten Drüsen beeinträchtigt ist.

Mehr als ein Schutzfilm Ist der Tränenfilm nicht richtig aufgebaut oder reißt er ein, kann er seine zahlreichen Aufgaben nicht mehr richtig erfüllen. Neben dem Schutz vor Austrocknung der empfindlichen Horn- und Bindehaut sind dies: die Versorgung der gefäßlosen Hornhaut mit Nährstoffen und Sauerstoff, die Reinigung und das Wegspülen von Fremdkörpern sowie die Abwehr von Mikroorganismen (mithilfe der enthaltenen desinfizierenden Substanzen). Nicht zuletzt sorgt der Film, indem er eine absolut glatte Oberfläche herstellt, für die Voraussetzung für scharfes Sehen.

Verdunstet die Tränenflüssigkeit zu stark, führt dies auf Dauer zu höheren Salzkonzentrationen; die Osmolarität steigt. Damit einher geht eine Schädigung der Epithelzellen, das Auge wird anfällig für Infektionen, es kommt zu Entzündungen von Bindehaut und Hornhaut.

Künstliche Tränen Linderung bringen meist Tränenersatzmittel, die die Augenoberfläche benetzen (Filmbildner) in Form von Tropfen, Gelen, Salben oder als Spray. Zur Verfügung stehen verschiedene Substanzen mit hoher Wasserbindungskapazität: synthetische Polymere, Zellulosederivate und das Mucopolysaccharid Hyaluronsäure.

Bei leichter Symptomatik empfiehlt man meist Präparate niedriger Viskosität (z. B. wässrige Lösungen mit Polyvinylalkohol oder 0,1%ige Hyaluronsäure), stärkere Beschwerden erfordern höhervisköse Produkte, beispielsweise Hydrogele auf Polyacrylatbasis (Carbomere) oder Hyaluronsäure in höherer Konzentration (0,3 %). Sie werden mehrmals täglich nach Bedarf in den Bindehautsack appliziert. Zur Unterstützung der Regeneration von Bindehaut und Hornhautoberfläche enthalten manche Produkte auch Dexpanthenol.

Da Benzalkoniumchlorid den Tränenfilm zusätzlich destabilisieren kann, sind grundsätzlich Konservierungsmittel-freie Präparate vorzuziehen, vor allem bei mehrmaliger Verwendung am Tag (ab vier Mal täglich). Hierfür kommen zum Beispiel Einzeldosisophthiolen in Frage, oder neue spezielle Mehrdosissysteme, die durch ausgeklügelte Technik gewährleisten, dass die Lösung nicht in Kontakt mit der Umgebungsluft kommt, und die deshalb ebenfalls ohne Konservierung auskommen.

Fetthaltige Salben mit Paraffin, Vaseline oder Wollwachs sollen die physiologische Lipidschicht stabilisieren; sie eignen sich vor allem für die Anwendung in der Nacht. Alternativ können Liposomen- haltige Produkte auf die geschlossenen(!) Augenlider aufgesprüht werden. Die enthaltenen Fette kriechen dann allmählich über den Lidrand ins Auge und ergänzen die natürliche Lipidschicht.

Andere medikamentöse Optionen Erklären Sie Ihren Kunden, dass gefäßverengende Wirkstoffe wie Tetryzolin, die wegen ihrer schleimhautabschwellenden Wirkung zur Linderung bei Bindehautentzündungen verwendet werden, keinesfalls angezeigt sind. Über die Vasokonstriktion bewirken die Alpha-Sympathomimetika zwar eine Abnahme der verstärkten Durchblutung der Bindehaut und damit der Rötung (Weißmacher), aber sie machen beim trockenen Auge alles noch schlimmer, weil mit der Durchblutung auch die Produktion der Tränenflüssigkeit weiter gedrosselt wird.

Raten Sie bei hartnäckiger Siccasymptomatik dazu, einen Facharzt zu konsultieren. Denn hinter dem vermeintlich banalen und oft auch einfach zu behandelnden Phänomen eines roten Auges kann manchmal auch eine Infektion, eine Allergie oder eine Entzündung des Augeninneren (Uveitis) stecken. Je nach Schwere des Verlaufs verordnen Ophthalmologen bisweilen lokale Entzündungshemmer (Kortikoide, Cyclosporin A, das über die internationale Apotheke zu beziehen ist) oder – bei Lidrandentzündungen – auch Antibiotika.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Tränenpünktchen, über die die Tränenflüssigkeit abfließt und über die Tränengänge in die Nasenhöhle geleitet wird, zu verschließen – vorübergehend, in Form kleiner Stöpsel (Punctum Plugs), oder dauerhaft, mittels Verödung. So kann mehr Tränenflüssigkeit im Auge zurückgehalten werden.

Tipps für die Beratung

  • Zur Erhöhung der Luftfeuchtigkeit mehrmals täglich lüften, eventuell Luftbefeuchter verwenden
  • Die Augen vor Zugluft schützen (Gebläse im Auto vermeiden)
  • Auf Nikotin verzichten
  • Am PC kleine Pausen für einlegen: zwischendurch öfter mal verschieden weit entfernte Objekte fokussieren oder den Blick in die Ferne schweifen lassen. Immer wieder bewusst blinzeln. Höhe und Neigungswinkel des Monitors sollten so eingestellt sein, dass man mit leicht gesenktem Blick arbeiten kann und die Augen nicht permanent weit geöffnet sind, denn auch dies würde die Verdunstung fördern.
  • Raten Sie zu bewusstem Gähnen: das soll die Tränendrüsen aktivieren
  • Hilfreich kann auch Lidrandpflege sein: das Lid wird mit feuchtwarmen Kompressen behandelt und dann mit sauberen Fingern sanft zur Lidkante hin ausgestrichen. So sollen eventuell vorhandene Ablagerungen abgelöst und die Funktion der Drüsen angeregt werden.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/12 ab Seite 130.

Waltraud Paukstadt, Dipl. Biologin

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