Permanentes Stehen kann zu Verspannungen und folglich zu Schmerzen führen. © artursfoto / iStock / Getty Images Plus

Interview

"MEHR ALS 85 PROZENT ALLER DEUTSCHEN HABEN IRGENDWANN IM LEBEN RÜCKENBESCHWERDEN – TENDENZ STEIGEND"

Dr. Martin Marianowicz ist Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie und Sportmedizin und Leiter der Marianowicz Medizin Zentren in München und am Tegernsee. Wir haben uns mit ihm über das lange Stehen in der Apotheke unterhalten und welche Auswirkungen das auf unsere Haltung und Wirbelsäule hat.

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DIE PTA IN DER APOTHEKE: Herr Dr. Martin Marianowicz, Sie sind Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie und Sportmedizin und Leiter der Marianowicz Medizin Zentren in München und am Tegernsee. Können Sie beobachten, dass Haltungs- und Wirbelsäulenschäden durch berufsbedingte Belastungen zunehmen?

Dr. Martin Marianowicz: Definitiv. Mehr als 85 Prozent aller Deutschen haben irgendwann im Leben Rückenbeschwerden – Tendenz steigend. Der Mensch des 21. Jahrhunderts sitzt zu viel, bewegt sich zu wenig oder zu einseitig, isst unregelmäßig und nicht ausgewogen und steht beruflich wie privat oft unter Strom. Eine Besserung der Umstände ist erstmal nicht in Sicht.

Welche Folgen kann zu langes Stehen beispielsweise auf die Füße haben?

Wird der Körper über einen langen Zeitraum in eine „Zwangshaltung“ gebracht, kann das gesundheitliche Folgen haben, denn verschiedene Muskeln sind dauerhaft angespannt, werden schlecht durchblutet und einseitig belastet. Mitunter können Füße bereits nach kurzer Zeit anfangen zu „brennen“, man bekommt schnell schwere Beine und auch Kreislaufprobleme können vorkommen. Mittel- bis langfristig gesehen können die Füße anschwellen, es kann zu Wassereinlagerungen kommen oder es bilden sich im schlimmsten Fall sogar Krampfadern oder Thrombosen.

In der Apotheke stehen Mitarbeiter mitunter mehrere Stunden ohne sich groß zu bewegen. Welche Auswirkungen kann das auf unsere Wirbelsäule haben?

Was für die Füße gilt, gilt auch für den Rücken: Permanentes Stehen kann zu Verspannungen und folglich zu Schmerzen führen, durch das Abknicken eines Knies, um die Füße abwechselnd zu schonen, wird der Rücken einseitig belastet. Häufig fallen Betroffene in eine vermeintliche „Schonhaltung“ und bilden ein Hohlkreuz. Das ist jedoch alles andere als gut für die Wirbelsäule. Langes Stehen führt zudem häufig schneller zu einer Ermüdung und einer Leistungsverminderung, da der Kreislauf beziehungsweise das Blut sprichwörtlich in die Beine rutscht.

Wie kann man Schäden vorbeugen, wenn man so lange stehen muss?

Ausreichende Bewegung ist das A und O – für Menschen, die lange im Büro arbeiten genauso wie für Arbeitnehmer, deren Tätigkeit hauptsächlich im Stehen stattfindet, wie Verkäufer, Produktionsarbeiter, Apotheker oder auch PTA. Dabei liegt es an einem selbst, sein Rückenschicksal durch eine gesunde Lebensweise – Bewegung und eine ausgewogene Ernährung – in die eigene Hand zu nehmen. Damit es gar nicht erst zu Rückenschmerzen kommt, empfehle ich eine kontinuierliche Stärkung der Rücken- und Bauchmuskulatur. Zusammen bilden diese Muskeln eine Art Korsett, das die Wirbelsäule stärkt und entlastet.

 

Themen Rückenschmerzen
                                                                                        
"Schwachstelle Rücken"

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Gibt es Sportarten, die Sie besonders empfehlen können? Wie ist es zum Beispiel mit Pilates oder Aquagymnastik?

Regelmäßige Workouts, Training an Geräten und auch Entspannungsmethoden wie Yoga oder Pilates unterstützen gezielt den Aufbau dieser Muskulatur. Aber auch kleine Übungen zwischendurch sind gut für den Rücken, zum Beispiel immer wieder mal ein paar Schritte gehen oder auch Dehnübungen, wie ein fiktives „Nach-den-Sternen-greifen“, helfen, den Rücken zu entlasten. Aquagymnastik ist für die Wirbelsäule beziehungsweise den gesamten Körper ideal, denn durch den Wasserauftrieb lastet weniger Gewicht auf den Bandscheiben und der gesamte Körper ist in Bewegung. Im Winter eignet sich beispielsweise aber auch Skilanglauf dazu, Rücken- und Wirbelsäule zu stärken.

Sport und Krafttraining sind eine Sache. Was kann man im Alltag direkt für seine Haltung und Wirbelsäulengesundheit tun?

Eine bewusste Ernährung, die reich an Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen ist, sowie eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr von zweieinhalb bis drei Litern täglich runden das persönliche Rücken-Wohlfühlprogramm ab. Wasser führt der Wirbelsäule Nährstoffe zu und hält die Bandscheiben prall – die Flüssigkeit wirkt wie ein natürlicher Stoßdämpfer und schützt den Rücken so vor Belastungen. Neben häufigen, kleinen Bewegungspausen ist es auch sinnvoll, seine Haltung ab und an zu kontrollieren: Kippe ich im Stehen nach vorne? Knicke ich immer ein Bein ab und belaste meine Wirbelsäule damit zu einseitig? Stehe ich im Hohlkreuz? Halte ich meinen Kopf gerade und geht mein Blick in etwa zehn Meter in die Ferne? Mit einer Übung kann jeder selbst seine Haltung testen. Dazu ist nur eine Wand nötig: Stellen Sie sich mit dem Rücken so nah wie möglich an die Wand. Mit einer optimalen Haltung berühren Sie diese, ohne sich zu verbiegen, an drei Punkten: am Kreuzbein, an der Brustwirbelsäule und am Hinterkopf. Hals und unterer Rücken kommen mit der Wand nicht in Kontakt. Ist das nicht der Fall, so müssen Sie Ihre Haltung dementsprechend korrigieren.

Welche Rolle spielt das Schuhwerk?

Schuhe bestimmen maßgebend die Gesundheit von Füßen, Knien und der Wirbelgelenke im Rücken. Die Auswirkungen von schlechtem Schuhwerk können unter anderem Überlastungen, Schmerzen und Fehlstellungen sein. So verlockend Schuhtrends auch sein können – dauerhaftes Tragen von falschen Schuhen kann schwere Folgen haben. Erhöhte Absätze können beispielsweise zu verkürzten Muskeln und damit zu Schmerzen führen.

Gibt es bestimmte Anforderungen, die ein Schuh haben sollte, wenn man mehrere Stunden stehen muss?

Wer im Arbeitsalltag viel stehen muss, sollte besonders darauf achten, Schuhwerk zu tragen, dass den Vorfußbereich ausgiebig polstert. Zudem sollte die Ferse im Schuh komplett und bequem aufliegen, denn dadurch wird der Vorfuß entlastet. Und natürlich muss der Schuh optimal sitzen und darf den Fuß nicht einengen. Schuhe mit einer dicken Sohle und einer ausgeprägten Dämpfung entlasten zusätzlich. Und auch hier gilt es, in Bewegung zu bleiben: Kleine Dehnungs- und Kräftigungsübungen für die Fuß- und Unterschenkelmuskulatur, wie z. B. ein abwechselndes Vor- und Zurückrollen über die ganze Fußsohle hinweg, sind empfehlenswert und lassen sich einfach in den Arbeitsalltag integrieren.

Das Gespräch für DIE PTA IN DER APOTHEKE führte Nadine Hofmann


Weitere Informationen sind auch unter www.marianowicz.de abrufbar.

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