FORTBILDUNG WISSEN INTENSIV – Teil 3

KOPFSCHMERZEN RICHTIG BEHANDELN

Nach erfolgter Diagnosestellung stehen den Betroffenen heute maßgeschneiderte und effektive Therapiekonzepte für die einzelnen primären Kopfschmerzen zur Verfügung.

Seite 1/1 6 Minuten

Seite 1/1 6 Minuten

Der erste Teil unserer Wissen-Intensiv-Reihe thematisierte bereits die Unterschiede zwischen symptomatischen und primären Kopfschmerzen. Letztere umfassen die Migräne, den Spannungs- und den Clusterkopfschmerz – lesen Sie im Folgenden, wie diese drei behandelt werden können.

Migränebehandlung Ziel der Akuttherapie ist das Durchbrechen einer Attacke möglichst in der Frühphase. Als Wirkstoffe werden neben den klassischen Analgetika die Triptane angewendet. Sie greifen spezifisch in das Krankheitsgeschehen ein und hemmen die Ausschüttung von Nervenbotenstoffen, die eine entzündliche und schmerzhafte Reaktion an den Hirnhäuten während der Attacken vermitteln. Grundsätzlich sollten Attacken so früh wie möglich behandelt und im Fall von Analgetika ausreichend hohe Dosen verwendet werden.

Die begleitende Einnahme von Antiemetika wie Metoclopramid, Domperidon oder Dimenhydrinat ist sinnvoll, da nicht nur die Übelkeit bekämpft, sondern auch die Resorption der Akutmedikation im Magen beschleunigt wird. Diese ist durch Erbrechen und eine Motilitätsstörung des Magen-Darm-Traktes während einer Schmerzattacke meist verringert. Durch zu häufigen Schmerzmittelkonsum kann es zu einer Verschlechterung der Migräne kommen, sodass die Einnahme auf zehn Tage pro Monat beschränkt werden sollte.

In Vergleichsstudien waren Triptane und NSAR gleich gut wirksam. Allerdings gibt es Patienten, bei denen Analgetika nicht oder nur unzureichend helfen, Triptane hingegen gut. Es sind sieben verschiedene Triptane zugelassen (Tabelle 1). Sie unterscheiden sich hinsichtlich Verträglichkeit, Wirksamkeit, -dauer und Zeitdauer von der Einnahme bis zum Wirkbeginn. Zudem sind sie in verschiedenen Galeniken erhältlich. Während für die meisten Patienten Tabletten ausreichend sind, ist bei Erbrechen ein Nasenspray oder Suppositorium sinnvoll. Naratriptan und Almotriptan sind als verschreibungspflichtige und als rezeptfreie Präparate erhältlich.

Mitmachen und punkten!
Lesen Sie alle drei Teile unserer Fortbildung WISSEN INTENSIV zum Thema Migräne und Kopfschmerzen, die wir Ihnen in Zusammenarbeit mit der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) anbieten.
Heft 03/11: Teil 1 – Nur Migräne oder schon gefährlich?
Heft 04/11: Teil 2 – Besonderheiten der Kopfschmerztherapie in Schwangerschaft und Stillzeit
Heft 05/11: Teil 3 – Kopfschmerzen richtig behandeln PLUS Fragebogen zur Fortbildung

Als Nebenwirkungen können ein Engegefühl im Hals und Brustkorb, ein Kribbeln und Wärmegefühl sowie Müdigkeit auftreten. Da die Triptane gefäßverengend wirken, dürfen sie nicht während einer Aura gegeben werden, da es währenddessen zu einer Minderdurchblutung der betroffenen Hirnareale kommt. Zudem sind sie bei Einnahme vor Beginn der Kopfschmerzen nicht wirksam. Aus der gefäßverengenden Nebenwirkung resultieren auch die Kontraindikationen, die gerade bei freiverkäuflichen Triptanen sorgfältig erhoben werden sollten.

Die Ergotamine wurden fast vollständig von den Triptanen verdrängt und sind schlechter verträglich. Da auch sie gefäßverengend sind, dürfen sie nicht mit den Triptanen kombiniert werden. Ein Wiederauftreten der Kopfschmerzen innerhalb eines Tages nach anfänglich gutem Ansprechen kommt bei Triptanen gehäuft vor. Hier kann eine zweite Dosis eingenommen werden (dies ist aber nicht sinnvoll, wenn die erste Einnahme bereits erfolglos war). Alternativ kann ein lang wirksames Triptan wie Naratriptan, Frovatriptan oder die Kombination aus einem Triptan mit einem NSAR versucht werden. Attacken, die länger als drei Tage dauern, bedürfen einer ärztlichen Vorstellung.

Ein Ansprechen auf Triptane darf nicht als Beweis für das Vorliegen einer Migräne und gegen einen symptomatischen Kopfschmerz gewertet werden, da Triptane auch bei symptomatischen Kopfschmerzen wirksam sein können.

Die Prophylaxe soll die Anzahl der Migräneattacken auf ein erträgliches Maß senken, formal um mindestens 50 Prozent. Ist dies nach drei Monaten laut Kopfschmerzkalender der Fall, sollte sie für weitere drei bis sechs Monate eingenommen werden. Bei vielen Patienten beobachtet man dann anhaltende Effekte über das Absetzen hinaus. Eine Prophylaxe ist indiziert, wenn mehr als drei Attacken im Monat auftreten, diese zu einer unzumutbaren Belastung im Alltag (Fehlzeiten im Beruf) führen, Attacken nicht auf Akutmedikation ansprechen oder die Schmerzmitteleinnahme zehn Tage im Monat überschreitet.

Als Mittel der ersten Wahl (Tabelle 2) sind für den Alltag die Betablocker Metoprolol und Propranolol sowie der Kalziumantagonist Flunarizin zu empfehlen. Topiramat ist ebenfalls gut wirksam und führt im Gegensatz zu Flunarizin und Valproat nicht zu einer Gewichtszunahme, ist aber nebenwirkungsreicher.

Bei Patienten mit depressiven Symptomen sind Amitriptylin und Valproat (das formal nicht für die Migräneprophylaxe zugelassen ist) sinnvoll. Daneben können Nahrungsergänzungsmittel und Phytopharmaka versucht werden, deren Kosten aber nicht übernommen werden und deren Wirksamkeit oft schlecht belegt ist. Pestwurz ist in Deutschland nicht mehr zugelassen und kann Leberfunktionsstörungen auslösen. Magnesium muss auf 600 Milligramm aufdosiert werden und führt dann oft zu Durchfällen. Der häufigste Fehler besteht darin, dass die Prophylaxe nicht ausreichend lange und hoch genug dosiert eingenommen wird und dass die Dosis zu schnell gesteigert wird. Unbedingt sinnvoll ist die regelmäßige Anwendung von nichtmedikamentösen Verfahren.

Entspannungsübungen wie die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson sind gut selbst zu erlernen. Biofeedback und verhaltenstherapeutische Gruppenprogramme zur Schmerzbewältigung sind ebenfalls gut wirksam. Auch aerober Ausdauersport und Akupunktur sind hilfreich. Grundsätzlich sollten diese Verfahren untereinander, aber auch mit einer medikamentösen Prophylaxe kombiniert werden.

Behandlung des Spannungskopfschmerzes Beim episodischen Spannungskopfschmerz steht die Behandlung von einzelnen Attacken im Vordergrund, für die sich klassische Analgetika wie Paracetamol, ASS und Ibuprofen oder Kombinationspräparate mit Koffein eignen. Ohne Gefahr eines Schmerzmittelübergebrauches kann Pfefferminzöl auf den Schläfen und dem Nacken angewendet werden. Auch Flupirtin kann versucht werden, wobei eine häufige Einnahme wie bei Paracetamol Leberschäden verursachen kann.

Bei chronischen Spannungskopfschmerzen ist es wie bei der Migräne wichtig, die Einnahme von Akutschmerzmitteln auf weniger als zehn Tage im Monat zu begrenzen. Zudem wirken diese Mittel bei der chronischen Form oft nicht so gut. Auch hier müssen die Präparate über mehrere Monate konsequent eingenommen werden, bevor die Wirksamkeit anhand des Kopfschmerzkalenders beurteilt werden kann.

Goldstandard sind die Trizyklika, vor allem Amitriptylin (Tabelle 2). Allerdings werden diese Präparate teils schlecht vertragen und verursachen Mundtrockenheit, Müdigkeit und Gewichtszunahme. Daher empfiehlt sich die Einnahme abends. Unter den Mitteln der zweiten Wahl befinden sich neuere Antidepressiva wie Mirtazapin, Venlafaxin und Duloxetin sowie Valproat und Topiramat. Ähnlich wie bei der Migräne sollten begleitend nichtmedikamentöse Verfahren einschließlich Akupunktur angewendet werden.

Clusterkopfschmerz Mittel der ersten Wahl in der Akuttherapie des Clusterkopfschmerzes sind die Triptane. Da die Attacken bei diesem Kopfschmerz kurz sind, müssen Triptane in einer rasch verfügbaren Form als Nasenspray oder subkutanes Injektionspräparat angewendet werden. Es gelten die üblichen Kontraindikationen. Reiner Sauerstoff mit einer hohen Flussrate ist ebenfalls Mittel der Wahl. Er wird für zehn bis 15 Minuten über eine Maske eingeatmet und führt bei über 60 Prozent der Patienten zu einer raschen Besserung. Bis auf Ausnahmefälle mit schweren Lungenerkrankungen bestehen keine Kontraindikationen.

Da auch beim Clusterkopfschmerz eine Verschlechterung durch zu häufige Triptaneinnahme beschrieben ist, empfiehlt sich bei häufigen Attacken eine Begrenzung der Einnahmetage. Während beim episodischen Clusterkopfschmerz eine Prophylaxe nur vorübergehend für Wochen bis wenige Monate nötig ist, wird sie beim chronischen Typ über einen längeren Zeitraum eingenommen.

Die wichtigste Substanz in der Prophylaxe des Clusterkopfschmerzes (Tabelle 2) ist Verapamil, welches in deutlich höheren Dosierungen als in der Kardiologie verwendet wird (480 Milligramm und höher). Trotzdem wird das Präparat von den meisten Patienten gut vertragen. Es sollte unbedingt unter EKG-Kontrolle langsam aufdosiert werden. Daneben sind Lithium und Topiramat gut wirksam. Für kürzere Phasen können auch Kortisonpräparate wie Prednisolon und in Einzelfällen das in Deutschland nicht mehr zugelassene Methysergid versucht werden. 

WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN
♦ Leitlinie Selbstmedikation bei Migräne und Kopfschmerz vom Spannungstyp:
www.dmkg.de/dmkg/sites/default/files/migraene%20und%20spannungskopfschmerz.pdf 
♦ Leitlinien Migräne, Kopfschmerz vom Spannungstyp und Clusterkopfschmerz:
   www.dmkg.de/therapie/them.html

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/11 ab Seite 7.

Dr. Tim Jürgens, Kopfschmerzambulanz der Neurologischen Klinik und Institut für Systemische Neurowissenschaften, Universitätsklinikum Hamburg

×