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Psyche

KAPRIOLEN IM GEHIRN

Viele Menschen erleben irgendwann Halluzinationen. Solange solche Erscheinungen nicht regelmäßig auftreten, gibt es keinen Grund zur Sorge. Kritisch wird es, wenn dies häufiger passiert.

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Wer im Wachzustand Dinge sieht und hört, die andere nicht wahrnehmen, leidet möglicherweise unter Halluzinationen, auch Sinnestäuschungen genannt. Die Trugwahrnehmungen finden im Gehirn statt und können grundsätzlich alle Sinne betreffen. Manche Menschen hören Stimmen dialogischer, kommentierender oder imperativer Charakter, andere sehen farbige Flächen oder Lichtblitze bis hin zu ausgestalteten Szenen. Wieder andere spüren Wasser über den Körper laufen, riechen Gase oder schmecken Gift. Ebenso kann es geschehen, dass sich tote Gegenstände plötzlich in Lebewesen verwandeln.

Spektakuläre Phänomene Komplexe Halluzinationen und wahnhafte Gedanken kommen häufig während einer schizophrenen Psychose vor. Obwohl kein äußerer Reiz vorliegt, werden diese Empfindungen für wahr gehalten. Ist der Patient sich hingegen darüber bewusst, dass die Sinnestäuschungen keinen Realitätscharakter besitzen, spricht man von Pseudohalluzinationen. Differentialdiagnostisch ist die Halluzination von der Illusion abzugrenzen. Bei Letzterer handelt es sich um eine Verkennung eines realen Objektes, welches also falsch gedeutet wird.

Die Ursachen von Halluzinationen sind vielfältig: Häufig treten sie als Begleiterscheinungen eines Deliriums oder von Psychosen auf. Außerdem können sie im Zusammenhang mit Drogen, Migräne oder Epilepsie vorkommen sowie durch Hirnreizungen oder durch eine komplette Abschirmung von Außenreizen ausgelöst werden.

Ich sehe was, das du nicht siehst „Im Dämmerzustand bei geschlossenen Augen drangen phantastische Bilder von außerordentlicher Plastizität und mit intensivem kaleidoskopartigem Farbenspiel auf mich ein“, so beschreibt der Schweizer Chemiker Albert Hofmann 1943 seinen Zustand, nachdem er bei der Arbeit im Labor aus Versehen mit LSD in Kontakt gekommen war. Meskalin, Zauberpilze oder LSD zählen zu den klassischen Halluzinogenen.

Darunter versteht man solche Substanzen, deren primäre Eigenschaft darin besteht, Trugwahrnehmungen hervorzurufen. Diese sogenannten bewusstseinserweiternden Drogen schlagen sich auch auf die Stimmung und das Denkvermögen nieder. Insgesamt kennt man etwa 100 Pflanzen mit halluzinogenen Extrakten, die größtenteils als Heilpflanzen in der Medizin der Naturvölker und des Altertums eingesetzt wurden.

Nicht nur bei Kranken Forscher haben herausgefunden, dass auch gesunde Personen gelegentlich unter Halluzinationen oder Wahnvorstellungen leiden können. Im World Mental Health Survey wurden in Deutschland und 17 weiteren Staaten repräsentative Stichproben der Bevölkerung in Bezug auf die psychische Gesundheit erhoben. Im Rahmen der Untersuchung befragte man die Teilnehmer auch nach psychotischen Erlebnissen wie Halluzinationen, Gefühlen des Fremdgesteuertseins oder Gedankeneingebungen.

ÜBERBLICK ÜBER MÖGLICHE URSACHEN:

  • hohes Fieber
  • Trauerphasen
  • Halbschlaf
  • Störungen im Wasser-Elektrolythaushalt
  • Drogensucht
  • Alkoholabhängigkeit
  • Schlafentzug über einen längeren Zeitraum
  • Schizophrenie
  • psychotische Depressionen
  • Hirntumore
  • Epilepsie
  • Alzheimer
  • Durchblutungsstörungen im Gehirn
  • Medikamente
  • Halluzinogene

Es stellte sich heraus, dass Frauen häufiger als Männer betroffen sind und Personen, die wenig verdienten, unverheiratet und arbeitslos waren, ebenfalls häufiger psychotische Zustände erlebten. Wem das ein- bis zweimal passiert, der braucht sich zunächst keine Sorgen darüber zu machen. Wer jedoch regelmäßig halluziniert, der sollte einen Arzt konsultieren. Die Diagnostik beginnt normalerweise mit der Anamnese. Der Patient beschreibt, wann, wie oft und in welchen Situationen die Halluzinationen auftreten.

Wichtig ist außerdem, wie sich die Wahrnehmungsstörungen äußern und ob weitere körperliche Beschwerden bestehen. Obendrein werden oft neurologische und bildgebende Untersuchungen, Messungen der Gehirnströme, Laboruntersuchungen des Blutes sowie spezielle Fragebögen zu diagnostischen Zwecken eingesetzt.

Therapie Um die Halluzinationen effektiv zu bekämpfen, sollten die Ursachen für die Sinnestäuschungen bekannt sein. Liegen organische Erkrankungen zugrunde, werden die psychischen Phänomene anders behandelt, als wenn die Symptome beispielsweise auf bestimmte Medikamente oder Schlafentzug zurückzuführen sind. Bei ausgeprägten Sinnestäuschungen kommen meist Psychopharmaka zum Einsatz. Mittel erster Wahl sind Neuroleptika, unter denen die Beschwerden oft vollständig verschwinden. Geht die Psychose mit depressiven Symptomen einher, verordnet der Arzt ergänzend Antidepressiva. Neben der medikamentösen Behandlung ist eine Psychotherapie sinnvoll.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/15 ab Seite 88.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)

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