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Reiseapotheke

ICH PACKE MEINEN KOFFER …

Die Sommerferien stehen vor der Tür. Doch bevor es in den Urlaub geht, muss vieles gut überlegt werden, um die schönste Zeit des Jahres gesund zu verbringen.

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Das Wichtigste vorab: In fernen Regionen sind Impfungen besonders wichtig, da mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko zu rechnen ist. Erreger, die bei uns fast in Vergessenheit geraten sind, kursieren dort oftmals noch gehäuft . Zudem sollten einige Medikamente mit auf Reisen genommen werden.

Eine gut ausgestattete Reiseapotheke hilft, dass leichte Beschwerden während der Reise nicht zum großen Problem werden. Stellen Sie mit Ihrem Kunden eine individuell auf das Urlaubsziel, die Art und Dauer der Reise sowie das Alter der Mitreisenden abgestimmte Reiseapotheke zusammen.

Rechtzeitig an Impfungen denken Mindestens drei Monate vor Beginn eines Auslandsaufenthaltes sollte der Impfstatus der Mitreisenden sorgfältig überprüft werden, um eventuelle Lücken noch termingerecht zu schließen oder Auffrischimpfungen durchzuführen. Generell sollte jeder alle von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfungen erhalten haben. Einzelheiten zu den Standardimpfungen (z. B. Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Poliomyelitis, Hepatitis B, Pneumokokken, Meningokokken, Masern, Mumps, Röteln, Varizellen) siehe unter www.rki.de.

Gegebenenfalls werden bei Fernreisen zusätzlich noch individuelle Reiseimpfungen wie beispielsweise Cholera, FSME, Gelbfieber, Hepatitis A oder Typhus notwendig. Ob und welche Reiseimpfungen empfehlenswert sind, hängt vom Urlaubsziel, dem Reisestil sowie individuellen Gegebenheiten ab und kann bei einem Reisemediziner oder bei den Tropeninstituten erfragt werden, zum Beispiel auf den Internetseiten der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit unter www.dtg.org.

Malariarisiko nicht unterschätzen Bei Reisen in Malariagebiete ist besondere Vorsicht geboten. Gegen die von der Anopheles-Mücke übertragene Infektionskrankheit existiert immer noch kein Impfschutz. Abhängig von der Region ist eine medikamentöse Vorsorge und/oder die Mitnahme eines Notfallmedikamentes zur Einnahme im Falle einer Erkrankung sinnvoll. Die Auswahl des Präparates richtet sich nach der Erregerempfindlichkeit der jeweiligen Region.

Mögliche Wirkstoffe sind beispielsweise Chloroquin, Proguanil, Mefloquin oder die Kombination aus Atovaquon und Proguanil. Umfassende Informationen zur Chemoprophylaxe und Stand-by-Therapie sind auf den Internetseiten der DTG unter www.dtg.org nachzulesen.

ERSTE-HILFE-SET
Nicht fehlen darf eine Grundausstattung zur Wundversorgung. Verbandmaterialien (z. B. Pflaster, Kompressen, Mullbinden) und ein Desinfektionsmittel (z. B. Octenidin) gehören in jede Reiseapotheke. Ebenso sind entzündungshemmende Gele (z. B. Diclofenac, Ibuprofen), eine elastische Binde und eine sofort aktivierbare Kühlkompresse unverzichtbarere Bestandteile, insbesondere, wenn sportliche Aktivitäten geplant sind.

Da Malaria trotz Chemoprophylaxe auftreten kann, ist jedes unklare Fieber bei Reisen in Malariagebiete grundsätzlich malariaverdächtig. Selbst bei einer nicht-fieberhaften Erkrankung muss stets eine Malariainfektion in Erwägung gezogen werden, vor allem bei Kindern, bei denen eine atypische Symptomatik möglich ist. Auch nach Rückkehr aus einem Endemiegebiet sollte noch Monate später bei Fieber an eine Malaria gedacht werden.

Insekten abwehren Da man sich auf die medikamentöse Malariaprophylaxe nicht hundertprozentig verlassen kann, müssen Mückenstiche möglichst vermieden werden. Essenziell ist daher eine konsequente Expositionsprophylaxe. Ein Moskitonetz schützt beim Schlafen. Lange, helle Kleidung, Strümpfe und geschlossene Schuhe sind vor allem in der Dämmerung zum Schutz vor den nachtaktiven Insekten empfehlenswert. Zusätzlich halten chemische Mittel die Insekten ab.

»Die Reisediarrhö ist besonders für Säuglinge, Kleinkinder und Ältere aufgrund des Flüssigkeits- und Elektrolytverlustes bedrohlich.«

Sind Kinder mit auf Reisen, müssen altersgerechte Repellents eingepackt werden, denn nicht alle Wirkstoffe eignen sich für jede Altersstufe. So soll das als Goldstandard unter den insektenabweisenden Mitteln geltende DEET (Diethyltoluamid) nicht bei Säuglingen und Kleinkindern wegen lokaler Hautreizungen zur Anwendung kommen. Diskutiert werden auch neurotoxische Effekte.

Da die empfohlenen Altersangaben bei den verschiedenen Produkten schwanken, kann keine allgemeine Altersempfehlung gegeben werden. Grundsätzlich wird geraten, DEET nicht großflächig aufzutragen. Zu beachten ist zudem, dass der Stoff einige Kunststoffe angreift.

NOTFALLSET BEI ANAPHYLAKTISCHEM SCHOCK
Auf Reisen kommen Allergiker oft unbewusst mit allergieauslösenden Substanzen in Verbindung, die für sie schnell lebensbedrohlich werden können. In warmen Gefilden kann auch das Risiko für Insektenstiche erhöht sein, die zu den häufigsten Auslösern eines allergischen Schocks zählen. Daher sollten Allergiker mit einem erhöhten Anaphylaxierisiko oder Patienten, die schon einmal einen anaphylaktischen Schock erlitten haben, im Urlaub immer ein Notfallset bei sich führen, zumal nicht überall mit schneller ärztlicher Hilfe gerechnet werden kann. Dieses Set beinhaltet einen Adrenalin-Autoinjektor zur Selbstapplikation, ein Glukokortikoid sowie ein Antihistaminikum. Bei bekanntem Asthma gehört zusätzlich eine bronchialerweiternde Substanz in Form eines Inhaliersprays ins Set.

Als besser verträglich gilt Icaridin, das in vielen gängigen Repellents enthalten ist. Es hat eine vergleichbare Wirkung und ein analoges Wirkspektrum. Es eignet sich für Kinder ab zwei Jahren. Beide insektenabweisende Wirkstoffe schützen nachweislich vor Stichen und werden von der WHO empfohlen. Repellents werden auf unbedeckte Hautstellen aufgetragen. Da sie mit der Zeit verfliegen, ist die Applikation regelmäßig (alle vier bis acht Stunden) zu wiederholen.

Die Verwendung von Insektiziden in Aerosolen, Verdampfern oder Räucherspiralen sowie zur Imprägnierung von Moskitonetzen und Kleidungsstücken bietet zusätzlichen Schutz. Der konsequente Einsatz insektenabweisender Maßnahmen trägt auch zur Vermeidung vor weiteren durch Mückenstiche übertragbare Tropenkrankheiten wie der Schlafkrankheit, Gelbfieber oder Denguefieber bei und ist auch in FSME-Gebieten empfehlenswert. Bei der gleichzeitigen Verwendung von Sonnenschutzmitteln gibt man die Insektenschutzmittel über den UV-Schutz, damit sie vollständig zur Wirkung gelangen.

Vor Sonne schützen Vor allem im Sommer gehört ein Sonnenschutz zur perfekten Ausstattung einer Reiseapotheke. Generell muss bei der Auswahl des Lichtschutzfaktors (LF) immer die individuelle Empfindlichkeit der Haut beziehungsweise der Hauttyp sowie die Sonnenintensität berücksichtigt werden. Prinzipiell bezieht sich der auf der Packung angegebene LF nur auf den UV-B-Schutz. Allerdings ist nach einer EU-Richtlinie ein Mindestmaß an UV-A-Schutz verpflichtend (Verhältnis von mindestens 1:3 zwischen UV-A- und UV-B-Schutz). Einige Hersteller loben einen höheren UV-A-Schutz aus und vermerken ihn zusätzlich auf der Verpackung.

Ein effektiver Sonnenschutz wird nur durch Auftragen ausreichend großer Mengen gewährleistet. Wird zu wenig gecremt, kann der ausgelobte Lichtschutzfaktor nicht erreicht werden. Um den ganzen Körper mit einer genügenden Menge an Sonnencreme zu versorgen, werden mindestens 20 bis 30 Milliliter der Zubereitung benötigt. Einige Hersteller bieten Präparate mit speziellen Dosierdispensern an, mit deren Hilfe eine ausreichende Menge an Lichtschutzmittel abgemessen werden kann. Generell sollte im Laufe des Tages mehrmals nachgecremt werden, um den Lichtschutz aufrechtzuerhalten. Eine Verlängerung der Schutzdauer ist dadurch aber nicht zu erreichen.

Auch bei Aufenthalt außerhalb der prallen Sonne ist ein Auffrischen der Sonnenschutzcreme unerlässlich, denn selbst bei bedecktem Wetter dringen bis zu 80 Prozent der UV-Strahlung durch die Wolken und selbst im Schatten sind noch circa 50 Prozent vorhanden. Sind ein Strand- und Badeurlaub oder sportliche Aktivitäten geplant, sollten die verwendeten Formulierungen wasser- und abriebfest sein. Nach dem Baden muss erneut eingecremt werden, da der Sonnenschutz beim Aufenthalt im Wasser und beim Abtrocknen teilweise selbst bei wasserfesten Produkten verlorengeht. Ebenso erfordert starkes Schwitzen eine Erneuerung.

Pflege nach der Sonne After-sun-Produkte versorgen die Haut nach dem Sonnenbad mit Feuchtigkeit. Dafür finden sich in den Après-Pflegeprodukten Feuchthaltefaktoren wie beispielsweise Glycerin oder Aloe vera. Produkte mit dem Algenenzym Photolyase unterstützen Reparaturmechanismen in der Haut. Auch Präparate mit Dexpanthenol sowie entzündungshemmende und reizlindernde Zusätze wie Allantoin, Hamamelis oder Bisabolol regenerieren sonnengerötete und -belastete Haut.

Zubereitungen mit Antihistaminika wie Bamipin, Dimetinden, oder Chlorphenoxamin beruhigen gerötete Haut und lindern leichte Sonnenbrände. Sie stillen auch den Juckreiz von Insektenstichen oder allergischer Hautreaktionen. Bei starker Ekzembildung oder ausgeprägten Schwellungen können auch glukokortikoidhaltige Präparate mit Hydrokortison verwendet werden. Kunden, die bei UV-Belastung zu Lippenherpes neigen, sollten eine Lippencreme mit Aciclovir oder Penciclovir einpacken.

Durchfall, Verstopfung, Blähungen Die häufigste Gesundheitsstörung auf Reisen ist die Reisediarrhö. Sie ist besonders für Säuglinge, Kleinkinder und Ältere aufgrund des Flüssigkeits- und Elektrolytverlustes bedrohlich. Meist sind Bakterien oder Viren aus verunreinigtem Wasser oder kontaminierten Speisen Auslöser der wässrigen Durchfälle. Daher sollte beim Umgang mit Nahrungsmitteln in fernen Ländern immer die Verhaltensregel „peel it, boil it, cook it or forget it!“ („schälen, kochen, braten oder verzichten“) beachtet werden. Rohe Kost wie ungekochtes Gemüse, ungeschältes Obst, Meeresfrüchte oder ungebratenes Fleisch sind ebenso wie rohe Eier, Eis und Eiswürfel tabu.

NICHT VERGESSEN!
Viele reagieren auf eine ungewohnte Ernährung, andere Lebensgewohnheiten oder veränderte klimatische Bedingungen auch mit einer trägen Verdauung oder Blähungen. Deshalb sind Laxanzien wie Bisacodyl, Natriumpicosulfat oder osmotisch wirksame Miniklistiere sowie pflanzliche Karminativa typische Empfehlungen für eine Reiseapotheke.

Steht auf Reisen kein sauberes Leitungswasser zur Verfügung, gilt grundsätzlich der Rat, nur Wasser aus versiegelten Flaschen (Mineralwasser) oder frisch abgekochtes beziehungsweise mit einem Wasseraufbereitungspräparat behandeltes Wasser zu verwenden. Meldet sich „Montezumas Rache“ trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, ist die Gabe von Flüssigkeit und Elektrolyten Mittel der Wahl. Stehen keine standardisierten Rehydratationslösungen zur Verfügung, kann ersatzweise eine Lösung aus zehn gestrichenen Teelöffeln Zucker und einem gestrichenen Teelöffel Kochsalz in einem Liter Wasser oder Fruchtsaft zur Anwendung kommen.

Sehr zuverlässig hemmt Loperamid die Darmbewegungen. Es sollte aber nur für kurze Zeit (nicht länger als zwei Tage) und nicht bei schweren Darminfektionen, die mit Fieber oder blutigem Durchfall einhergehen, eingesetzt werden. Ebenso ist der Wirkstoff für Kinder unter zwei Jahren kontraindiziert und in der Selbstmedikation erst ab zwölf Jahren zugelassen. Alternative ist Racecadotril. Es reduziert den übermäßigen Wasser- und Elektrolyteinstrom in den Darm. Der Stuhl wird dadurch weniger aufgeweicht und der Drang auf Toilette zu müssen sinkt.

Dabei bleibt die natürliche Eigenbewegung des Darms erhalten. Der Wirkstoff ist allerdings erst ab 18 Jahren in der Selbstmedikation zugelassen. Bei Durchfall helfen auch Mikroorganismen, die Durchfalldauer zu reduzieren und die Gefahr eines größeren Wasser- und Elektrolytverlustes zu minimieren. So haben sich beispielsweise Präparate mit Laktobazillen oder mit Saccharomyces boulardii bewährt.

Übelkeit Ein besonderes Verdauungsproblem ist die Reisekrankheit. Einige reagieren mit Unwohlsein, wenn sie beim Fahren lesen. Bei anderen reicht schon das normale Schaukeln des Reisegefährts aus, Übelkeit, Schweißausbrüche, Schwindel oder Schläfrigkeit zu provozieren. Vorbeugend sollte im jeweiligen Verkehrsmittel ein Ort aufgesucht werden, der seltener Kinetosen auslöst. Im Bus eignet sich eine Sitzgelegenheit mittig zwischen den Achsen, im Auto neben dem Fahrer, im Flugzeug ein Platz auf der Höhe der Trageflächen und während einer Fährfahrt der Aufenthalt an Deck in der Mitte des Schiffes.

Ebenso ist es hilfreich, nach vorne aus dem Fenster zu sehen und den Blick auf einen Punkt in der Ferne zu richten. Schutz vor Reiseübelkeit können auch der Verzehr leichter Kost und eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr bieten. Unterstützend sollte auf Süßigkeiten verzichtet und für frische Luft gesorgt werden. Reichen alle Vorkehrungen nicht aus, haben sich Tabletten mit Ingwer oder Dragees und Kaugummis mit Dimenhydrinat bewährt.

Probleme beim Fliegen Im Flugzeug kann es zu Ohrenschmerzen kommen. Um diese zu vermeiden, sollten auf einer Flugreise beim Start und der Landung Flüssigkeit getrunken, Bonbons gelutscht oder Kaugummis gekaut werden. Beliebt sind zudem spezielle Ohrstöpsel, die Druckveränderungen und damit Schmerzen in den Ohren verhindern sollen. Ist der Reisende erkältet, sorgen alpha-Sympathomimetika wie Oxymetazolin oder Xylometazolin für eine ausreichende Belüftung der Nasennebenhöhlen und der Ohrtube. Klimatisierte Luft auf Flughäfen und im Flugzeug trocknen zudem die Schleimhäute der Atemwege meist so sehr aus, dass Erkältungen gleich zu Anfang einer Reise vorprogrammiert sind.

Aber auch im weiteren Verlauf des Urlaubs werden Klimaanlagen in Hotels oder Restaurants schnell zum Auslöser grippaler Infekte. Daher gehören neben abschwellenden Nasentropfen auch fiebersenkende und schmerzstillende Präparate (z. B. Paracetamol, Ibuprofen, Acetylsalicylsäure) sowie ein Fieberthermometer in die Reiseapotheke. Sind Kinder unter 14 Jahren mit dabei, muss auf Acetylsalicylsäure wegen der Gefahr des Reye-Syndroms verzichtet werden. Auch für Reisen in die Tropen ist es nicht geeignet, da bei einigen Infektionen wie beispielsweise dem Dengue-Fieber das Risiko für Blutungen erhöht ist.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/15 ab Seite 14.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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