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Repetitorium

HORMONELLE BESCHWERDEN – TEIL 2

Schwangerschaft einerseits, Unfruchtbarkeit andererseits – das sind die Hormone betreffenden Hauptthemen zwischen den ersten und zweiten „Wechseljahren“. Dieser Repetitoriumsteil bietet hierzu einen Überblick.

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Schwangerschaft und Geburt sind etwas völlig natürliches und normales. Allerdings war es jahrtausendelang auch normal, dass Mütter und Kinder krank wurden und sogar starben – vor, während oder nach der Geburt. Waren es früher Hygienemängel, Unwissenheit oder medizinische Situationen, die noch nicht beherrschbar waren, sind für Komplikationen heute eher das relativ hohe Alter von Erstgebärenden, Rauchen und Diabetes mellitus verantwortlich.

In Deutschland ist die Mütter- und Säuglingssterblichkeit mittlerweile – dank verbesserter Lebenssituation der Bevölkerung und hoher Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems – dennoch sehr gering. An dieser Stelle werden kurz die veränderten hormonellen Rahmenbedingungen für Mutter erläutert und was dies für Schwangerschaftsbeschwerden auslösen kann. Dabei wird sich bewusst auf Beschwerden konzentriert, die Gegenstand eines Beratungsgesprächs in der Apotheke sein können. Medizinisch schwerwiegende Komplikationen gehören selbstverständlich in die Hände kompetenter Frauenärzte.

Schwangerschaft Der veränderte Hormonhaushalt hat vielfältige Auswirkungen. Innerhalb weniger Wochen nach der Konzeption bildet sich ein neues endokrines Organ, die Plazenta, um die Vielzahl der für die Schwangerschaft benötigten Hormone zu produzieren. Insbesondere die plazentaren Hormone (HCG = humanes Choriongonadotropin, HPL = humanes Plazentalaktogen, Estrogene, Progesteron) sowie die mütterlichen Hormone (Prolaktin, FSH = Follikelstimulierendes Hormon, LH = Luteinisierendes Hormon, Oxytocin, Vasopressin, Schilddrüsenhormone, Kortison und Kortisol, Aldosteron, Parathormon) entfalten jeweils spezifische Wirkungen auf den mütterlichen Organismus einerseits, das sich im Mutterleib entwickelnde Kind andererseits.

Neben Veränderungen der Geschlechtsorgane und des Stoffwechsels mit allerdings nur leicht erhöhtem Energiebedarf kommt es bei der Frau auch zu Veränderungen

  • an der Haut: Verstärkte Pigmentierung oder auch Verstärkung und plötzliches Auftreten von Akne können die Folge sein.
  • am Herz-Kreislauf-System: Das Blutvolumen nimmt zu. Durch Anstieg des Herzminutenvolumens nehmen Schlagvolumen und Frequenz zu. Häufig kommt es zu einer Erniedrigung des Blutdrucks in den ersten sechs Monaten. Auch verminderter Venendruck und daraus resultierend verstärkte Neigung zu Krampfadern und Thrombose macht vielen werdenden Müttern zu schaffen.
  • an den Ausscheidungsorganen: Es kommt zu vermehrter Durchblutung der Niere. Das Gewebe rund um die Harnröhre ist hormonell bedingt aufgelockert. Da zudem die wachsende Gebärmutter auf die Blase drückt, kommt es häufig zu einer Stressinkontinenz, also dem Urinverlust bei Husten, Lachen und körperlicher Belastung. Um dies zu vermeiden, trinken viele Schwangere weniger. Die Folge: Da die Harnwege weitgestellt sind, werden aufsteigende Harnwegsinfekte zusätzlich begünstigt. Hier heißt die Empfehlung also: Nicht mit dem Trinken sparen, im Gegenteil: Niere und Blase gut durchspülen, um die Bakterienbesiedelung zu erschweren. Bei einem akuten bakteriellen Harnwegsinfekt ist der Arztbesuch (Antibiotikagabe, häufig Cephalosporine der zweiten und dritten Generation laut Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V., AWMF-Leitlinie) umgehend notwendig, da die Infektion auch vorzeitig Wehen auslösen und zu Früh- oder Fehlgeburten führen kann.
  • am Verdauungssystem: Gestagen-bedingt kommt es zur Weitstellung der Hohlorgane, etwa von Magen, Darm oder Gebärmutter. Dies führt als Nebenwirkung dazu, dass der Schließmuskel zum Mageneingang nicht optimal schließt, was bei mehr als 70 Prozent der werdenden Mütter zu Sodbrennen führt. Linderung verschaffen zunächst allgemeine Empfehlungen, wie das Essen kleinerer, weniger fetter, weniger gewürzter Speisen, Meiden beziehungsweise Reduzieren von Schokolade, Kaffee und ohnehin Alkohol, Trinken von viel Wasser (ohne Kohlensäure), Bewegung statt Hinlegen nach dem Essen. Als Hausmittel werden immer wieder ein Teelöffel Senf nach dem Essen sowie das Kauen von Haferflocken oder Mandeln genannt. Reichen diese Maßnahmen nicht, kann ein Antazidum empfohlen werden. Mit der Kombination Natriumalginat, Kaliumhydrogencarbonat, Calciumcarbonat existiert sogar ein offiziell zur Anwendung in der Schwangerschaft zugelassenes Antazidum. Auch die Darmbewegungen sind vermindert, weshalb so manche Schwangere über Obstipation (Verstopfung) klagt. Da dies sekundär auch Kontraktionen der Gebärmutter auslösen kann oder infolge starken Pressens beim Stuhlgang Hämorriden entstehen können, sollte frühzeitig zum „sanften Abführen“ geraten werden. Viel trinken, körperlich bewegen, viel Gemüse, Obst, Vollkornprodukte essen, geschroteter Leinsamen oder Flohsamen sollten empfohlen werden. Auch Macrogole können während der Schwangerschaft angewendet werden. Zudem könnte Magnesium, das bekanntlich auch abführend wirkt, helfen – wobei dies zusätzlich gegen nervige nächtliche Wadenkrämpfe, die in der Schwangerschaft ebenfalls häufiger unangenehme Begleiterscheinung sind, sinnvoll sein kann. Während bis zu 80 Prozent der Schwangeren insbesondere in der Frühschwangerschaft über Übelkeit, teils auch Erbrechen klagen (Emesis gravidarum), wobei kleinere, leichtere Mahlzeiten und Teezubereitungen mit Ingwer, Fenchel, Hopfen, Melisse, Pfefferminze meist Abhilfe schaffen, ist Hyperemesis gravidarum, die 0,3 bis drei Prozent aller Schwangeren trifft, keine Beschwerde mehr, sondern eine ernst zu nehmende Krankheit. Unbehandelt kann es zu Dehydratation und Elektrolytentgleisungen kommen, die potenziell lebensbedrohlich sind. Neben der Infusionstherapie mit zucker-, elektrolyt- und vitaminreichen Lösungen im Krankenhaus kommen noch Antiemetika wie H1-Antihistaminika (Diphenhydramin oder Dimenhydrinat, das Salz aus Diphenhydramin und 8-Chlorotheophyllin sowie Doxylamin) in Betracht. Berücksichtigt werden muss, dass die Datenlage für chemische Antiemetika für die Anwendung bei Schwangerschaftserbrechen dürftig ist. Das Institut für Embryonaltoxikologie in Berlin empfiehlt Doxylamin als Mittel der Wahl. Eine kanadische Studie zeigte eine signifikante Verbesserung, wobei insbesondere auch die Kombination mit Vitamin B6 (Pyridoxin-HCl) sinnvoll ist. Da auf dem deutschen Markt kein Arzneimittel explizit für die Indikation „Schwangerschaftserbrechen“ zugelassen ist, sollte eine Empfehlung möglichst nur nach strenger Abwägung und möglichst unter Rücksprache mit dem Gynäkologen erfolgen. Homöopathen empfehlen alternativ beispielsweise Arsenicum album D12 oder Tabacum D12.
  • im Mundraum: Nicht nur, dass es zu übermäßigem Speichelfluss kommen kann (Mediziner sprechen von Ptyalismus gravidarum), auch die Zusammensetzung des Speichels ändert sich. Der pH-Wert sinkt, es kommt zu vermehrter Kalzium- und Fluoridmobilisation, die Kariesanfälligkeit steigt. Der bekannte Spruch „Jedes Kind kostet einen Zahn“ gilt so zwar heute nicht mehr, dennoch sollten notwendige Zahnsanierungen möglichst vor der Schwangerschaft vorgenommen und beendet worden sein. Die erhöhte Entzündungsanfälligkeit aufgrund der hormonellen Veränderungen führt gerne zu einer Zahnfleischentzündung (Gingivitis). Zur Vorbeugung sollte eine weiche Zahnbürste, Zahnseide sowie die Nutzung adstringierender oder desinfizierender Mundspülungen mit Chlorhexidin oder Hexetidin, womöglich auch gerbstoffhaltige Tinkturen zur Spülung oder Pinselung, empfohlen werden.

Nicht vergessen werden sollte: Im mütterlichen Stoffwechsel entwickelt sich mit voranschreitender Schwangerschaft eine zunehmende Insulinresistenz, die sich bei einigen Frauen als Gestationsdiabetes manifestiert. Meist ist dieser gut mit diätetischen Maßnahmen zu beherrschen, unter Umständen muss aber doch Insulin gespritzt werden. Nach der Geburt verschwindet der Diabetes sofort, allerdings besteht für Betroffene ein erhöhtes Risiko, später an Typ-2-Diabetes zu erkranken.

Verringerte Fruchtbarkeit Zehn bis fünfzehn Prozent aller Paare in Deutschland leiden unter unerfülltem Kinderwunsch. Das Themengebiet nimmt einen breiten Raum ein und dennoch wird über dieses hochsensible Thema gerne geschwiegen. Bei regelmäßigem, ungeschütztem Geschlechtsverkehr werden normalerweise 90 bis 95 Prozent der Frauen innerhalb eines Jahres schwanger.

DAS FÖRDERT DIE FRUCHTBARKEIT
+ eine gesunde, ausgewogene Ernährung
+ Vermeidung von starkem Über- oder Untergewicht
+ wenig / kein Alkohol
+ nicht rauchen
+ Abbau körperlicher, sozialer und psychischer Stressfaktoren (ev. Psychotherapie, Entspannungstechniken. Selbsthilfegruppen nutzen)
+ regelmäßiger, ausreichender Schlaf
+ Körperliche (leichte sportliche) Aktivität

Passiert dies nicht, wird dies als Subfertilität bezeichnet und betroffene Paare sollten bei Kinderwunsch umgehend Hilfe beim Gynäkologen suchen. Zwar sinkt auch mit dem Alter die Fruchtbarkeit von Mann und Frau. Echte Unfruchtbarkeit (Infertilität) mit Null Prozent Fortpflanzungschance ist jedoch ausgesprochen selten. Dazu müssten entweder beim Mann keine Spermien, bei der Frau keine Gebärmutter, keine Eierstöcke oder keine Eizellproduktion vorhanden sein.

»Im mütterlichen Stoffwechsel entwickelt sich mit voranschreitender Schwangerschaft eine zunehmende Insulinresistenz, die sich bei einigen Frauen als Gestationsdiabetes manifestiert.«

Statistisch liegt die Ursache für die Subfertilität zu etwa 40 Prozent beim Mann, zu weiteren circa 40 Prozent bei der Frau, beim Rest liegt es an beiden Partnern. Ursache bei Frauen sind häufiger Verwachsungen/Verklebungen oder ein Verschluss der Eileiter, seltener Fehlbildungen der Vagina, des Uterus, eine Endometriose (Gebärmutterschleimhaut am falschen Ort) oder Myomknoten am Uterus – alles Ursachen, die chirurgisch behoben werden können – oder eben hormonelle Störungen. Insbesondere wenn eine Frau einen unregelmäßigen oder deutlich längeren Rhythmus hat, sollte der Hormonstatus abgeklärt werden.

Zu den hormonellen Ursachen zählen neben der Ovarialinsuffizienz, bei der die Eierstöcke aufgrund eines Fehlers im Regelkreislauf zwischen Hypthalamus, der Hirnanhangsdrüse und eben den Ovarien ihre Funktion nur noch ungenügend oder gar nicht mehr erfüllen, auch die Hyperprolactinämie, bei der zu viel Prolactin gebildet wird. Zudem können auch eine vermehrte Produktion von männlichen Sexualhormonen (Hyperandrogenämie) oder Schilddrüsenerkrankungen wie eine Hypo- oder Hyperthyreose vorliegen, welche jeweils die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.

Zu den Ovarialinsuffizienzen gehört das Polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS), bei dem die Eierstöcke voll mit Eizellen stecken, da die „innere Uhr“ der betroffenen Frauen nicht funktioniert. Das PCOS gilt als die häufigste hormonelle Störung, es sind circa fünf bis zehn Prozent aller europäischen Frauen im gebärfähigen Alter betroffen. Vor allem Übergewichtige scheinen öfter darunter zu leiden, da die extra Kilos wiederum eine Resistenz gegen Insulin nach sich ziehen. Die Eierstöcke reagieren auf den erhöhten Insulinspiegel.

Aber auch Veranlagungen, also genetische Faktoren, scheinen eine Rolle zu spielen. Zunächst wird der Arzt dann den Schweregrad der Ovarialinsuffizienz mit Hilfe von Urin- und Bluttests, Messung der Basaltemperatur und seriellen Ultraschalluntersuchungen der inneren Geschlechtsorgane bestimmen. Bei einer vermuteten Schilddrüsenerkrankung als Ursache gehört zumindest die TSH-Bestimmung (TSH = Thyroidea-stimulierendes Hormon) zur Routinediagnostik bei Fertilitätsstörungen.

Teil 1 finden Sie hier, das große Thema der zweiten „Wechseljahre“ mit der Menopause wird im dritten Repetitoriumsteil besprochen.

ZUSATZINFORMATIONEN
Therapie: Um die hormonellen Ursachen anzugehen, also den Zyklus der Frau wieder zu normalisieren, stehen eine ganze Reihe medi¬kamentöser Optionen zur Verfügung. Bei Hypothyreosen können L-Thyroxin und bei einer Hyperprolactinämie Dopaminrezeptoragonisten wie Bromocriptin eingesetzt werden. Auch Corticosteroide oder das Diabetesmedikament Metformin (Off-Label-Use bei PCO-Syndrom, da für diese Indikation nicht zugelassen) kommen je nach individuellen Gegebenheiten in Frage.

Bei Ovarialinsuffizienz wird im Fall des Kinderwunsches zunächst versucht die Eierstöcke zu stimulieren, also das Heranreifen der Follikel zu fördern. Hier ist Clomifen in einer Dosierung von 50 Milligramm über fünf Tage (Tag fünf bis neun des Zyklus) der Standard. Hilft diese unspezifische Methode nicht können Präparate mit den Gonadotropinen FSH (Follikel-stimulierendes Hormon) und / oder LH (luteinisierendes Hormon), manchmal auch deren Mischung, nämlich das hMG (humanes Menopausengonadotropin) gespritzt werden, um die Eizellen reifen zu lassen. Mithilfe einer Injektion von hCG (humanem Choriongonadotropin) werden nach sieben bis zwölf Tagen die Ovarien zum Eisprung veranlasst.
 
Die Befruchtung erfolgt dann „terminiert“, also zum optimalen Zeitpunkt, durch Geschlechtsverkehr oder Insemination (Übertragung der vom Mann gewonnenen, aufbereiteten Spermien direkt in die Gebärmutter). Manchmal werden für die Kinderwunschbehandlung auch Hormone notwendig, die normalerweise vom Gehirn (Hypothalamus) gebildet werden, etwa GnRH (Gonadotropin releasing Hormon = Gonadotropin freisetzendes Hormon) selbst oder synthetische GnRH-Analoga (Agonisten und Antagonisten) mit denen die Behandlung kürzer und individuell steuerbar wird.
 
Als letztes Mittel zu einer Schwangerschaft steht die In-vitro-Fertilisation („künstliche Befruchtung“, also Befruchtung einer Eizelle mit dem aufgereinigten Samen des Mannes außerhalb des Körpers) in Deutschland zur Verfügung. Der Embryo wird dann an Tag fünf nach der Reagenzglasbefruchtung, die mittlerweile häufig als ICSI (Intracytoplasmatische Spermieninjektion – das Spermium wird mit einer Mikropipette unter dem Mikroskop direkt in eine Eizelle, also in das Zytoplasma, injiziert) durchgeführt wird, wieder in die Gebärmutter eingesetzt (Embryonentransfer).

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/15 ab Seite 76.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Fach-Journalistin

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