Frau trinkt aus Tasse © Lordn / iStock / Getty Images
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HEILPFLANZEN-UPDATE

Während noch vor wenigen Jahren selbst unkomplizierte Harnwegsinfektionen leitliniengerecht stets mit Antibiotika behandelt wurden, setzt man heute zunehmend auf pflanzliche und andere Alternativen.

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Harnwegsinfektionen werden am häufigsten durch Escherichia coli-Spezies verursacht, die aus dem Darm in die Harnröhre einwandern. Die Erkrankung zählt zu den häufigsten Infektionen und führte daher zu einem hohen Antibiotikaverordnungsvolumen. Die Folge ist ein deutlicher Anstieg der Antibiotikaresistenzen.

Dazu kommt, dass die verwendeten Antibiotika nicht nur auf die Erreger des Harnwegsinfektes, sondern auch auf die gar nicht an der Infektion beteiligte, physiologisch vorkommende Mikrobiota einen gewissen Selektionsdruck ausüben. Die aktualisierte S3-Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlich Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) verfolgt daher das Ziel, bewusster mit Antibiotika bei Harnwegsinfektionen umzugehen und gegebenenfalls darauf zu verzichten, um unnötige Behandlungen zu vermeiden und Resistenzen zu verhindern.

Hohe Spontanheilungsrate Auch ohne Behandlung heilen unkomplizierte Harnwegsinfekte nach etwa einer Woche in 30 bis 50 Prozent der Fälle wieder ab. Allerdings sollte man sich darauf nicht verlassen, die Infektion kann auch in Richtung Nieren aufsteigen. Noch dazu ist die Erkrankung unangenehm und mit einem hohen Leidensdruck verbunden. Das Ziel sollte daher primär sein, die klinischen Symptome, also im Wesentlichen die Schmerzen und den häufigen Harndrang, rasch zum Abklingen zu bringen. Daher empfiehlt die Leitlinie heute bei leichten bis mittelgradigen Beschwerden auch an alternative Therapien zur Antibiotikabehandlung zu denken.

Pflanzliche Alternativen Sehr häufig werden Pflanzen, die reich an Flavonoiden sind, eingesetzt. Dazu zählen vor allem Goldrute, Hauhechel und Orthosiphon, deren Extrakt als fixe Kombination erhältlich ist. Goldrutenextrakt ist auch als Monopräparat auf dem Markt und wird dann vor allem zur längerfristigen Behandlung bei häufig wiederkehrenden Harnwegsinfektionen eingesetzt. Der Extrakt des Goldrutenkrautes wirkt diuretisch, sodass die Krankheitserreger durch die gesteigerte Harnmenge rasch aus der Blase gespült werden. Zusätzlich wird der Goldrute eine antibakterielle und entzündungshemmende Wirkung zugeschrieben. Sie eignet sich nicht zuletzt auch wegen ihrer spasmolytischen Wirkkomponente für den Einsatz bei einer Blasenentzündung.

Auch Hauhechelwurzelextrakt verfügt über ein diuretisches Potenzial. Zur schnellen Linderung der Symptome, insbesondere der Schmerzen beim Wasserlassen, trägt sein analgetischer Effekt bei. Orthosiphonblätterextrakt enthält ebenfalls diuretisch wirksame Flavonoide. In Studien konnte nachgewiesen werden, dass Orthosiphonextrakt die Fähigkeit der Bakterien zur Anheftung und Invasion in die Blasenzellen signifikant reduziert und so eine effektive Ausspülung gewährleistet. Darüber hinaus kann der Extrakt die Biofilmbildung der pathogenen Bakterien senken.

Dies beugt der Bildung von Rezidiven vor. In der Fixkombination ergänzen und verstärken sich die drei Heilpflanzen durch das Zusammenspiel ihrer pharmakologischen Effekte. Die Wirksamkeit der Dreierkombination ist durch klinische Studien belegt. Sowohl die Keimzahlreduktion als auch die Linderung der Beschwerden beim Wasserlassen (Schmerzen, Brennen) konnten in einer doppelblinden, randomisierten Studie nachgewiesen werden, an der 200 Patientinnen mit unkompliziertem Harnwegsinfekt teilnahmen. Die Symptome reduzierten sich bereits nach einem Tag deutlich.

Krampflösend, schmerzstillend, harntreibend Auch die Kombination von Rosmarin, Liebstöckel und Tausendgüldenkraut hat sich bei unkomplizierten Harnwegsinfekten bewährt. Rosmarin enthält ätherische Öle, aber auch Gerb- und Bitterstoffe sowie Flavonoide. Es wird traditionell zur Anregung des Harnflusses eingesetzt und besitzt krampflösende und schmerzlindernde Eigenschaften. Die Liebstöckelwurzel mit ihren ätherischen Ölen wirkt ebenfalls krampflösend, dazu entzündungshemmend. Tausendgüldenkraut ist eine Bitterstoffdroge, die darüber hinaus Flavonoide und Phenylpropane enthält.

Die Fixkombination der drei Extrakte verfügt über ein Wirkungsspektrum, das von antiphlogistisch, analgetisch, spasmolytisch bis zu antiadhäsiv und antibakteriell bei gleichzeitig guter Verträglichkeit reicht. Auch hierzu liegen aussagekräftige Studienergebnisse vor. Durch die genannten Wirkungen lassen das Brennen und die Schmerzen beim Wasserlassen sowie die Krämpfe im Unterleib nach. Pathogene Bakterien können sich nicht so leicht an die Schleimhäute der Harnwege anheften. Außerdem werden sie in ihrem Wachstum gehemmt. Die Dreierkombination ist auch eine sinnvolle Empfehlung als Therapieergänzung zu einem eventuell notwendigen Antibiotikum, da es nachweislich schneller zur Symptomlinderung kommt. Als Nachsorge genommen senkt sie das Risiko wiederkehrender Blasenentzündungen.

Mit Hydrochinon gegen die Bakterien Die antibakterielle Wirkung der Bärentraubenblätter ist auf den Hauptinhaltsstoff Arbutin zurückzuführen. Arbutin ist ein Prodrug, das vom Dünndarm aufgenommen, anschließend in der Leber zu Hydrochinonverbindungen umgewandelt wird, die schließlich über die Niere ausgeschieden werden. Die uropathogenen Bakterien nehmen diese Hydrochinonkonjugate aus dem Urin auf und spalten sie intrazellulär in freies Hydrochinon. Dies ist der eigentliche Wirkstoff. Freies Hydrochinon tötet Bakterien wie E. coli ab. Die auch noch in den Bärentraubenblättern enthaltenen Tannine ergänzen die antibakterielle Wirkung. Durch ihre antiadhäsive Wirkung finden die uropathogenen Keime keinen Halt mehr an der Blasenwand und werden beim Wasserlassen ausgespült. Da die Spaltung zum freien Hydrochinon enzymatisch in der Bakterienzelle geschieht, ist eine Alkalisierung des Harns – wie früher empfohlen – nicht notwendig.

Weitere Therapioptionen Die fixe Kombination aus Kapuzinerkresse und Meerrettich kann wegen der enthaltenen Senföle und deren antibakterieller Eigenschaften ebenfalls bei akuten unkomplizierten Harnwegsinfekten sowie zur Rezidiv-Prophylaxe eingesetzt werden. Auch der Einfachzucker D-Mannose eignet sich oral eingenommen zur Vorbeugung wiederkehrender Zystitiden, kann aber auch zusätzlich zum Antibiotikum eingenommen werden. Er lagert sich auf der Oberfläche der pathogenen Bakterien an und verhindert deren Adsorption an der Blasenwand.

Neu ist ein Produkt, das D-Mannose und Laktobazillen kombiniert. Die Laktobazillen gelangen über den Darm in die Harnwege und stabilisieren dort das Bakteriengleichgewicht. Die Ansiedlung pathogener Keime wird erschwert. Ein Produkt, das Xyloglucan-​Gelatine, Hibiskus und Propolis enthält, setzt an Blase und Darm an. Die Xyloglucan-Gelatine bildet im Darm einen auf Proteinen basierenden Film, der das Anhaften und damit die Verbreitung von Krankheitserregern erschwert. Gleichzeitig wird der Harn durch die in Hibiskus und Propolis enthaltenen Säuren angesäuert, was die Vermehrung der uropathogenen E. coli-Bakterien hemmt.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/18 ab Seite 126.

Sabine Breuer, Apothekerin/Chefredaktion

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