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'Der Glaube versetzt eben doch Berge.'

HEILENDE GEDANKEN

Der Placebo-Effekt hat eine ganze Reihe neurobiologischer Grundlagen. Dabei lassen sich einige wenige Grundprinzipien erkennen.

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Kennen Sie das auch? Die ständig wachsende Zahl an Mittelchen und Anwendungen, die angeblich gesundheitsfördernd wirken sollen, deren tatsächliche medizinische Wirksamkeit aber höchst zweifelhaft ist und oft keiner wissenschaftlichen Überprüfung standhält? Gleichwohl berichten Patienten häufig vom subjektiv empfundenen Nutzen solcher Präparate, und oft haben sie damit auch objektiv recht. Erklären läßt sich dies in vielen Fällen durch den Placebo-Effekt.

Als Placebo bezeichnet man Scheinpräparate ohne Wirkstoff. Diese werden in der medizinischen Forschung Patienten einer Kontrollgruppe gegeben, um durch einen statistischen Vergleich von deren diagnostischen Daten mit denen einer Testgruppe auf die allein auf den dieser Testgruppe verabreichten Wirkstoff beruhenden Effekte zu schließen. Häufig zeigen sich dabei auch in der Kontrollgruppe positive Effekte, Placebo-Effekte eben.

Dieser ist dabei kein einheitliches Phänomen sondern eher eine Gruppe verschiedenster Effekte, je nach Studiendesign und Krankheitsbild. Allen gemein ist, dass sie auf neuronalen Mechanismen im Gehirn beruhen, zum einen auf bestimmten Erwartungshaltungen des Patienten, zum anderen auf klassischer Konditionierung: Das bedeutet, wenn ein Patient erwartet, dass ein Präparat seine Schmerzen senken wird, dann kann allein diese Erwartung einen schmerzlindernden Effekt haben.

Im Falle einer Konditionierung würde ein Placebo, das gemeinsam mit dem wirksamen Präparat eingenommen wird, nach Absetzen des Präparats den Effekt alleine auslösen. Placebo-Effekte beruhen auf einer Fülle echter, messbarer physiologischer Effekte: Schmerzlindernde Placebowirkungen etwa beruhen auf Veränderungen in der Aktivität verschiedener Hirnregionen in bestimmten Bereichen des Präfrontalen Kortex, limbischen Systems und des periaquäduktalen Graus im Mittelhirn, welches die Ausschüttung körpereigener Opiate (Enkephaline) in den Raphe-Kernen des Hirnstamms bewirkt, welche dann über absteigenden Bahnen Serotonin im Hinterhorn des Rückenmarks ausschütten und so direkt die Weiterleitung von Schmerzreizen ins Gehirn unterdrücken können.

Diese Placebowirkung ist sogar durch Antagonisten der Opiatwirkung wie etwa Naloxon zu blockieren, ein Beweis für die echte physiologische Wirkung des Placebos. Weitere bekannte Placebo-Effekte sind die Dopaminausschüttung aus den Basalganglien bei Parkinson oder Aktivierungen oder Hemmungen verschiedener Bereiche des limbischen Systems bei Depressionen oder Angstneurosen. Darüber hinaus sind, gesteuert von zentralnervösen Mechanismen, etwa über die Ausschüttung von Hormonen auch Wirkungen auf nahezu alle anderen Organsysteme beschrieben.

Also, der Glaube versetzt manchmal eben doch Berge und man geht mehr und mehr dazu über, das gezielt therapeutisch zu nutzen – vielleicht kennen Sie das ja auch …

ZUR PERSON

Prof. Dr. Holger Schulze
Hirnforscher
Holger.Schulze@uk-erlangen.de

Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg
sowie auswärtiges wissenschaftliches Mitglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg.
Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens.
www.schulze-holger.de

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/13 auf Seite 12.

 


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