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PKA-Fortbildung 05 - 06/2015

HAUSTIERE

Der Heimtiergesundheitsmarkt boomt und wird doch immer von vielen Apotheken vernachlässigt – eine gute Profilierungschance für PKA! Als Einstieg wird hier ein Überblick über die wichtigsten Pflege-, aber auch Arzneimittelgruppen gegeben.

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Mehr als 22 Millionen Heimtiere leben in über einem Drittel aller deutschen Haushalte. Fast 9 Millionen Katzen, 6 Millionen Hunde und mehr als 5,7 Millionen Kleintiere laut Industrieverband Heimtierbedarf sprechen eine deutliche Sprache. Jeder dritte Apothekenkunde könnte – statistisch gesehen – somit auch Heimtierbesitzer sein! Ein guter Grund, sich mit diesem Zukunftsmarkt eingehender zu beschäftigen.

Die notwendige Portion Recht! Tierarzneimittel sind Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Tierkrankheiten bestimmt sind. Im derzeit gültigen Arzneimittelgesetz werden an verschreibungs- und apothekenpflichtige Tierarzneimittel die gleichen hohen Anforderungen, was Qualität, Wirksamkeit, Unbedenklichkeit – die notwendige Zulassung – angeht, gestellt wie bei Humanarzneimitteln. Hinzu kommen zahlreiche Besonderheiten.

Exemplarisch drei Beispiele: Bei der Kennzeichnung ist etwa der Vermerk „Für Tiere“ notwendig beziehungsweise es müssen genau die Tierarten, für die das Tierarzneimittel bestimmt ist, angegeben sein. Teilweise tragen Tierarzneimittel im Namen das Kürzel „ad us. vet.“, also die Kurzform von „ad usum veterinarium“, auf deutsch „zum tierarzneilichen Gebrauch“. Vertrieben werden dürfen diese Tierarzneimittel (auch hier existieren Ausnahmen wie die Spezialform Fütterungsarzneimittel) direkt durch den Tierarzt (tierärztliches Dispensierrecht) sowie durch die Apotheke. Bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln besteht eine Nachweispflicht über Erwerb und Abgabe, eine genaue Dokumentation ist notwendig.

Ganz anders verhält es sich bei Tierpflegemitteln. Unter den Begriff des Tierpflegemittels, von manchen gern auch mal „Tierkosmetikum“ genannt, fallen nur Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die ausschließlich dazu bestimmt sind, äußerlich am Tier zur Reinigung oder Pflege oder zur Beeinflussung des Aussehens oder des Körpergeruchs angewendet zu werden. Verständlicherweise dürfen ihnen – ganz wie bei der Humankosmetik auch – keine Stoffe zugesetzt sein, die vom Verkehr außerhalb der Apotheke ausgeschlossen sind.

Als wesentliches Abgrenzungskriterium zwischen den beiden Gruppen (Tierarzneimittel oder Tierpflegemittel) gilt, dass bei Arzneimitteln eine „nennenswerte“ Einwirkung auf den Stoffwechsel oder eine „wirkliche“ Beeinflussung der Funktionsbedingungen des Tierkörpers vorliegt. Als besondere Erleichterung existiert für freiverkäufliche Tierarzneimittel, die ausschließlich zur Anwendung bei Zierfischen, Zier- oder Singvögeln, Brieftauben, Terrarientieren, Kleinnagern oder Frettchen und nicht der Gewinnung von Lebensmitteln dienenden Kaninchen bestimmt sind, der § 60 AMG Heimtiere: Sie sind – solange keine unmittelbare oder mittelbare Gefährdung der Gesundheit von Mensch oder Tier besteht – von der Zulassungspflicht befreit und es wird vom Gesetzgeber auch kein expliziter Sachkenntnisnachweis zum Verkauf gefordert.

Breite Themenpalette Eine Sonderplatzierung von Tiergesundheitsprodukten ist für die Ansprache von Heimtierbesitzern äußerst hilfreich. Es gilt, die gängigsten gesundheitlichen Probleme der Tiere, etwa Parasitenbefall bei Hund und Katze, insbesondere Flöhe, Zecken, Haarlinge, außerdem Durchfallerkrankungen, kleinere Wunden, offene Pfötchen oder Futtermittelallergien, abzudecken. Zum anderen können Produkte, die der Gesunderhaltung und Pflege des Tieres dienen, wie Zahnpflegeprodukte, Hygiene-Artikel, etwa zur Ohrreinigung, Ungezieferschutz, aber auch Vitamine, Mineralstoffe und Nahrungsergänzungsmittel, angeboten werden. Tatsächlich werden Themen wie Allergien, Hautempfindlichkeit, Übergewicht, Diabetes oder Alterserscheinungen auch von Tierbesitzern immer mehr berücksichtigt.

Wesentliche Fakten in Kürze Erhöhte Reiseaktivität, urbane Entwicklung, Klimawandel und Globalisierung steigern den Ungezieferbefall. Bei der häufigen Bedrohung durch Parasiten wird zwischen Endoparasiten (Innen-Schmarotzer, wie Würmer, Protozoen) und Ektoparasiten (Außen- Schmarotzer, wie Flöhe, Zecken, Haarlinge, Milben, Stechmücken) unterschieden. Konsequentes Vorgehen ist gegen alle Schädlinge wichtig. Gegen die verschiedenen Parasiten gibt es Tabletten, Spot-on-Lösungen und Halsbänder sowie Sprays, teilweise auch Shampoos auf dem Markt.

Tierhalter kaufen Antiparasitika zu 76 Prozent direkt in der Apotheke, ohne vorher den Tierarzt zu fragen. 70 Prozent dieser Antiparasitika-Nutzer suchen Produkte, die gleichzeitig mehrere Parasitenarten bekämpfen (besonders Zecken, Flöhe, Haarlinge). Nach jeder Behandlung sollte weiterhin eine regelmäßige Kontrolle angeraten werden.

Würmer – was tun? Würmer, von denen es circa 3500 verschiedene Arten weltweit gibt (besonders weit verbreitet hierzulande sind Bandwürmer, Spul-, Haken-, Peitschenwürmer), sind wenige Millimeter bis Meter lang. Sie verursachen unter anderem Mangelversorgung, Verdauungsprobleme, Lethargie, glanzloses, struppiges Fell, können aber auch die Gesundheit der Tiere ernsthaft gefährden. Infektionen mit Würmern können via Tierkontakt auch beim Menschen zu teils lebensgefährlichen Erkrankungen führen.

Entfernung: Entwurmungsmittel (Tabletten, Pasten, teils Spot-on-Produkte) führen zur Abtötung und Ausscheidung der Würmer. Tabletten sollten in etwas Fleisch oder Wurst versteckt werden, Pasten haben den Vorteil, dass sie relativ einfach und in einer dem Körpergewicht angepassten Dosis verabreicht werden können. Die meisten Wurmmittel sind auch für den Einsatz bei Haustieren verschreibungspflichtig.

Vorbeugung: Lebenslange Entwurmungskuren gegen alle relevanten Würmer etwa alle drei Monate, bei hohem individuellem Risiko zusätzlich alle vier bis sechs Wochen gegen Bandwürmer verhindern den Befall. Floh- und Haarlingsbefall zu vermeiden, hilft zusätzlich.

KLEINE ZUSATZLEISTUNGEN
Steht beispielsweise für die tierischen Begleiter der Kunden ein Wassernapf bereit, damit nach einem Spaziergang „aufgetankt“ werden kann oder werden dem Vierbeiner Hundeleckerli oder auch kostenfrei Kaustreifen zum Probieren angeboten und damit für die richtige Zahnpflege gesorgt, erhöht dies meist deutlich die Frequenz des Kommens von Tierbesitzern. Auch Tierzeitschriften bilden neben der aktiven Hilfe bei Krankheiten, Parasitenbefall einen Anziehungspunkt für Tierbesitzer.

Zecken – was tun? Zecken (Überfamilie Milben, Klasse Spinnentiere) sind Überträger zahlreicher Krankheitserreger (Borrelien, Anaplasmen, Babesien, Frühsommer-Meningoenzephalitis-, kurz FSME-Viren etc.). Die Babesiose (Hundemalaria) gewinnt hierzulande an Bedeutung. Sowohl Borreliose als auch FSME können durch den Tierkontakt auch beim Menschen zu schwerwiegenden Erkrankungen führen.

Entfernung: Mit Hilfe einer guten Zeckenzange, Zeckenkarte herausziehen.

Vorbeugung: Repellents beziehungsweise zugelassene Insektizide (Spot-on-Produkte, Zeckenhalsbänder) halten Erreger ab, indem sie diese lähmen oder das Geruchssystem der Zecken irritieren. Die Wirkdauer unterscheidet sich bei den einzelnen Produkten.

Flöhe – was tun? Flöhe (Insekten mit Sprungbeinen) von denen es circa 2500 verschiedene Arten gibt, sind insbesondere Überträger des gefährlichen Gurkenkernbandwurms sowie der Erreger der Katzen-Kratz-Krankheit. Ein Flohbefall wird häufig erst nach Wochen erkannt, sodass die sprunghafte Vermehrung bereits voll im Gang ist: Bei 40 Eiern, die ein Floh täglich legt, sind nach vier Wochen schon tausende „Nachkommen“ im Haus.

Entfernung: Erfolgt gezielt und systematisch mithilfe eines Vier-Punkte-Programms: Abtötung aller Flöhe, inklusive Puppen, Larvenstadien, Eier am Tier (Shampoo, Puder, Spray) sowie Abtötung aller Flöhe, inklusive Puppen, Larven, Eier in der Umgebung (Umgebungsspray, Fogger). Die Umgebungsbehandlung ist essenziell, da nur fünf Prozent der Flöhe sich auf dem Tier aufhalten. 95 Prozent der Eier, Larven, Puppen befinden sich in der Umgebung. Entwurmung des Tieres (Tabletten, Spot-on) nicht vergessen!

Vorbeugung: Hier helfen Repellents (Wirkstoffimprägnierte Halsbänder, Spot-on-Produkte), wobei sich gegen Flöhe die Spot-on-Produkte am meisten durchgesetzt haben. Der Inhalt einer kleinen Tube wird komplett unter das Fell auf die Haut des Tieres aufgebracht. Eine günstige Stelle ist die Haut zwischen den Schulterblättern, da die Tiere dort nicht lecken können. Der Wirkstoff wird über die Talgdrüsen mehrere Wochen lang über das Fell und die Haut abgegeben und tötet saugende Flöhe ab (Langzeitschutz).

Haarlinge – was tun? Haarlinge (flügellose Insekten, die ihr gesamtes Leben auf dem Wirtstier verbringen, Untergruppe der Läuse) sind im Gegensatz zu Zecken und Flöhen keine Blutsauger und werden auch nicht auf den Menschen übertragen.
Entfernung und Vorbeugung: Regelmäßige Fellpflege sowie zugelassene Insektizide (meist Spot-on-Produkte) helfen.

ZUSATZINFORMATIONEN
Reinigungsmittel
Mit ein bisschen Recherche im Internet sind sehr gute Informationen zu Fellpflege, Ohr- und Zahnreinigung von Heimtieren erhältlich. Bei der Produktauswahl sollte auf namhafte Marken sowie Reinigungsmittel ohne aggressive, womöglich irritierende Inhaltsstoffe geachtet werden. Für die Hundefellpflege empfehlen sich meist alkalifreie, unparfümierte flüssige Waschmittel / Spülungen, zum Teil Trockenshampoos. Allerdings sollte das Baden eines Hundes oder einer Katze mit Seifen / Shampoos eher die Ausnahme bleiben – etwa bei stärker empfindlicher, gereizter Tierhaut.
 
Bei der Fellpflege langhaariger Hunde- oder Katzenrassen mit Bürsten, Striegeln und Kämmen helfen in schwierigen Fällen Haarentfilzerkonzentrate / shampoos beziehungsweise Anti-Knoten-(Trocken)sprays. Ohrreinigungslösungen, die Ohrenschmalz lösen und entzündungshemmend wirken, sind bei Tieren mit Hänge- oder Halbstehohren auf Grund der schlechteren Belüftung im Vergleich zu Haustieren mit Stehohren häufiger anzuwenden.

Gegen Zahnbelag, Zahnstein und schlechten Atem, existieren zahlreiche Zahn-Reinigungs- und -pflegeprodukte, die beispielsweise auch dem Futter beigegeben werden können. Da Hunde im Winter durch Streusalz öfter an offenen Pfötchen leiden, hilft es die Pfoten des Tiers mit Vaseline oder auch einer speziell schützenden Pfotencreme einzucremen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/15 ab Seite 106.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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