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Verstopfung

FEHLENDER SCHWUNG

Fast jeder leidet ab und zu einmal unter Obstipation, zum Beispiel an Feiertagen, an denen viel, gut und fett gegessen wird. Chronisch schränkt sie die Lebensqualität jedoch stark ein.

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Zwischen Magenausgang und After liegen bei jedem Menschen etwa acht Meter schlingenförmig angeordneter Darm zur Verdauung der Speisen. Der Darm resorbiert wichtige Nährstoffe aus der Nahrung, wobei die unverdaulichen Reste als Kot ausgeschieden werden. Der Dünndarm ist der erste Darmabschnitt nach dem Magenpförtner und mit drei bis sechs Metern auch der längste. Hier findet der Hauptteil der Verdauung statt. Im anschließenden Dickdarm hingegen werden Elektrolyte und Wasser resorbiert, schädliche Keime und Bakterien bekämpft und schließlich der Stuhl bis zum Kotabsatz gespeichert.

Im zum Dickdarm gehörenden Enddarm schließlich befindet sich der eigentliche Darmauslass mit der Schließmuskelkonstruktion. Eine Verstopfung kann ihre Ursachen überall in diesem Darmsystem haben. Ist die Darmperistaltik so reduziert, dass der Kot den Darm nur extrem langsam passiert, spricht man von kologener Verstopfung . Liegt hingegen eine Funktionsstörung im Enddarmbereich vor, handelt es sich um eine anorektale Verstopfung (Entleerungsstörung oder outlet obstipation). Die meisten Verstopfungen sind allerdings kologenen Ursprungs.

Drei Mal pro Woche? Viele Menschen meinen, nur täglicher Stuhlgang sei normal und greifen daher zu Abführmitteln, obwohl es gar nicht nötig wäre. Denn der Toilettengang ist etwas sehr Individuelles. Generell gilt: Ist der Stuhlgang regelmäßig und liegen keine anderen Symptome wie Bauchschmerzen, Völlegefühl, Übelkeit oder aufgetriebener Bauch vor, ist in der Regel alles in Ordnung. Wenn der Stuhlgang immer schon selten war, aber von der Konsistenz her normal ist und ohne Beschwerden ausgeschieden werden kann, gibt es keinen Grund zur Beunruhigung.

Von einer Verstopfung (Obstipation) spricht man erst dann, wenn seit mehr als drei Monaten mindestens zwei der folgenden Kriterien vorliegen:

  • Stuhlgang seltener als drei Mal pro Woche
  • erschwerter Kotabsatz (harter Stuhl, Schmerzen)
  • unvollständiger Kotabsatz.

Kot ist ein Abfallprodukt, das ausgeschieden werden muss. Dennoch besteht auch bei seltenem Stuhlgang keine Gefahr, sich damit von innen zu vergiften.

Jeder Dritte fühlt sich unwohl Laut Gastro Liga e.V. haben 30 Prozent aller Deutschen das Gefühl, einen trägen Darm zu haben. Dass Frauen dabei wesentlich häufiger betroffen sind als Männer, liegt zum einen daran, dass ihr Bindegewebe schwächer ist und damit tatsächlich der Darm früher träge werden kann. Zum anderen nehmen sie ihren Körper aber meist intensiver wahr

Schlapper Darm in hektischen Zeiten Ein träger Darm ist häufig die Folge unseres heutigen Lebensstils, der oft durch einen Mangel an Bewegung, geringe Flüssigkeitszufuhr und falsche Ernährung gekennzeichnet ist. So führt zu wenig körperliche Bewegung dazu, dass die Peristaltik des Darms nicht mehr so aktiv ist wie gewöhnlich.

Ein Mangel an Flüssigkeit und ballaststoffarme Speisen verschärfen dieses Problem noch, denn so wird das Stuhlvolumen nicht groß genug, um die Darmwand zu dehnen und dadurch die Peristaltik anzuregen. Als Folge verbleibt der Kot zu lange im Darm, wobei ihm Flüssigkeit entzogen wird und sich sein Volumen noch mehr verringert. Schließlich kommt der Stuhl extrem hart und verdichtet im Enddarm an. Das Absetzen ist dann meist nur noch durch starkes Pressen möglich, was sehr schmerzhaft sein kann.

Anorektale Ursachen
Neben einer mangelnden Darmmotilität kann die Ursache auch im Enddarmbereich liegen. Mechanische Barrieren können ein krankhaft vergrößerter Schließmuskel, symptomatische Hämorriden oder ein verkleinerter Enddarmausgang (Analstenose) sein. Manchmal ist aber auch die Signalübertragung in bezug auf den Defäkationsreflex gestört oder die Muskeln im rektalen Bereich arbeiten nur eingeschränkt. All das wird ein Arzt durch das Abtasten des Enddarmbereiches untersuchen. Zuerst einmal muss jedoch eine gründliche Anamnese erfolgen.

Stress kann eine Verstopfung ebenfalls fördern, da Hormone, die der Körper in solchen Situationen ausschüttet, die Peristaltik ebenfalls herabsetzen. Wenn dann noch regelmäßige Bewegung fehlt oder Schichtarbeit den Rhythmus des Körpers zusätzlich durcheinanderbringt, kann es leicht zu chronischer Verstopfung kommen.

Gesund leben, viel trinken Dagegen hilft nur eine Umstellung der Lebensgewohnheiten. Um das Stuhlvolumen zu erhöhen, sollte man täglich 30 Gramm Ballaststoffe zu sich nehmen. Für das Frühstück sind dabei Getreidesorten wie Leinsamen, Obst oder Nüsse sowie Vollkornbrot besonders gut geeignet.

Später dienen Salat, Gemüse und Hülsenfrüchte als wichtige Ballaststofflieferanten. Sie gelangen unverdaut in den Darm, wo sie aufquellen und somit das Stuhlvolumen vergrößern. Um quellen zu können, müssen sie aber zusammen mit Flüssigkeit aufgenommen werden, insgesamt zwei bis drei Litern am Tag.

Darüber hinaus ist tägliche Bewegung essenziell. Man kann sie in den Alltag einbauen, also statt des Aufzugs die Treppen nehmen oder kleinere Strecken mit dem Fahrrad und nicht mit dem Auto zurücklegen. Noch besser ist jedoch regelmäßiger Sport, am besten zwei bis drei Mal pro Woche. Wer sich täglich etwa eine halbe Stunde abwechslungsreich bewegt, tut am meisten für seinen Darm. Dabei darf man aber nicht vergessen, die Flüssigkeit, die man beim Sport ausschwitzt, auszugleichen. Ein geregelter Tagesablauf mit regelmäßigen Essenszeiten hilft ebenfalls, den Darm wieder auf Touren zu bringen.

Abführmittel pro und contra Wirken ballaststoffreiche Ernährung oder Trockenfrüchte als natürliches Abführmittel nicht, kann man auf Präparate aus der Apotheke zurückgreifen. Diese Mittel wirken auf unterschiedliche Weise. Fast sofortigen Erfolg hat man mit Zäpfchen. Sie enthalten Paraffin oder Glycerin, welches die Darmwand gleitfähig macht, sodass der Kot ausgeschieden wird. Gleiches gilt für Klistiere, mit denen man Flüssigkeit in den Enddarm einführen kann.

»Abführmittel kann man passend zu den Ursachen der Verstopfung auswählen und sollte das auch tun.«

Klistiere und Zäpfchen sind aber nur dann sinnvoll, wenn sich der harte Stuhl bereits im Enddarm angesammelt hat. Ist ein chronisch träger Darm die Ursache, wirken Tabletten, Tees oder Lösungen besser. Sie müssen allerdings erst den Verdauungstrakt passieren, sodass ihre Wirkung daher etwa erst sechs bis zehn Stunden nach der Einnahme eintritt. Bitter- oder Glaubersalz halten die Flüssigkeit im Darminnern und wirken so der Verhärtung und Volumenreduktion entgegen.

Mittel mit Aloe oder ein Tee mit Sennesblättern, einem Johannisbrotgewächs, halten die Flüssigkeit hingegen nicht nur im Darminnern, sondern ziehen zudem noch zusätzlich Wasser und Elektrolyte aus der Darmwand ins Lumen. Denselben Effekt haben auch Bisacodyl und Natriumpicosulfat.

Lactulose, ein Arzneistoff, der als Sirup eingenommen werden kann, bindet Wasser und weicht den Kot damit auf. Wieder anders wirken Quellmittel. Ähnlich wie Ballaststoffe müssen sie mit viel Flüssigkeit eingenommen werden und vergrößern dann das Stuhlvolumen, sodass der Darm zum Weitertransport und zur Ausscheidung angeregt wird. Die gleichzeitige Flüssigkeitsaufnahme ist extrem wichtig, denn sonst können diese Quellmittel den Darm verlagern und im schlimmsten Fall zu einem Verschluss führen. Quellmittel sind zum Beispiel Leinsamen oder indischer Flohsamen, eine Wegerichpflanze.

Nur begrenzt verwenden Das Abführmittel kann man also passend zu den Ursachen der Verstopfung auswählen und sollte das auch tun. Bei Abführmitteln gilt jedoch generell: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Darüber hinaus sollten alle Mittel, die der Darmwand aktiv Flüssigkeit und Mineralstoffe entziehen, so dosiert werden, dass ein normaler und keinesfalls zu flüssiger Stuhl abgesetzt wird.

Entsteht Durchfall, können sie den Wasser- und Elektrolythaushalt des Körpers durcheinanderbringen. In der Folge kann es zu einem Mangel an Mineralstoffen kommen, der wiederum zum Beispiel Herz-Kreislauf-Probleme auslösen kann. Gelegentlich kann man Abführmittel ohne medizinische Betreuung anwenden; nimmt man sie häufiger ein, sollte man das auf keinen Fall ohne Rücksprache mit dem Hausarzt tun.

Wann zum Arzt Bessert sich die Verstopfung nach einer Umstellung der Lebensgewohnheiten nicht nach einiger Zeit, muss die Ursache ärztlich abgeklärt werden, da ernst zu nehmende Erkrankungen wie Morbus Crohn oder gar Darmkrebs dahinterstecken könnten. Möglicherweise entdeckt man auch eine Schilddrüsenunterfunktion, denn diese verlangsamt den Stoffwechsel und damit auch die Darmtätigkeit. Außerdem können eine Überdosierung von Vitamin D, Nikotin oder Alkohol eine chronische Verstopfung auslösen.

Die Gruppe der Medikamente, die obstipationsfördernd wirkt, ist ebenfalls lang: Dazu gehören Diuretika, Magensäureblocker, Betablocker, Antidepressiva, Schlaf- und Beruhigungsmittel sowie Opiate.

Patienten, die an Multipler Sklerose, Parkinson oder Diabetes leiden, sind häufig von Verstopfung betroffen, weil die Nervenschädigungen auch den Magen-Darm-Trakt in Mitleidenschaft ziehen. Selten sind auch Amyloidosen die Ursache, krankhafte Eiweißablagerungen an der Darmwand. Sie können erblich bedingt angeboren oder durch andere Krankheiten wie Rheuma erworben sein. Diese Eiweißablagerungen schränken die Darmtätigkeit stark ein.

Eine chronische Verstopfung ist immer ernst zu nehmen, denn sie kann den Körper schwer schädigen. So können durch das starke Pressen krankhaft veränderte Hämorrhiden oder Analfissuren (Risse im Analgewebe) auftreten, bis hin zum Darmvorfall. Im Darm selbst können sich die Divertikel, die Darmausstülpungen in der Schleimhaut, krankhaft verändern. Sie sind kotgefüllt, und wenn der Stuhl sehr hart ist, drückt er gegen die Schleimhaut, die sich hierdurch entzünden kann. Im schlimmsten Fall kann es so zur Nekrose, also dem Absterben des Gewebes, kommen.

Langer Diagnoseweg Ergeben Anamnese und Tastbefund nichts Auffälliges, folgen Labordiagnostik und bildgebende Verfahren (Ultraschall des Bauches, Darmspiegelung, Röntgen des Dickdarms mit Kontrastmittel). Sind all diese Untersuchungen ohne Befund, kann man mit weiteren bildgebenden Verfahren den Durchgang des Speisebreis durch den Verdauungstrakt untersuchen.

Doch nicht immer führen die diagnostischen Mittel zum Ziel. Besteht eine chronische Verstopfung, ohne dass eine Ursache gefunden werden kann, spricht man von einer idiopathischen Obstipation. Neben den körperlichen müssen daher auch psychische Faktoren berücksichtigt werden, denn eine chronische Verstopfung kann durchaus auch psychosomatische Ursachen haben.

Bei akuter Verstopfung sofort ins Krankenhaus
Ein Spezialfall, der sofort in ärztliche Betreuung gehört, ist die akute Verstopfung. Dabei treten zu der Kotverhaltung meist noch sehr starke Bauchschmerzen und ein aufgetriebener Bauch auf. Eine solche akute Verstopfung kann zum Beispiel durch einen Schlaganfall oder einen Bandscheibenvorfall ausgelöst werden. Dann ist der Darm gelähmt oder die Nerven sind so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass die Darmbewegungen stark reduziert werden oder ganz aufhören. Tritt eine akute Obstipation ohne diese Krankheitsursachen auf, könnte ein Darmverschluss die Ursache sein. In fortgeschrittenem Stadium wird dabei sogar Kot in den Magen und zurück in die Speiseröhre gedrückt, bis er erbrochen wird (Miserere). Spätestens jetzt besteht Lebensgefahr, die eine sofortige intensivmedizinische Betreuung unumgänglich macht.

Einen Sonderfall nimmt der Reizdarm ein, bei dem es ohne körperliche Grunderkrankung abwechselnd zu Verstopfung und Durchfällen kommt. Hierbei vermutet man die Ursache in einer Störung des Nervenleitsystems. Für Betroffene ist der Reizdarm sehr belastend, da er ihre Lebensqualität stark einschränkt. So gehen viele häufig nicht mehr aus dem Haus, weil sie ihr Stuhlverhalten nicht mehr ausreichend kontrollieren können.

Ist die Ursache für die Verstopfung auf eine Grunderkrankung zurück zu führen, muss diese zunächst therapiert werden. Bei psychosomatischen Beschwerden kann eine Psychotherapie helfen. Eine Umstellung der Lebensgewohnheiten wird immer empfohlen werden, wobei eine Ernährungsberatung sehr hilfreich sein kann. In manchen Fällen ist ein Einsatz von Abführmitteln – unter ärztlicher Aufsicht – notwendig. Dann wird das Mittel jedoch regelmäßig abgesetzt, um zu erkennen, ob seine Dosierung angepasst werden muss oder es womöglich ganz abgesetzt werden kann.

Empfehlung für die Beratung Wenn sich ein Kunde mit dem Problem Obstipation Hilfe suchend an die Apotheke wendet, gilt es zunächst abzuklären, welches seine subjektiven Beschwerden sind, ob es sich um eine akute oder eine chronische Obstipation handelt und ob eventuell ein Arzt zu Rate zu ziehen ist. Kann die Obstipation im Rahmen der Selbstmedikation behandelt werden, so eignen sich bei einer akuten Verstopfung rektal anzuwendende Laxanzien, weil sie schnell Abhilfe schaffen.

Bei chronischen Problemen sollte man nach den Lebensgewohnheiten fragen. Dabei nicht die Aufklärung über die normale Stuhlfrequenz vergessen! Insbesondere Ernährung, Trinkmenge und körperliche Aktivität sollten angesprochen werden. In den meisten Fällen wird zwar eine Änderung der Lebensgewohnheiten nicht zum Verschwinden der Obstipation führen, aber zumindest dazu beitragen. Sie dürfen ihre Kunden ruhig wissen lassen, dass dies vermutlich nicht ausreicht, aber dennoch sinnvoll ist.

Als erste Stufe der medikamentösen Behandlung eignet sich die Quell- oder Ballaststofftherapie. Bei leichten chronischen Obstipationen wird dies in vielen Fällen ausreichen. Wenn allerdings nach zweiwöchiger täglicher Quellstoffgabe noch keine Besserung eingetreten ist, wird auch die weitere Behandlung keinen Erfolg bringen. Dann sind antiresorptiv und hydragog wirkende Laxanzien indiziert.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/13 ab Seite 14.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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