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Therapiehund

DER BESTE FREUND

Hunde werden seit fast 100 Jahren zum Führen von Blinden ausgebildet. Doch sie können noch viel mehr, wie etwa Diabetikern und Epileptikern helfen und sogar Krebs erschnüffeln.

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Als Assistenzhunde bezeichnet man Hunde, die kranken oder behinderten Menschen helfen, in ihrem Alltag besser zurecht zu kommen. Die bekanntesten sind Blindenführhunde, die nach Aufforderung bestimmte Wege gehen und Hindernisse anzeigen. Außerdem müssen sie in der Lage sein, in Gefahrensituationen den Gehorsam zu verweigern.

Vor einigen Jahren kamen weitere Assistenzhunde hinzu, zum Beispiel „Signalhunde“, die Gehörlosen bestimmte Geräusche wie Telefon- oder Türklingeln durch Anstupsen anzeigen. Andere wiederum helfen Menschen mit Bewegungseinschränkungen, indem sie auf Befehl Gegenstände bringen, Schubladen öffnen oder Schuhe und Strümpfe ausziehen. All diese Tiere bringen spezielle Voraussetzungen wie Intelligenz, Gelehrigkeit, Gutmütigkeit und Wesensfestigkeit mit, müssen jedoch jede Handlung, die von ihnen verlangt wird, erst lernen.

Mit Finn fing es an Doch es gibt auch Hunde, die Menschen intuitiv helfen. So fiel auf, dass Hunde eine Unterzuckerung ihrer diabeteskranken Halter durch Unruhe und ständiges Ablecken anzeigten. In den USA begann man daraufhin 2003 mit der Ausbildung von Diabeteswarnhunden.

Der erste deutsche Diabeteswarnhund ist Finn. Sein Frauchen, Luca Barrett, wurde von ihrem amerikanischen Mann auf die Möglichkeit dieser tiergestützten Assistenz aufmerksam gemacht. Sie entschied sich für Finn, den sie hierfür aus einer spanischen Tötungsstation holte. Zwei Monate danach zeigte der Mischlingsrüde intuitiv erstmals eine Zuckerkrise an – und seitdem zuverlässig jede weitere.

Wenn er sie nachts aufweckt, indem er ihr Gesicht ableckt, weiß sie, dass sie Kohlenhydrate zu sich nehmen muss. Wie alle Diabetikerwarnhunde erkennt Finn die Hypoglykämie am veränderten Geruch im Atem und Schweiß, denn das Riechvermögen eines Hundes ist ungefähr eine Million Mal besser als das des Menschen.

Krebs erschnüffeln Zum ersten Mal fiel ein Hund mit dieser Begabung 1989 auf, der ständig intensiv am Hautkrebs seines Frauchens schnüffelte. Ähnliches ereignete sich bei einer Hundeshow, als sich das Labradorweibchen „Isabelle“ immer wieder ohne erkennbaren Grund auf die Füße einer Jurorin legte. Die Frau ging zum Arzt, der bei ihr daraufhin ein Melanom im Frühstadium diagnostizierte. Seither werden Hunde als „Krebsschnüffler“ ausgebildet, indem man sie zum Beispiel auf Atemproben konditioniert.

Besonders bei Lungenkrebs ist ihre Trefferquote mit 99 Prozent sehr hoch, bei Brustkrebs etwa zehn Prozent geringer. Andere Hunde werden auf das Erschnüffeln von Urinproben konditioniert, um Blasenkrebs zu erkennen. Dabei liegt die Treffsicherheit immerhin noch bei etwa 40 Prozent. Wahrscheinlich erkennen die Tiere Duftstoffe aus den Tumoren. Sie enthalten zum Beispiel spezielle alkalische Verbindungen, die in gesundem Gewebe nicht vorkommen.

Denkbar ist jedoch auch, dass kranke Menschen generell einen veränderten Körpergeruch haben, den die Tiere wahrnehmen. Schließlich kann ein Hund in einer Billion Duftmoleküle ein einziges herausriechen. Möglicherweise nehmen die Tiere aber auch etwas ganz anderes wahr, wie zum Beispiel Wesensänderungen. Dass dies gar nicht so unwahrscheinlich ist, zeigt der Fall der Epilepsiewarnhunde.

Hunde erkennen Anfälle Es gibt Berichte von Hunden, die ihren epilepsiekranken Haltern möglicherweise das Leben retteten, indem sie sie kurz vor einem Anfall davon abhielten, eine Treppe hinabzugehen oder in ein Auto zu steigen. Die Tiere wurden zuvor immer sehr nervös und leckten ihren Haltern ständig Hände und Gesicht. Kurz danach kam es zu einem Anfall. 15 Prozent aller Hunde, die mit Epileptikern zusammenleben, besitzen diese Gabe. Erstaunlicherweise sind es fast immer Weibchen. Wie die Tiere den drohenden Anfall erkennen, weiß niemand.

Doch trotzdem kann man sich auch hier das Frühwarnsystem Hund zunutze machen. Epilepsiewarnhunde müssen aber, anders als andere Assistenzhunde, bereits von Anfang an mit ihren kranken Haltern zusammenleben, um ein Gespür für die Veränderungen vor einem Anfall zu entwickeln. Wie bei Diabetikerwarnhunden dauert auch diese Ausbildung eineinhalb Jahre. Die Tiere lernen dabei außer dem Anzeigen des Anfalls auch noch, gefährliche Gegenstände aus der Nähe ihres Halters zu räumen, eine Notklingel zu drücken oder Aufmerksamkeit auf den Epileptiker zu lenken.

Doch ein epileptischer Anfall seines Besitzers bedeutet für das Rudeltier Hund eine große psychische Belastung: Sein Rudelchef zeigt Schwäche, stirbt womöglich. In einem Hunderudel wird ein Hund, der einen epileptischen Anfall hat, instinktiv von den anderen attackiert, häufig sogar getötet. Daher sehen Tierschützer diese Form der Assistenzhundeausbildung kritisch, sowohl für den Hund, der einem großen Druck ausgesetzt ist, als auch für den Menschen. Denn solche Assistenzhunde sind nach wie vor Tiere und keine Maschinen. Sie mögen verlässlich arbeiten, aber keineswegs hundertprozentig sicher.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/14 ab Seite 128.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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