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Interview

DAS GROSSE SUMMEN

Ist der Blutsauger in Ihrem Garten heimisch oder ein eingewanderter Exot? Werden Sie zum Mückenjäger und unterstützen Sie damit die Arbeit von Dr. Doreen Werner vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung.

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Mücken – sind das nicht zwar störende, aber ansonsten harmlose Tiere?

Mücke ist nicht gleich Mücke! In Deutschland gibt es zahlreiche Mückenfamilien. Eine davon ist die Familie der Stechmücken. Neben ihrer Rolle im Ökosystem, zum Beispiel in der Nahrungskette, belästigen uns Stechmücken durch ihr hartnäckiges Anfliegen auf der Suche nach einer Blutmahlzeit. Durch dieses Verhalten sind sie hervorragend zur Übertragung von Krankheitserregern geeignet. Das macht sie für uns so interessant.

Welche Krankheiten können von Mücken übertragen werden? Die Palette der übertragbaren Pathogene ist breit gefächert. Viren gehören aber unbestritten zu den wichtigsten Krankheitserregern. Ich verweise hier nur auf Krankheiten wie Dengue, Gelbfieber, Chikungunya oder West-Nil-Fieber.

Haben Mücken regionale und saisonale Vorlieben? Es gibt Arten, die sich an die unterschiedlichsten Lebensräume angepasst haben, deutschlandweit fast überall und während des gesamten Jahresverlaufes vorkommen. Andere treten nur zu bestimmten Jahreszeiten auf oder benötigen besondere Brutgewässer, die für ihre Entwicklungsstadien geeignete Bedingungen bieten. Aus diesem Grund bevorzugen Mücken bestimmte Gebiete mehr als andere. Voraussetzung ist aber immer, dass es aquatische Bruträume geben muss und die fliegenden Mücken sich in schattige Bereiche mit feuchtem Milieu zurück ziehen können. Einige Arten bringen nur eine Generation pro Jahr hervor. Andere entwickeln mehrere Generationen, vom Frühjahr bis zum späten Herbst.

„Überwintern“ Mücken? Welche Umwelteinflüsse bedingen einen mückenärmeren/- reicheren Sommer?

Ja, die einheimischen Arten sind natürlich an unser Klima angepasst. Alle hier in Deutschland etablierten Arten überwintern. Dazu ziehen sich die Weibchen einiger Arten in geschützte Quartiere zurück. Kellerräume, Garagen, Brunnen, Höhlen werden gerne angenommen. Die meisten überwintern jedoch im Eistadium. Hier sind sie kälteresistent und überdauern auch tiefe Umgebungstemperaturen. Wenige Arten tauchen in ihren Brutgewässern in die Tiefe und überwintern als Larve. Viele Menschen neigen dazu, einen langen kalten Winter mit einer Reduktion der Mückenpopulation zu korrelieren. Solche Winter können die Mücken aber gut vertragen.

Weniger gut für sie sind solche, in denen es häufiger Wärmeperioden gibt, sodass die Temperaturen stark fluktuieren. Entscheidend für den Aufbau der Mückenpopulation nach der kalten Jahreszeit sind jedoch vielmehr die Temperaturen und die Niederschlagsmenge während des Jahresverlaufes. Sie sorgen für einen Überschuss (feucht und warm) oder ein Fehlen (kalt und trocken) von Mücken.

Wie kam es zu Ihrem Projekt Mückenatlas.de?

Im Rahmen unserer wissenschaftlichen Tätigkeit zur Erfassung von Stechmücken in Deutschland konnten wir mittels speziell für den Fang von Stechmücken konstruierter Fallen einige Exemplare der Asiatischen Tigermücken in Baden-Württemberg nachweisen. Als Reaktion auf diese Ergebnisse erhielten wir zahlreiche Anfragen interessierter Mitbürger, die angeblich ebenfalls „Tigermücken“ in ihren Gärten, Kellern und Wohnungen gesichtet hatten. Es war sehr zeitaufwändig, diesen Leuten zu erklären, dass man zur eindeutigen Artbestimmung immer ein intaktes Stechmückenexemplar vorliegen haben muss.

Immerhin gibt es hier zu Lande 50 Stechmückenarten, deren Bestimmung zum Teil sehr schwierig und zeitaufwändig ist und bei einigen Arten nur mithilfe genetischer Hilfsmittel abgesichert werden kann. Aus diesem Grund haben wir die Internetplattform www.mueckenatlas.de  errichtet und dort um Zusendung beziehungsweise um Mithilfe zur Erfassung der Stechmücken gebeten.

Wie viele offizielle Mückenfallen gibt bundesweit?

Wir (Arbeitsgruppen am Leibniz- Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF, Müncheberg) und am Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (FLI, Greifswald) bearbeiten verschiedene Projekte, zum Beispiel für das Robert Koch-Institut oder das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Je nach Schwerpunkt kommen verschiedene Fallentypen an circa 150 verschiedenen Standorten zum Einsatz.

Wie viele „Mückenjäger“ beteiligen sich? Was muss man dafür tun?

2012 haben 1994 Personen am Projekt teilgenommen und insgesamt 6024 Stechmücken eingeschickt. Unberücksichtigt sind hierbei Einsendungen, die Exemplare anderer Mückenfamilien enthielten. Mückenjäger kann im Prinzip jeder werden, der sich zutraut, eine Stechmücke vorsichtig einzufangen. Jedes Exemplar hält in unsere Referenzsammlung Einzug, um auch in einigen Jahrzehnten noch einen Beleg dafür zu liefern, wo es vorkam. Hierfür erhalten die Mücken ein Etikett mit dem Hinweis auf Fundort, Datum und Sammler. Daher ist es für uns wichtig, relativ unversehrte Mücken zu erhalten. Eine genaue Anleitung zum Fang, Abtöten und Einsenden wird auf unserer Internetseite gegeben.

Stichwort Klimawandel – muss man in Deutschland demnächst Angst vor Malaria haben?

Nein, nicht mehr als aktuell. Der Klimawandel würde die Entwicklung der Anophelesmücken, die es ja nach wie vor in Deutschland gibt, und gegebenenfalls auch die von Malariaerreger in den Mücken begünstigen. Allerdings wurde mit dem Verschwinden der Malaria aus Europa auch das Zusammenspiel der einheimischen Mücken mit den Erregern zerstört. Unsere einheimischen Arten sind nicht so kompatibel mit den aus den Tropen stammenden Erregern wie sie es früher mit den einheimischen Erregerstämmen waren.

Viel interessanter ist daher der Gesichtspunkt der Globalisierung. Wenn wir innerhalb weniger Stunden von einem Punkt der Erde zum anderen reisen können, können das Malariaerreger auch, zum Beispiel mit infizierten Anophelesmücken oder infizierten Tropenrückkehrern. In Einzelfällen sind dann lokale Übertragungen nicht auszuschließen, tatsächlich sind ein paar solcher Malariafälle in den letzten Jahren hier zu Lande auch aufgetreten. Eine erneute Etablierung der Malaria ist bei unserem gut funktionierenden Gesundheitssystem aber auszuschließen, da das Infektionsgeschehen schon auffallen würde, bevor es epidemisch werden könnte.

»Alle hier in Deutschland etablierten Mückenarten überwintern.«

Welche Mücken finden sich mittlerweile in unseren Regionen, die es früher nicht gab?

Wir konnten bereits 2011 drei Eindringlinge nachweisen: Die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), die Asiatische Buschmücke (Ochlerotatus japonicus), die neben Populationen in Baden-Württemberg nun auch in Nordrhein-Westfalen angekommen ist und hier bereits ein Gebiet von circa 2000 Quadratkilometern besiedelt hat, und eine Mücke, die keinen deutschen Namen besitzt (Culiseta longiareolata).

Haben diese (noch) keine natürlichen Feinde hier?

Doch. Die einheimischen Insektenfresser, wie Singvögel, Fledermäuse oder auch andere Insektenarten, differenzieren nicht zwischen einheimischen und neu eingeschleppten Stechmücken. Allerdings hat sich zumindest die Asiatische Buschmücke schon gut adaptiert, vermehrt sich sehr stark und kann kleinste Wasseransammlungen zur Entwicklung ihrer Brut nutzen.

Werden zukünftig exotische Krankheiten zunehmen?

Das kommt auf die Einschleppung von Krankheitserregern und die Kompatibilität der hier zu Lande vorkommenden Mücken mit diesen Pathogen an. Die Erforschung dieses Gebietes ist ein Schwerpunkt unserer Arbeit.

Sind exotische Mücken auch für heimische Nutztiere gefährlich?

Das kann durchaus der Fall sein. Stechmücken sind zum Beispiel für die Übertragung der Erreger des West-Nil- und des Rifttal-Fiebers verantwortlich. Diese Erreger sind allerdings in Deutschland noch nicht aufgetreten und möglicherweise könnten sie von einheimischen Mücken ebenso gut übertragen werden wie von manchen exotischen. Dies zeigte sich zum Beispiel mit dem plötzlichen Auftreten der Blauzungenkrankheit im Jahr 2006 und der Schmallenberg-Krankheit im Jahr 2011, deren Erreger von Mücken der Familie der Gnitzen übertragen werden. Beide Krankheiten verursachten in der Landwirtschaft große wirtschaftliche Schäden. Überträger waren aber nicht, wie man anfangs vermutete, eingeschleppte exotische Gnitzenarten, sondern einheimische.

Was tut die Forschung/Wissenschaft auf diesem Gebiet?

Wichtig ist in erster Linie, einen Status quo für Deutschland zu ermitteln. Wir wissen im Moment (noch) nicht, welche Stechmückenarten sich wann und wo entwickeln, welche Ansprüche und Toleranz die einzelnen Arten haben, ob und wie sie in eine mögliche Übertragung von Krankheitserregern involviert werden könnten. Um zumindest die Frage der Verbreitung intensiv bearbeiten zu können, ist für uns jede Mücke aus jedem Zipfel Deutschlands interessant. Leider können wir nicht zeitgleich überall sein und Fallen nur begrenzt aufstellen. Daher unsere Bitte zur Mitarbeit im Mückenatlas.

Stimmt das Gerücht, dass „süßes Blut“ Mücken anzieht?

Mücken „fliegen“ auf Ausdünstungen des menschlichen oder tierischen Körpers. Die Lockwirkung beruht auf einem Gemisch aus körperlichen Absonderungen, wie Ketone, Alkohole, Phenole, deren Zusammensetzung individuell verschieden ist. Ob nun eine Mücke Person A oder B anziehend findet, entscheidet allein dieser Geruch. Der Ausspruch „süßes Blut“ hat damit nichts zu tun. Übrigens ist die Lockwirkung auch für verschiedene Mückenarten unterschiedlich.

Wie schützt man sich am besten gegen Stiche?

Der beste persönliche Schutz ist durch lange, hautbedeckende Kleidung gegeben. Handelsübliche Repellenzien und Hausmittel zur Insektenabwehr sollten individuell getestet werden, da jeder auf die Inhaltsstoffe unterschiedlich reagiert und der gewünschte Erfolg mit jedem Mittel bei verschiedenen Personen unterschiedlich ausfallen kann. Im Fall eines Stiches sollte man die Stelle kühlen und dem juckenden Reiz möglichst nicht nachgeben, da es beim Kratzen durch den Eintrag von Schmutzpartikeln leicht zu Sekundärinfektionen kommen kann.

VITA
Dr. rer. nat. Doreen Wernerabsolvierte nach ihrem Biologieabschluss an der Humboldt-Universtät zu Berlin ein Promotionsstudium, das sie 1996 abschloss. Bereits in ihrer Diplomarbeit arbeitete sie mit blutsaugenden Mücken.

Nach Mitarbeit in nationalen und internationalen Projekten (z. B. USA, Großbritannien) zu dieser Thematik kümmert sie sich seit 2010 am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e.V. um das Projekt Mueckenatlas.de. Ihre Arbeitsgebiete umfassen die Medizinische Entomologie, die Taxonomie blutsaugender Diptera und die Vektorökologie.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/13 ab Seite 102.

Das Interview führte Dr. Petra Kreuter, Redaktion

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