Vulkan © pxhidalgo / iStock / Getty Images
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Hauterkrankungen

BITTE ERNST NEHMEN!

Abszesse sind im Gewebe verkapselte Eiteransammlungen. Da sie normalerweise nicht von selbst ausheilen, müssen sie ärztlich therapiert werden – sonst droht im schlimmsten Fall eine Sepsis mit all ihren Konsequenzen.

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Unsere Haut und unsere Schleimhäute sind mit vielen Bakterien besiedelt, die ungefährlich sind, solange sich das Hautmikrobiom im Gleichgewicht befindet. Doch bereits durch kleine Verletzungen oder Nadelstiche können potenziell schädliche Bakterien, wie etwa Staphylococcus aureus, in die Haut eindringen und dort eine Infektion auslösen. In einem solchen Fall wird unser Immunsystem aktiv und bekämpft die lokale Infektion. Weiße Blutkörperchen gehen gegen die Erreger vor, wobei sie umgebendes Gewebe einschmelzen, um den Befall einzugrenzen. So entsteht im Lauf der Zeit ein von einer Membran umschlossener Hohlraum, der sich mit Eiter füllt, einer Mischung aus Geweberesten, toten Bakterien und abgestorbenen Immunzellen.

Durch die räumliche Begrenzung kann sich die Infektion zwar nicht weiter ausbreiten, jedoch können auch neue Immunzellen oder eingenommene Arzneistoffe nicht zur Infektion vordringen. Lediglich bei sehr kleinen Abszessen, die dicht unter der Haut liegen, kann man im Anfangsstadium zum Beispiel mit Zugsalben versuchen, die Durchblutung zu verbessern und die Eiterbeule nach außen zu öffnen. Dabei besteht jedoch die Gefahr, dass nicht alle Erreger eliminiert werden und sich erneut ein Abszess bildet. An einem Abszess darf man auf keinen Fall selbst herummanipulieren, die Behandlung gehört immer in die Hände eines Arztes!

Meist unter der Haut Manche Bereiche der Haut und der Schleimhäute sind für Verletzungen besonders anfällig. Vor allem betroffen sind die Schleimhäute von Mund, Rachen, After oder Genitalien, weil die Haut dort häufigem Druck oder andauernder Reibung ausgesetzt ist. Zudem weisen diese Bereiche eine hohe Dichte an Bakterien wie etwa Streptokokken auf, die sehr schmerzhafte Zahn- oder Kieferabszesse auslösen können. Ein häufiges Problem sind Abszesse auch bei Aknepatienten, weil ihre Talgdrüsen in der Haut krankheitsbedingt verstopfen und sich unter den Pfropfen anaerobe Bakterien bestens vermehren können.

Auch dann entstehen Eiterherde, die sich zu Abszessen weiterentwickeln können. Abszesse im Gesicht sind besonders gefährlich, denn die Gesichtsvenen sind mit dem Sinus cavernosus verbunden, der zu den Hirnblutleitern gehört. So kann eine Entzündung im Gesichtsbereich an den Venen entlang ins Gehirn vordringen und dort zu einem Abszess führen. Dies ist besonders gefährlich, weil eine Eröffnung dort sehr risikoreich bis unmöglich sein kann und sich untergegangenes Nervengewebe nicht mehr regeneriert.

Typische Zeichen Liegt der Abszess dicht unter der Haut, ist die Beule mit bloßem Auge zu erkennen, meist sieht man sogar den Eiter oder einen bläulich-dunkelroten Knoten. Die betroffene Stelle zeigt die typischen Zeichen einer Entzündung, das heißt sie ist weitläufig gerötet, geschwollen, erwärmt und druckempfindlich. Dazu können grippeähnliche Symptome wie Fieber und Schüttelfrost kommen, die häufig ein Anzeichen dafür sind, dass der Körper die Infektion nicht ausreichend in den Griff bekommt. Abszesse können sich aber auch entlang von Fisteln und Drüsen oder sogar in inneren Organen bilden.

So kann sich eine durch Stillen oder ein Piercing ausgelöste Brustdrüsenentzündung bei Frauen zu einem Abszess entwickeln. Ein Analabszess hingegen betrifft eher Männer zwischen 20 und 40 Jahren. Er entsteht, wenn die Analschleimhaut durch häufige Toilettengänge, starken Druck oder zu hartes Toilettenpapier gereizt wird. Dann können auch hier durch Mikroabrasionen Stuhlbakterien wie E. coli in die Proktodealdrüsen am Analkanal eindringen und dort eine Infektion auslösen. Die Drüsen schwellen an, der Eiter kann nicht abfließen und das Immunsystem wendet das Schutzsystem „Abkapseln“ an – der Abszess ist entstanden.

Unsichtbare Abszesse Besonders gefährlich sind Abszesse, die sich im Körperinneren in Organen oder bereits bestehenden Hohlräumen bilden und zum Beispiel aufgrund von Operationswunden entstehen können. So kann eine Verletzung des Darms bewirken, dass eigentlich harmlose Darmbakterien den Bauchraum infiltrieren und dort zu einem Empyem führen, also einem Abszess in einem bereits bestehenden Hohlraum des Körpers.

Meist zeigen sich die Abszesse und Empyeme erst in bildgebenden Verfahren wie Sonographie und MRT, nachdem die Betroffenen lange über Unwohlsein, Fieber und Abgeschlagenheit geklagt und man für die erhöhten Entzündungswerte im Blut keine andere Erklärung gefunden hat. Je länger sie unbehandelt bleiben, desto gefährlicher werden sie jedoch, denn: Entleert sich die Eiterblase und gelangt ihr Inhalt in die Blutbahn, kann es zu einer Sepsis, volkstümlich auch Blutvergiftung genannt, kommen. Neben Bakterien können auch Amöben oder Parasiten die Auslöser für Abszesse im Körperinneren sein. So verursacht zum Beispiel der Fuchsbandwurm gefährliche Abkapselungen in der Leber.

Je früher, desto besser Ist ein Abszess diagnostiziert, muss er vom Arzt eröffnet werden, damit der Eiter abfließen kann. Die Wunde wird danach gründlich desinfiziert und offengehalten. Schließt sie sich zu schnell, besteht die Gefahr, dass erneut Eiter entsteht. Die Wunde wird gespült und verbunden. Bei größeren Wunden wird zusätzlich eine Drainage gelegt, um eine vollständige Entleerung zu gewährleisten. Abszesse in Organen und inneren Hohlräumen sind schwieriger zu behandeln.

Sie werden, wenn möglich, unter Bildgebung punktiert und ebenfalls drainiert. Es kann einige Wochen dauern, bis ein Abszess austherapiert ist. Eine Antibiotikagabe vor der Operation ist sinnlos, da der Wirkstoff die Abszessmembran nicht ausreichend durchdringen kann. Nach der Operation wird der Eiter untersucht, sodass der Erreger bestimmt und ein spezifisches Antibiotikum gegeben werden kann. Während der Therapie muss eine strenge Hygiene eingehalten werden, damit die Wunde steril bleibt. Bei einem Analabszess bieten sich Sitzbäder an.

Diabetes fördert Abszesse Kehren Abszesse immer wieder, kann eine andere Grunderkrankung ursächlich sein. In solchen Fällen sollte man sich auf Diabetes, HIV oder Nierenerkrankungen untersuchen lassen. Manche Menschen haben auch PVL-positive Staphylokokken. PVL steht für „Panton-Valentine-Leukozydin“, ein Toxin, das in der Lage ist, Makrophagen abzutöten. PVL-positive Staphylokokken sind somit besser gegen einen Angriff des Immunsystems gewappnet. Bei einem Test auf PVL-positive Staphylokokken findet sich das Erregerreservoir meist in der Nasen- oder Mundschleimhaut, sodass ein Abstrich schnell Klarheit bringt.

Bei einem positiven Ergebnis wird eine vierwöchige Antibiose empfohlen, zum Beispiel mit Doxycyclin oder Trimethoprim, danach noch eine fünftägige Behandlung mit Chlorhexidin-Waschlösung und antibiotischer Salbe. Darüber hinaus sollte man für die Zeit der Therapie Gegenstände des täglichen Lebens (Schlüssel, Handys) mehrmals am Tag mit einer Desinfektionslösung behandeln, Zahn- und Nagelbürsten austauschen und Bettwäsche und Handtücher häufig bei mindestens 60 Grad waschen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/18 ab Seite 66.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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