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Tiererkrankungen

BABESIOSE: SCHON GEHÖRT?

Neulich im Apothekendienst: „Hallo ich bräuchte diese Kautabletten für meinen Hund. Letztes Jahr habe ich ihn fast an Babesiose verloren.“ Puh, nicht gerade eine der bekanntesten Tierkrankheiten. Klar, die Kautabletten waren lieferbar, aber was hat es nun mit dieser Erkrankung auf sich?

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Babesiose, auch Piroplasmose oder umgangssprachlich Hundemalaria genannt, wird durch Einzeller, sogenannte Babesien verursacht. Die mundartliche Bezeichnung trägt ihren Namen nicht von ungefähr: Die Parasiten befallen die roten Blutkörperchen, zerstören sie und führen so zu einer ausgeprägten Anämie, die im schlimmsten Fall tödlich verlaufen kann. Was erzählte der Kunde über seinen Hund? Er sei plötzlich schlapp gewesen, hat nicht mehr gefressen, fast nur noch geschlafen, wollte nicht mehr raus. Einziges Indiz war: ein Zeckenbiss.

Woher kommt der Übeltäter?
Übertragen werden die Parasiten durch Zecken, in Europa vor allem durch die Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus). Sie ist etwas größer als der hierzulande besser bekannte Holzbock und trägt einen weiß marmorierten Schild mit orangenem Außenrand auf dem Rücken. Außerdem mag sie es feucht und im Sommer nicht unter 20 bis 22 Grad Celsius. Kein Wunder also, dass die Auwaldzecke sich zusehends auch in Deutschland ausbreitet. Ursprünglich in Ungarn, Norditalien und Österreich heimisch, wanderte sie immer weiter Richtung Norden. Seit Beginn der 70er Jahre ist sie zunehmend in Deutschland anzutreffen, vor allem auffallend durch den Befall von Hunden, aber auch anderer Haus- und Nutztiere wie Schaf, Rind oder Pferd. Ab dem Jahr 2006 gibt es auch erste dokumentierte Fälle von Bissen bei Menschen. Dabei überträgt sie neben der für Hunde lebensgefährlichen Babesiose auch das für den Menschen gefährliche Fleckfieber durch sogenannte Rickettsien-Bakterien. Die Zeckenart gilt zudem als lauffreudiger als der Holzbock, geht also gerne auf Blutsuche und lauert nicht wie ihr Verwandter im hohen Gras auf Beute. Ende 2004 hat der Verein Parasitus Ex Tierärzte und –halter dazu aufgerufen, gefundene Exemplare der Auwaldzecke einzusenden, um die Ausbreitung besser einschätzen zu können; bis Ende 2005 konnten 1600 Exemplare gezählt werden, die meisten aus dem Gebiet rund um Berlin, Frankfurt, Magdeburg, Leipzig und Tübingen.

Zecke entdeckt – und was dann?
Auch der Hundebesitzer und Kunde der Apotheke entdeckte die Zecke an seinem Liebling, eine Schwellung veranlasste ihn dazu, zum Tierarzt zu gehen. Dort wurde Blut abgenommen, auf Borreliose und weitere Erreger hin untersucht. Dem Hund ging es derweil zunehmend schlechter. Das Blutbild zeigte dann einen starken Rückgang der Erythrozyten-Zahl, auch der Thrombozyten-Wert war erniedrigt. Der Tierarzt vermutete einen Babesien-Befall und leitete weitere Tests ein.

Die zu den Protozoen zählenden Parasiten werden innerhalb einiger Stunden bis einem Tag auf den Hund übertragen. Bis zum Auftritt erster Symptome können allerdings vier bis zehn, in seltenen Fällen bis zu 21 Tage vergehen. In dieser Zeit parasitieren die Babesien die roten Blutkörperchen und lösen, je nach Immunstatus des Tieres und Virulenz des Erregers, einen akuten oder chronischen Verlauf der Erkrankung aus. Meistens ist dieser akut: Es stellt sich eine hämolytische Anämie ein, die Hunde reagieren mit Fieber, Fressverweigerung und Gewichtsverlust. Als Folgereaktion auf den erhöhten Abbau der beschädigten Blutzellen stellen sich Leberfunktionsstörungen, klinisch erkennbar durch beispielsweise eine Gelbsucht oder eine Erhöhung der Leberwerte, ein. Es können sich Einblutungen in den Schleimhäuten oder ein durch Bilirubin oder Hämoglobin verursachter rötlich verfärbter Urin zeigen. Ein Großteil der Tiere entwickelt zusätzlich eine Thrombozytopenie, dazu können sich Entzündungen des Gastrointestinaltrakts, eine vergrößerte Milz oder Ödeme gesellen – im schlimmsten Fall stellt sich ein akutes Nierenversagen ein. Chronische Verläufe sind selten und zeigen eher unspezifische Symptome wie Fieber, Depression, Anämie und Arthritis. Da die Protozoen recht groß sind (Mikrometerbereich), sind sie auf einem gefärbten Blutausstrich unter dem Mikroskop erkennbar, andernfalls kann mittels PCR nach Erreger-DNA oder per ELISA-Testverfahren nach Antikörpern gefahndet werden.

 

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Spezifische Therapie: Fehlanzeige
So fanden sich auch bei dem Hund des Apothekenkunden massenhaft Antikörper gegen Babesien. Und dann direkt die ernüchternde Antwort: In Deutschland gibt es keine zugelassene Therapie. Der Tierarzt konnte ein Präparat aus Frankreich besorgen und nach einigen Tagen bangen Wartens konnte die Therapie gestartet werden. Prinzipiell kann eine Babesiose beim Hund erst einmal symptomatisch behandelt werden, zum Beispiel durch den Einsatz von Bluttransfusionen und Infusionen zum Volumenersatz, sowie antientzündlichen Wirkstoffen je nach Beschwerdebild; in einigen Fällen heilt die Krankheit von selbst wieder aus. In der Schweiz ist ein Präparat mit dem Arzneistoff Imidocarb-Dipropionat zur intravenösen Applikation zugelassen. Es kann über eine internationale Apotheke als Einzelimport bestellt werden. Das Antiprotozoikum bindet an die DNA der Erreger, unterbricht die Transkription und somit die Proteinbiosynthese. Der genaue Wirkmechanismus ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Im Hund wird zusätzlich die Cholinesterase gehemmt, was zu typischen unerwünschten Wirkungen wie unter anderem Erbrechen, Übelkeit, Durchfall, Atemnot oder Tremor führen kann. Um derartige Nebenwirkungen abzumildern, kann zusätzlich Atropin verabreicht werden.

Besser vorsorgen
Um es gar nicht so weit kommen zu lassen, empfehlen Tierärzte einen konsequenten Zeckenschutz. Dabei kommen verschiedene Präparate in Betracht, in Form von Spot-on-Präparaten, Halsbändern oder Medikamenten zum Einnehmen. In Spot-on-Präparaten ist beispielsweise der vieldiskutierte Wirkstoff Fipronil enthalten. Das Insektizid wird auf die Nackenfalte aufgetragen, verteilt sich dann über den ganzen Körper und soll so bis zu vier Wochen vor Zecken schützen. Das Insektizid wirkt als Kontaktgift, gelangt in das zentrale Nervensystem der Zecke, blockiert dort GABA-Rezeptoren und verhindert so die Weiterleitung von Nervenimpulsen – die Zecke stirbt beim Beißen. Zudem sind permethrinhaltige Spot-on-Präparate erhältlich. Auch dabei handelt es sich um ein Nervengift. Es verhindert die Schließung von Natriumkanälen und führt so über eine Lähmung zum Tod. Wirkstoffhaltige Halsbänder enthalten ebenfalls Insektizide und sollen diese durch das Tragen kontinuierlich an die Haut abgeben, so zum Beispiel die neurotoxischen Substanzen Amitraz oder Deltamethrin.

Für Tierhalter, die chemischen Wirkstoffen eher kritisch gegenüberstehen, gibt es auch einige als natürliche Anti-Zecken-Mittel deklarierte Waren auf dem Markt. Eine Kombination aus Margosa-Extrakt, Citronella und Nelkenblütenöl soll in Vergleichsstudien ähnlich gut abgeschnitten haben wie das Insektizid DEET. Auch bestimmte Nahrungsergänzungsmittel, die zu Ausdünstungen des Hundes führen sollen, die Zecken abstoßend finden, sind erhältlich – unter anderem enthalten sind Mineralstoffe, Vitamine, Getreide und Trockenfleisch. In Foren finden sich auch zahlreiche Hausmittelchen: Von Knoblauch bis Kokosöl ist alles dabei, die Wirkungen sind allerdings nicht wissenschaftlich belegt. Und Knoblauch ist übrigens in höheren Dosen für Hunde giftig.

Und in den Kautabletten für den Hund des Kunden? Wegen des langen Fells fand der Besitzer Spot-on-Präparate eher ungeeignet, im Hinterkopf saß zudem die Angst vor einer erneuten Infektion. Die Tierärztin empfahl daher ein Präparat mit dem Wirkstoff Fluralaner, einem synthetischen Insektizid, das über eine Nervenlähmung zum Tod des Parasiten führt, wenn er sich für eine Blutmahlzeit anheftet. Die Wirksamkeit wird mit zwölf Wochen angegeben, der Wirkstoff ist explizit gegen Auwaldzecken zugelassen. Mild verlaufende gastrointestinale Beschwerden und verstärkter Speichelfluss stellen die häufigsten Nebenwirkungen dar. Dem Hund geht es übrigens wieder gut, das importierte Präparat schlug rasch an und es ging stetig bergauf. Mittlerweile springt er wieder fröhlich durch den Wald, der Apothekenkunde hat stolz ein Bild seines gesunden Lieblings gezeigt.

Farina Haase,
Apothekerin, Volontärin

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Quelle: www.zecken.de
   www.rki.de
   www.synlab.de
   https://flexikon.doccheck.com/de/Imidocarb
   www.pharmawiki.ch
   www.planethund.com
   www.zecken.de

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