Rote Beeren mit grünen Blättern© lightmemorystock / iStock / Getty Images

Pflanzliche Inhaltsstoffe

AUFPUTSCHMITTEL UND PSYCHOSTIMULANZIEN

Das starke pharmakologische Potenzial einiger Alkaloide entsteht durch die chemische Nähe zu menschlichen Neurotransmittern. Das führt sogar zu Erwähnungen in der Betäubungsmittelverordnung.

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Wie bei vielen modernen Arzneimitteltherapien spielen Alkaloide pflanzlichen Ursprungs auch bei der Behandlung psychischer Erkrankungen eine wichtige Rolle. Pflanzen bilden nicht nur Agonisten und Antagonisten für Sympathikus und Parasympathikus. Gezielt eingesetzt nehmen sie Einfluss auf die menschliche Psyche oder Rezeptoren von Nervenzellen. Diese Wirkung ist teilweise so intensiv, dass ihr Platz in der Gesellschaft stark reglementiert oder gar verboten werden musste. Die beliebteste Droge weltweit fällt allerdings nicht in den illegalen Bereich. Coffein ist aus dem Alltag vieler Menschen auf dieser Welt nicht mehr wegzudenken.

Als Lebensmittel … Aus der arabischen Sprache stammend bedeutet das Wort Kaffee so viel wie Lebenskraft oder Stärke. Der Grund hierfür ist das zentral wirkende Alkaloid Coffein. Coffein leitet sich chemisch gesehen von einer der zentralen menschlichen DNA-Grundstrukturen ab, dem Purin. Damit gehört es wie einige seiner nahen Verwandten zu den Purinalkaloiden. Beim Ermüdeten wirkt Coffein durch die Blockade von Adenosin-Rezeptoren den entsprechenden Erscheinungen entgegen und steigert die geistige Leistung.

Als Kaffee getrunken, tritt die Coffeinwirkung nach circa 30 Minuten ein, bei schwarzem Tee dauert der Wirkeintritt durch die Verknüpfung an Gerbstoffe etwas länger. Um den gewünschten Effekt zu erhalten werden Dosierungen von 50 bis 200 Milligramm benötigt. Auch in der Schwangerschaft darf Coffein in kleineren Mengen konsumiert werden.

… und als Co-Analgetikum Hersteller von Schmerztabletten und kombinierten Erkältungsmitteln verwenden Coffein als Wirkbeschleuniger. In Dosierungen von bis zu 100 Milligramm wird es dabei als Co-Analgetikum eingesetzt. Auch wenn der abschließende Wirkmechanismus noch nicht geklärt werden konnte, gibt es verschiedene Erklärungsansätze. Eine Theorie besagt, dass die schnelle und vollständige Resorption des Coffeins den Körper aktiviert und so das jeweilige Analgetikum schneller anfluten kann. Doch auch weitere Coffein-Verwandte haben einen festen Platz in der Apotheke. Theophyllin hat ebenfalls eine leichte zentralerregende Wirkung. Das Haupteinsatzgebiet ist allerdings Asthma bronchiale. Die Dosierung muss dabei aufgrund der anfälligen Plasmahalbwertszeit streng nach patientenindividuellen Besonderheiten ausgewählt werden.

Insbesondere Raucher, Kinder und Menschen mit Herz- oder Niereninsuffizienz benötigen eine besondere Anpassung der jeweiligen Dosierung. Durch die geringe therapeutische Breite besteht schnell das Risiko neben dem gewünschten bronchospasmolytischen Effekt zentralnervöse Störungen hervorzurufen. Auch die zirkadiane Rhythmik der Theophyllin-Kinetik sollte bedacht werden, wenn ein Kunde von Schlafstörungen berichtet. Das dritte bekannte Purinalkaloid Theobromin wird in der Regel als partialsynthetisches Derivat Pentoxifyllin eingesetzt. Als Vasodilator und Rheologikum soll es die Gehstrecke bei Patienten verlängern, die unter der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit leiden. Andere Alkaloidtypen haben leider keinen so großen Nutzen für die Gesamtbevölkerung wie die Purinalkaloide.

Eingedampft
Die Purinalkaloide Coffein, Theobromin und Theophyllin sind unter anderem in Kaffee, Tee und Kakao zu finden. Vor allem Coffein blockiert die Adenosin-Rezeptoren und wirkt dadurch belebend. Theophyllin wird als Asthmatherapeutikum eingesetzt. Es hat eine geringe therapeutische Breite, große patienteninterindividuelle Unterschiede in der Plasmahalbwertszeit und unterliegt einer zirkadianen Rhythmik.
Indolalkaloide wie Ergotamin werden gelegentlich zur Behandlung der Migräne eingesetzt. Ergotamin wirkt über die Serotonin-Rezeptoren, was zu einer Vasokonstriktion zentraler Gefäße, aber auch anderer Blutgefäße führt. Eng mit Ergotamin verwandt ist das Rauschmittel LSD.

Antoniusfeuer Indolalkaloide bilden besonders berühmt-berüchtigte Vertreter pflanzlicher Alkaloide. Der Grund findet sich in der Ähnlichkeit zur essenziellen Aminosäure Tryptophan, die die Vorstufe des Serotonins bildet. Ein Vertreter der Indolalkaloide ist Ergotamin. Das Alkaloid aus dem Mutterkornpilz löste frühe schreckliche Leiden aus, wenn es unbeabsichtigt mit Produkten aus Roggen gegessen wurde. Der sogenannte Ergotismus führte zu Verengungen von Blutgefäßen in Herz, Niere und Extremitäten, die im schlimmsten Fall abstarben. Heutzutage werden gelegentlich noch Migränepatienten mit Ergotamin behandelt.

Es bedient unter anderem durch seine nahe Verwandtschaft zum Serotonin dessen Rezeptoren. Ein naher Verwandter des Ergotamins findet sich im Betäubungsmittelgesetz wieder L-Lysergsäurediethylamid, besser bekannt unter seiner Abkürzung LSD. Ebenfalls durch seine Wirkung auf das Serotonin-System löst es ein intensiveres Wahrnehmen der Umgebung aus. Aufgrund dieser Wirkung bot LSD in den 60er Jahren viel Potenzial, um psychische Erkrankungen zu behandeln. Nachdem es allerdings in vielen Ländern verboten wurde, wurden auch die meisten Studien nicht mehr weitergeführt.

Anders fällt die Nutzung der Ergotamin-Verwandten Bromocriptin und Cabergolin aus. Sie sind immer noch gängige Wirkstoffe in der Morbus Parkinson-Therapie. Sie werden frühzeitig eingesetzt, um die Wirkung von Levodopa zu verstärken. Weiterhin stimulieren sie selbst Dopamin-Rezeptoren. In hohen Dosen können als Nebenwirkung Durchblutungsstörungen auftreten, was durch ihre Affinität zu Serotonin-Rezeptoren zu erklären ist.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/2021 ab Seite 32.

Manuel Lüke, Apotheker und Lehrer für Gefahrstoffkunde

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