Interview

„AM ANFANG WAR ES EINE SCHNAPSIDEE“

Stefan und Heike Alles, Inhaber der Spirituosenfabrik Fritz Scheller in Bad Homburg, haben ein wahres Schätzchen mit langer Tradition wieder zum Leben erweckt: Gin nach einem alten Apothekerrezept. Doch das ist bei weitem nicht alles, was uns die Räumlichkeiten zu erzählen haben.

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Seit 2016 gibt es wieder den Spiritus Juniperi. Unsere Leser kennen Juniper als Wacholder. Wofür wurde der „Wacholdergeist“ ursprünglich hergestellt?

Die medizinische Wirkung des Wacholders ist maßgeblich daran beteiligt. Ein deutscher Arzt hat die Rezeptur des Gins damals entwickelt und hat das Ganze auch als Malariaprophylaxe eingeführt. Wacholder hat diverse wunderbare Wirkungen. So kam es, dass der Wacholder erstmals auch in der Pharmazie und von der Pharmazie vertrieben wurde. Gin ging dann um die ganze Welt, kam natürlich dann auch nach Deutschland. Wir haben in unserer Firma den Gin seit 1850 produziert. Der Apotheker hat schöne Ingredienzien mit eingebracht, wie die Engelswurzel Angelika oder das Süßholz, Muskat, Piment, Nelken. Das waren alles Gewürze, die damals in die Ginmischung beigegeben wurden. Erstmal für die Wirkung, aber dann natürlich auch für den guten Geschmack.

Für welche Art der Abfüllung haben Sie sich entschieden und warum?

Zu unserer Firma und zur Philosophie passt natürlich die Small-Batch-Produktion. Das heißt in kleinen, feinen Mengen. Aber nach der altehrwürdigen traditionellen Herstellungsweise wie damals nur echte Kräuter, Gewürze, der Wacholder, der Alkohol. Da sind kein bisschen künstliche Aromen drin.

Wie lange dauert die Produktion?

Gin ist im Vergleich zu anderen Spirituosen relativ schnell herzustellen. Natürlich sollte man dem Ganzen dann Zeit geben zu ruhen und sich harmonisch zu verbinden. Aber zwei bis drei Monate sind realistisch. Wobei wir hier noch eine in der gesamten Gin-Welt außergewöhnliche Sache haben. Wir reifen in jeder Flasche ein Stückchen Wacholderholz. Wir benutzen also von dem Juniperus die gesamte Pflanze, von der Wurzel, übers Holz bis zu der Beere. Wir machen eine Flaschenreifung mit Wacholderholz, um das Aroma von diesem Holz, was man erstmal von Whiskey, Rum oder derartigen Spirituosen kennt, zu bekommen. Die Holzfass-Reifung verlegen wir in die Flasche hinein und so kann jeder sehen wie der Prozess vonstattengeht und auch seine eigene Holzreifestärke bestimmen.

Nehmen Sie für Ihre Produktion das Originalrezept oder haben Sie eine Besonderheit beigemischt?

Bislang haben wir bei allen Produkten nur die Originalrezepte genommen. Ich finde das authentisch. Die Rezepte sind super. Auch Kollegen sind da immer sehr erstaunt, welche Details und welche Feinheit da reingelegt wurde. Das hat natürlich auch mit dem Apotheker zu tun, der ganz genau wusste, welche Wirkstoffe, welche Geschmacklichkeiten da reingehören. Und das lassen wir auch so, unbedingt.

Haben Sie schon eigene Ideen für ein Rezept?

Klar, natürlich, man sagt, dass ich ein kreativer Mensch bin, da kommen solche Ideen vor. Aber wir haben noch viel Zeit, um solche Sachen zu verwirklichen. Erstmal haben wir uns auf die Tradition und auf die Originalität der Vorgänger verlegt.

Haben Sie noch weitere Köstlichkeiten in dem Buch entdeckt?

Wir haben uns auf die Hauptproduktion von Kräuterlikören und von Gin verlegt. Es sind noch einige, sehr reizvolle Sachen in dem Rezeptbuch drin. Gerade auch die ganze Geschichte mit Weinbrand und Cognac ist hochinteressant. Aber ich will mir auch ein bisschen Zeit lassen und dann wird es als Überraschung herausgebracht.

Sie feiern in diesem Jahr ein Jubiläum. Haben Sie etwas Besonderes geplant?

Es sind schon einige Sachen in der Planung. Es ist das 175-jährige Firmenjubiläum. Da wird es zu verschiedenen Anlässen etwas geben. Wir haben ein großes Heimatfest hier, das Laternenfest in Bad Homburg und dafür arbeiten wir die gesamte Geschichte auf und zeigen sie dort. Wir haben sehr viele wunderbare Aufzeichnungen, die bislang verborgen waren und die wir gerne noch öffentlich machen würden. Die beschriebenen Materialien, Inhaltsstoffe, Ausstattungen sind nicht nur der Firma zuträglich, sondern man bekommt auch ein Gefühl für die Zeit.

Haben Sie Zukunftspläne?

Es war sehr viel harte Arbeit bis hierhin zu kommen. Von quasi sehr sehr wenig Vorzeigbarem und der Idee, alles transparent und öffentlich zu machen, bis zu einer gläsernen Manufaktur, wo jeder herkommen, sich alles angucken kann und alles erklärt bekommt. Das war schon ein gewaltiger Schritt, also für ein, zwei Personen. Jetzt sind wir gefordert, das aufrecht zu erhalten, natürlich auch weiter zu treiben und zu betreiben. Da gibt es schon noch einiges, was man noch zeigen kann. Es schlummert noch viel im Keller.

Das Gespräch für DIE PTA IN DER APOTHEKE führte Nadine Hofmann

Kontakt: 
ReichsPost Bitter
Manufaktur
Heike Alles-Jung
Gluckensteinweg 36
61350 Bad Homburg
Tel: 06172/451171
www.reichspostbitter.com
info@reichspostbitter.com

„„Am Anfang war es eine Schnapsidee“”

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