drei Menschen arbeiten in einem Labor an hochentwickelten technischen Geräten.
Nur mit Hilfe wissenschaftlicher Untersuchungen lassen sich valide Aussagen treffen. © gorodenkoff / iStock / Getty Images Plus

Krebs | Methadon

THERAPIESTUDIE: LÄSST SICH KREBS MIT METHADON BEKÄMPFEN?

Nach kontroversen Debatten um das Mittel Methadon soll erstmals eine Therapiestudie zeigen, ob sich damit Tumore wirksam bekämpfen lassen - oder nicht. Sind vereinzelte Hinweise auf eine antitumerale Wirkung nur Ausnahmen oder kann die Substanz doch mehr?

Seite 1/1 2 Minuten

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Als Schmerzmittel und Heroinersatz ist Methadon weltweit etabliert. Aber kann die dem Opium ähnliche, künstlich hergestellte Substanz noch mehr? Besteht Hoffnung für Krebskranke oder ist es nur ein Irrweg? Zum ersten Mal soll nun eine klinische Studie belastbare Antworten auf diese Fragen liefern. Nach teils kontroversen Debatten unter Wissenschaftlern hat sich die Deutsche Krebshilfe entschlossen, eine umfangreiche Therapiestudie an der Universitätsklinik Ulm mit 1,6 Millionen Euro zu fördern. Beteiligt werden Patienten mit Dickdarmkrebs, der bereits Metastasen gebildet hat, und bei denen die Chemotherapie nicht mehr anschlägt.

"Die Krebszellen dieser Patienten sind unempfindlich gegen diese Medikamente geworden", erläutert Studienleiter Professor Thomas Seufferlein, der Ärztliche Direktor der Klinik für Innere Medizin I der Ulmer Uni. "Unsere Hypothese ist, dass Methadon den Tumor wieder empfindlich für Chemotherapeutika machen kann." Die Annahme stützt sich auf experimentelle Forschungen der Chemikerin Claudia Friesen vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Ulm. 2008 kam sie zu dem Schluss, dass Blutkrebszellen vermehrt absterben und ihre Widerstandskraft gegen die Chemotherapie abnimmt, wenn sie mit Methadon behandelt werden. Spätere Forschungen mit Zellkulturen anderer Tumoren schienen die Vermutung zu erhärten. "Wir wollen untersuchen", so Professor Seufferlein, "ob Methadon bewirken kann, dass auch bei Patienten mit fortgeschrittenem Darmkrebs bestimmte Chemotherapeutika besser in die Krebszellen eindringen und dadurch effektiver wirken können". Die Betonung liegt für den Mediziner auf "ob": "Ich sehe die Studie wirklich komplett ergebnisoffen." Zudem würden Resultate allein für die Situation eines fortgeschrittenen Dickdarmkrebses und nicht für andere Tumorarten sowie allein für das konkrete Chemotherapeutikum und die konkrete Dosierung von Methadon gelten. "Man kann die Ergebnisse dann weder in die eine noch in die andere Richtung generalisieren."

Die Studie soll im ersten Quartal 2020 starten. Seufferlein rechnet längerfristig mit jeweils etwa 30 Patienten, die neben der Chemotherapie auch Methadon erhalten, im Vergleich zu anderen, die - wie bislang üblich - mit Chemotherapie sowie bei Bedarf mit Morphium oder anderen Schmerzmitteln behandelt werden. Erste belastbare Resultate könnten frühestens Anfang 2022 vorliegen.

Zu einem Ansturm auf Methadon und einer Welle der Hoffnung auf Heilung war es 2017 gekommen, nachdem Claudia Friesen im Fernsehen von ihren Laborergebnissen berichtet hatte und zudem in Medien auf Fälle hingewiesen worden war, in denen Krebspatienten nach Methadon-Einnahme eine Besserung erfahren haben sollen. Klar war damals schon, dass Einzelfälle in der Medizin nicht als Beweis für die Wirksamkeit eines noch weitgehend unerprobten Mittels gelten können. Entsprechend deutlich war - und ist teils heute noch - die Kritik einiger Kollegen von Friesen. Vor einem unseriösen "Methadon-Hype" warnte etwa Professor Wolfgang Wick, Direktor der Neurologischen Uniklinik Heidelberg und Leiter einer Forschungsabteilung am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Wenn Vermutungen ohne gesicherte Datenlage in der Öffentlichkeit diskutiert würden, könnten Patienten leicht das Gefühl bekommen, von bereits bestehenden Möglichkeiten abgeschnitten zu werden, mahnte er. Die Langfrist-Studie in Ulm begrüßt Wick: "Die Idee, dass man da mit einer zusätzlichen Behandlung eine gewisse Chemosensibilisierung erreicht, finde ich beim Darmkrebs plausibler als bei Hirntumoren." Wünschenswert wäre es, so der Professor, dass auch entsprechende Forschungen zu Hirntumoren sowie zu anderen Krebsarten stärker gefördert würden.

Quelle: dpa

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