Holzfiguren auf Tabletten© Koshiro Kiyota / iStock / Getty Images

Darreichungsformen

ZUKUNFTSMUSIK IN DER GEGENWART

Den Begriff Nanotechnologie assoziieren wir oft mit futuristischen Entwicklungen, die zukünftig die Welt verändern werden. Dabei ist die Technologie in der Apotheke längst angekommen. Über kleine Teilchen mit großen Vorteilen.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Nanotechnologie bedeutet nicht unbedingt, dass etwas fortschrittlich entwickelt wurde. Nanotechnologie bezieht sich viel mehr auf alle Stoffe, die in den Größenbereich des Nanometers einzuordnen sind, einem Milliardstel Meter. Beispielsweise in Form von Liposomen, Mikroemulsionen oder Nanopartikeln. Medizinische Leitlinien und die pharmazeutische Technologie haben die Vorteile dieser Größenordnung erkannt und setzen sie vereinzelt schon erfolgreich um. Trotzdem stehen noch viele Möglichkeiten in diesem Bereich offen und die Zukunft bleibt spannend. Mit welchen Vorteilen die Technologie bestehende Therapien verändert hat und welche Vertreter in Nano-Größe schon in Apotheken zu finden sind, soll im folgenden Artikel gezeigt werden.

Nanosysteme als Wirkstoff Als Einzelmolekül würde kaum ein Wirkstoff als Nanopartikel durchgehen. Die Größe eines einzelnen Wirkstoffteilchens ist zu klein. Aufgrund der hohen Grenzflächenenergie, die in dieser Form durch die immense Oberfläche zustande kommt, suchen sich diese Moleküle weitere Moleküle ihrer Art um ein Agglomerat zu bilden. Die Partikel werden größer, die Grenzflächenenergie sinkt und die Stabilität steigt. Bei den meisten herkömmlichen Wirkstoffen ist diese Eigenschaft nicht weiter tragisch.

Sie werden als Agglomerat in die gewünschte Form gebracht und vom Kunden eingenommen. Im Körper geht das Agglomerat dann in Lösung, die Wirkstoffteilchen liegen wieder einzeln vor und können auf ihr jeweiliges Target wirken. Problematisch wird die Agglomeration dann, wenn ein Arzneistoff nur sehr schwer wasserlöslich ist. Die Bioverfügbarkeit ist in diesem Fall kaum vorhanden und die Wirkung bleibt aus. Erst durch spezielle Mahlprozesse und die Zugabe von Stabilisatoren werden die Wirkstoffe auch in der Größe von Nanopartikeln stabil gegenüber Agglomeration. Die Lösungsgeschwindigkeit wird erhöht und somit wird der Wirkstoff bioverfügbar.

Ein Vertreter für diese Art Wirkstoff, der sich bereits auf dem Markt etabliert hat, ist Aprepitant. Das Antiemetikum aus der Gruppe der NK1-Rezeptor-Antagonisten ist in Wasser praktisch unlöslich. Erst die Zerkleinerung auf Nanopartikelgröße stellt trotz der geringen Wasserlöslichkeit eine gute Bioverfügbarkeit sicher. Auch Sonnencreme-Hersteller werben gerne mit Nanotechnologie. Hier bedeutet das, dass physikalische Lichtschutzfaktoren wie Zinkoxid oder Titandioxid auf Nanopartikelgröße zerkleinert und dann verarbeitet werden. Der Sonnenschutz wird im Vergleich zu Cremes mit größeren Zinkoxid- oder Titandioxidagglomeraten aber nicht zwangsweise verbessert.

Der Einsatz der Nanopartikel folgt hier den Ansprüchen der Kunden: Die Anwender möchten sich vor der Sonne schützen, dabei aber keine chemischen Filter nutzen und auch nicht weiß aussehen. Das war bei den ursprünglichen Sonnencremes mit physikalischen Filtern der Fall. Durch Verkleinerung der Partikel sind nun alle drei Anforderungen erfüllt, da die Nanopartikel nicht oder zumindest weniger weißeln. Zur absoluten Sicherheit dieser Nanofilter konnte noch keine abschließende Aussage getroffen werden. Bei Sonnencremes für Säuglinge und Kleinkinder sollte daher die normale Größe an Zinkoxid- und Titandioxidpartikeln empfohlen werden. Erwachsenen, die auf Nummer Sicher gehen möchten, können Sie statt Sprays besser Cremes empfehlen. So wird ein Einatmen der kleinen Partikel verhindert, die die Lunge belasten könnten.

Spezielle Mahlprozesse und die Zugabe von Stabilisatoren verhindern die Agglomeration der Nanopartikel.

Nanosysteme als Wirkstoffträger Nicht nur Nanopartikel selbst bilden eine Form von Wirkstoff. Sie ermöglichen auch Vorteile bei der Applikation und Bioverfügbarkeit anderer Pharmaka. Die Zeit der einfachen Wirkstoffsubstanzen scheint vorbei. Die wenigsten neuzugelassenen Substanzen sind so einfach aufgebaut und so klein wie Ramipril oder Venlafaxin. Polypeptide, Antikörper und makrozyklische Verbindungen erinnern als chemische Formel oder in Computeranimationen eher an abstrakte Kunstwerke als an effiziente Therapieoptionen.

Trotz ihres pharmakologischen Erfolgs macht ihre Größe sie gegenüber Säuren, Enzymen und oxidativen Prozessen angreifbar. Würde man den Wirkstoff in Tablettenform pressen und oral einnehmen, fiele der Großteil des Wirkstoffs dem First-Pass-Effekt zum Opfer. Insbesondere Antibiotika und Zytostatika stehen vor diesem Problem, da hier immer spezifischere Substanzen eingesetzt werden, deren Struktur nicht geändert werden darf. Die Lösung besteht darin, den Wirkstoff parenteral einzusetzen.

Um die Gabe einer täglichen Dosis zu umgehen, können die erwähnten Nanosysteme eingesetzt werden. Der Wirkstoff wird in Nanopartikel eingehüllt und nur langsam, über Wochen, durch den Abbau dieser Trägermaterialien freigegeben. Je nach den Eigenschaften des Wirkstoffs produziert man entweder kleine Nanokapseln, die von außen abgedichtet sind, oder sogenannte Sphärulen, in denen der Kern aus einer festen Matrix besteht, die den Wirkstoff einbettet.

Liposome Auch Liposomen sind im Größenbereich der Nanotechnologie angesiedelt. Sie bestehen aus einer Phospholipid-Doppelschicht, die einen wässrigen Innenraum umschließt. So können sowohl hydrophile als auch lipophile Wirkstoffe in liposomaler Form verarbeitet werden. Auch eine retardierte Freisetzung ist durch Liposomen möglich. Bei multilamellaren Liposomen werden beliebig viele Schichten übereinandergelegt, die dann nacheinander abgebaut werden. Außerdem konnte bei einzelnen Wirkstoffen nicht nur eine bessere Verträglichkeit, sondern auch eine bessere Wirkung festgestellt werden. Durch die liposomale Hülle konnten Wirkstoffe beispielsweise in Tumorgewebe eindringen um hier gezielt ihre Wirkung zu entfalten.

Mikroemulsionen Noch nicht vollständig geklärt ist der Aufbau bei Mikroemulsionen: Man vermutet winzige Tröpfchen, in der Größenordnung des Nanobereichs. Trotzdem bestehen Mikroemulsionen, wie andere Emulsionen auch, aus einer hydrophilen und einer lipophilen Phase sowie aus einer amphiphilen Substanz, die die Emulsion zusammenhält. Aufgrund der geringen Größe der Tröpfchen wirken sie allerdings eher transparent, wie Lösungen. Eine Grenzflächenspannung wie bei Emulsionen wird durch den geschickten Einsatz von Tensiden eliminiert und die Mikroemulsion ist stabil.

Sie kann sowohl lipophile als auch hydrophile Substanzen emulgieren, was sie zu einer pharmazeutisch interessanten Darreichungsform macht. Zum Einsatz kommen sie bereits in Form von Weichkapseln. Der schwer wasserlösliche Wirkstoff Ciclosporin wird erst in einer Mikroemulsion gelöst, bevor er in eine Weichkapsel eingebracht wird. Diese galenische Darreichung verbessert die Bioverfügbarkeit und erhöht somit die Compliance dieser besonderen Therapie.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 07/2021 ab Seite 80.

×