Preisverleihung | MARS GmbH

WRIGLEY PROPHYLAXE PREIS 2020: MILCH, JOGHURT UND GEMÜSE FÖRDERN BALANCE IM ORALEN BIOFILM

Der mit insgesamt 10 000 Euro dotierte Wrigley Prophylaxe Preis wurde zum 26sten Mal – in diesem Jahr online – verliehen. Den ersten Preis gewinnt eine Arbeitsgruppe um Professor Ali Al-Ahmad vom Universitätsklinikum Freiburg. Die Wissenschaftler untersuchten erstmals in vivo, wie unterschiedliche Nahrungsbestandteile die mikrobielle Balance im oralen Biofilm beeinflussen.

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Danach können gezielte Ernährungs-Empfehlungen zur Kariesprävention effektiv sein. Den zweiten Platz belegen Dr. Caroline Sekundo und ihr Team vom Universitätsklinikum Heidelberg, deren Pilotstudie erstmals Einblicke in die Mundgesundheit Hundertjähriger und Hochbetagter gibt. Den zusätzlich mit 2000 Euro dotierten Sonderpreis „Niedergelassene Praxis und gesellschaftliches Engagement“ erringen Professor Hüsamettin Günay und Dr. Karen Meyer-Wübbold von der Medizinischen Hochschule Hannover für ihr originelles Pilotprojekt, das Senioren eine spielerische Zahnputzkontrolle mittels App oder Abakus nahelegt.

Der Wrigley Prophylaxe Preis zählt zu den renommiertesten Auszeichnungen in der Zahnmedizin und ist in Fachkreisen längst eine Institution. Stifterin ist die wissenschaftliche Initiative „Wrigley Oral Healthcare Program“. Seit seiner Gründung vor 26 Jahren steht der Preis unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ). Eine unabhängige Jury würdigt wissenschaftliches Engagement sowie gesellschaftliche Projekte, die zur Verbesserung der Mundgesundheit bei besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen beitragen.

Der Preis wird traditionell auf der Jahrestagung der DGZ verliehen, die dieses Jahr in Dresden stattfinden sollte. Der Kongress musste aufgrund der Pandemie abgesagt werden, weshalb die Verleihung virtuell stattfand, zu Beginn der ersatzweise eingerichteten Online-Vortragsreihe.

Gesund essen, gesunde Zähne: Milch, Joghurt und Gemüse verdrängen kariogene Bakterien im oralen Biofilm
Der mit 7000 Euro dotierte erste Preis ging an Prof. Ali Al-Ahmad und ein Team aus Wissenschaftlern der Universitäten Freiburg und Zürich sowie des Helmholtz-Zentrums München: Dr. Annette Anderson, Prof. Dr. Markus Jörg Altenburger, PD Dr. Johan Peter Woelber, Prof. Dr. Elmar Hellwig, PD Dr. Lamprini Karygianni und Dr. Michael Rothballer. Die Wissenschaftler untersuchten in einer aufwändigen klinischen Studie, wie bestimmte Nahrungsbestandteile das Wachstum von Bakterien im supragingivalen Biofilm, also auf der Zahnhartsubstanz am Zahnfleischrand, und damit auch das Kariesrisiko beeinflussen. Zwar ist lange bekannt, dass die Entstehung von Karies mit der Vermehrung säurebildender und -liebender Bakterien im Biofilm einhergeht und diese wiederum sich vor allem in Anwesenheit von Zucker und anderen leicht abbaubaren Kohlenhydraten kräftig vermehren. Als wichtigste kariogene Vertreter galten lange Zeit Streptococcus mutans und Lactobazillen. Forschungen der letzten Jahre zeigen aber, dass auch andere Bakterienspezies in die Kariesentwicklung involviert sind, etwa Non-mutans-Streptokokken oder Veillonellen.

Welche Wechselwirkungen zwischen Ernährung und oralem Biofilm in vivo tatsächlich stattfinden, wurde im lebenden Organismus bislang kaum untersucht. In dieser Studie durchliefen elf gesunde Probanden fünf dreimonatige Phasen mit jeweils unterschiedlichem Ernährungsschwerpunkt: In Phase 1 behielten sie ihre normale Ernährung bei, in Phase 2 konsumierten sie zusätzlich häufig Kandiszucker, in Phase 3 Milch und Joghurt, in Phase 4 faserreichen Gemüsebrei und in Phase 5 kehrten sie zu ihrer normalen Ernährung zurück. Die normale Ernährung enthielt 140-280 Gramm Kohlenhydrate pro Tag und wurde von den Probanden entsprechend den Richtlinien des Robert-Koch-Instituts jeweils in einem Ernährungstagebuch festgehalten. In jeder Phase trugen die Probanden 3 x 7 Tage intraorale Schienen mit bovinen Schmelzproben zur Gewinnung von Biofilmproben, die mikrobiologisch mithilfe von Hochdurchsatz-Sequenzierung-Methoden analysiert wurden.

Klares Ergebnis: Die Bakterien im Biofilm reagierten eindeutig und nachhaltig auf das unterschiedliche Nahrungsangebot der verschiedenen Phasen. Besonders interessierte es die Wissenschaftler, wie sich die Ernährung auf das Wachstum oraler Streptokokken auswirkte, vor allem der kariesfördernden Non-mutans-Spezies.

Der Anteil an Streptokokken lag in Phase 1 bei 34 Prozent, stieg bei zuckerreicher Ernährung auf 40 Prozent und lag damit deutlich über dem Anteil von 24 Prozent der Phasen 3 und 4, in denen die Probanden viel Milch und Joghurt beziehungsweise Gemüse konsumierten. In Phase 5 stieg der Streptokokken-Anteil auf 29 Prozent und bewegte sich damit wieder in Richtung des Ausgangswertes in Phase 1. Die Daten bestätigen, dass zuckerreiche Ernährung das Wachstum kariogener Bakterien im supragingivalen Biofilm fördert, während Milch, Joghurt und faserreiches Gemüse zu einer signifikanten Abnahme dieser Bakterien und auch einem glatteren Zahnschmelz führten. Die Veränderungen hielten auch an, nachdem die Probanden wieder zu ihrer Ausgangsernährung zurückgekehrt waren. Die Autoren schlussfolgern, dass die supragingivale Biofilm-Zusammensetzung durch Ernährung modulierbar ist und empfehlen daher mehr Milch, Joghurt und Gemüse zur Kariesprävention.

Hundertjährige: Trotz hoher Kariesprävalenz kaum reduzierte Lebensfreude
In Deutschland gibt es immer mehr Hochbetagte: 2018 waren 14 000 Menschen älter als 100 Jahre und Prognosen zufolge wird sich diese Zahl bis 2038 vervierfachen. Vor diesem Hintergrund befasst sich die Wissenschaft zunehmend mit Fragen der Langlebigkeit, insbesondere mit dem Gesundheitszustand der Hundertjährigen. Zahnmedizinische Aspekte wurden dabei bislang jedoch kaum berücksichtigt. Die mit dem zweiten Preis ausgezeichnete und mit 3 000 Euro dotierte Pionierarbeit hat dies nun geändert: Dr. Caroline Sekundo und ihre Kolleginnen Prof. Dr. Cornelia Frese und Eva Langowski sowie Prof. Dr. Andreas Zenthöfer vom Universitätsklinikum Heidelberg haben die Mundgesundheit von Hundertjährigen und Hochbetagen erstmals umfassend untersucht.

Für ihre klinische Querschnittsstudie besuchten sie 55 Senioren im Alter von 100 Jahren oder älter zu Hause und sammelten Daten unter anderem zu Zahnpflege-Gewohnheiten, zur zahnärztlichen Betreuung und mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität. Zudem erhoben die Autoren einen vollständigen zahnmedizinischen Befund. Die Ergebnisse wurden mit den Daten jüngerer Senioren (75-100 Jahre) aus der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) verglichen.

Das Ergebnis: Nur 36 Prozent der Hundertjährigen waren zahnlos. Die meisten hatten noch eigene Zähne und waren unterschiedlich prothetisch versorgt. Im Vergleich zu jüngeren Senioren hatten Hundertjährige jedoch weniger eigene Zähne und häufiger Karies. Zudem war der Sanierungsgrad geringer und die Prävalenz von Wurzelkaries doppelt so hoch wie bei jüngeren Senioren.

Die zahnmedizinische funktionelle Kapazität war gering: Bei 64 Prozent der Hundertjährigen waren Zahnschäden schlecht oder nicht therapierbar, und die Fähigkeit zur Mundhygiene war bei 44 Prozent stark eingeschränkt. Dennoch war die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität erfreulich hoch: Über Einschränkungen klagten die Hundertjährigen vor allem beim Kauen fester Nahrung und der damit verbundenen limitierten Auswahl an Nahrungsmitteln.

„Insgesamt zeigt unsere Pilotstudie eine Verschlechterung der Mundgesundheit in sehr hohem Alter, die sich aufgrund der geringen Belastbarkeit zu diesem Zeitpunkt dann kaum noch verbessern lässt“, fasst Dr. Sekundo die Ergebnisse zusammen. „Deshalb sollten Präventivmaßnahmen viel früher ansetzen, um die Mundgesundheit und damit Lebensqualität möglichst lange zu erhalten.“

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