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Acrylamid

WIRKLICH HARMLOS?

In vielen Lebensmitteln, die besonders gut schmecken, befindet sich eine krebserregende chemische Verbindung. Diese ist unter anderem in Pommes frites, Kaffee, Keksen oder Knäckebrot enthalten.

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Plötzlich war es da: Im Jahr 2002 rückte Acrylamid im Rahmen eines der größten Lebensmittelskandale der Geschichte in das Interesse der Öffentlichkeit, da schwedische Forscher die Substanz in bestimmten Speisen entdeckten und nachwiesen, dass diese beim Erhitzungsvorgang entstehen kann.

Acrylamid bildet sich beim Backen, Braten, Grillen, Rösten und Frittieren insbesondere dann, wenn bei einer Temperatur jenseits von 120 Grad Celsius die Aminosäure Asparagin mit Zuckermolekülen verschmilzt. Die Zuckermoleküle stammen dabei aus der Stärke, Asparagin liegt in hoher Konzentration in Kartoffeln und Getreide vor. Man bezeichnet den unerwünschten Prozess als Maillard-Reaktion, benannt nach dem französischen Naturwissenschaftler Louis Camille Maillard.

Nicht zu vergessen: Eine weitere Quelle von Acrylamid ist Tabakrauch. Mit steigendem Zigarettenkonsum nimmt der Gehalt an entsprechenden Stoffwechselprodukten im Organismus zu.

Zuordnung Die chemische Verbindung Acrylamid zählt zur Gruppe der Amide, den Reaktionsprodukten von Aminen und Säuren. Die Substanz wurde 1949 erstmals synthetisiert und wird seit den 1950er-Jahren zur Herstellung von Kunst- und Farbstoffen gebraucht. Unvernetzte Polymere von Acrylamid sind in der Regel wasserlöslich und werden in der Trink- und Abwasseraufbereitung oder als Verpackungsmaterial sowie als Bindemittel für Papier und Pappe verwendet. Vernetzte Polyacrylamide sind unlöslich –sie quellen in Wasser auf und werden als Trägermaterial für biochemische Analysen eingesetzt.

Gut oder schlecht? Aus Tierversuchen sind Effekte auf das Erbmaterial sowie eine Begünstigung der Krebsentstehung bekannt. Außerdem ruft Acrylamid in Tierexperimenten nach wiederholter oraler Gabe neurotoxische Störungen wie Ataxien, Krämpfe, Sehstörungen oder eine verminderte motorische Aktivität hervor. Auch aus dem Bereich des Arbeitsschutzes liegen Erfahrungen über die gesundheitsbeeinträchtigende Wirkung der Substanz vor, die sich in Reizungen der Augen und der Haut äußern.

ENTWARNUNG?
Eine Studie der Medizinischen Hochschule Hannover stellte keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Acrylamidkonzentration im Blut und dem Ernährungsverhalten fest. Einzig bei Personen, die mehrmals pro Woche Pommes frites oder Kartoffelchips aßen, zeigte sich gegenüber den übrigen Teilnehmern eine leicht erhöhte Acrylamidbelastung, die jedoch aus wissenschaftlicher Sicht nicht signifikant war.

Es fehlen jedoch verlässliche Daten darüber, wie gefährlich das in der Nahrung enthaltene Acrylamid für den Menschen ist, denn die Einordnung als kanzerogen basiert bislang lediglich auf Untersuchungen mit hohen Dosen, die an Ratten oder Mäusen getestet wurden. Besonders zum Einfluss geringer Mengen blieben bislang verlässliche Untersuchungen aus.

Vergolden statt verkohlen Durch eine geregelte Temperaturführung lässt sich die Maillard-Reaktion vermeiden, sodass sich in gedünsteten und gekochten Lebensmitteln kein Acrylamid befindet, weil die Temperaturen bei diesen Zubereitungsarten deutlich niedriger ausfallen. Auch zu scharfes Anbraten oder eine zu starke Bräunung der Speisen sollte vermieden werden.

So wenig wie möglich Beim Umgang mit Acrylamid gilt derzeit das ALARA-Prinzip , welches bedeutet, dass die Aufnahmemenge der Substanz so gering wie vernünftigerweise erreichbar gehalten werden sollte. Seit der Entdeckung des Acrylamids in Speisen arbeiten die Lebensmittelwirtschaft und die Politik in Deutschland mithilfe eines Minimierungskonzepts daran, die Signalwerte zu senken.

Der durchschnittliche Gehalt hat in den meisten problematischen Warengruppen abgenommen, während dieser Trend bei Lebkuchen, Frühstückscerealien sowie Kaffeeersatz bisher nicht festgestellt wurde. Seit 2011existiert das Minimierungskonzept mit eigenen Richtwerten auf europäischer Ebene, sodass es nur noch für Ersatzkaffee, Kartoffelpuffer und Lebkuchen nationale Signalwerte gibt. Für Hersteller von Lebensmitteln gilt weiterhin, den Acrylamidgehalt besonders in den hoch belasteten Warengruppen, zum Beispiel durch geeignete Produktionsverfahren, zu verringern.

Rechenprogramm online Zur Bestimmung der täglichen Acrylamid-Aufnahme pro Kilogramm Körpergewicht bietet das Bundesinstitut für Risikobewertung auf seiner Homepage ein Programm zum Herunterladen an. Es besteht aus einem Fragebogen, einem Diagramm und einem Auswertungsteil. Im Fragebogen werden die individuellen Essgewohnheiten erfasst, der Grafik entnimmt man die durchschnittliche tägliche Acrylamidaufnahme bezogen auf das Körpergewicht. In der Auswertung wird die errechnete tägliche Menge mit einem Vergleichswert in Beziehung gesetzt.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/14 ab Seite 110.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)

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