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Seltene Erkrankungen A bis Z

VON-WILLEBRAND-SYNDROM

Der von-Willebrand-Faktor ist für die Entstehung von Blutgerinnseln wichtig. Weil sie ihn nur teilweise, fehlerhaft oder gar nicht bilden können, neigen Betroffene zu Blutungen.

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Man unterscheidet drei Typen des von- Willebrand-Syndroms: Etwa zwei Drittel der Patienten sind an einem Typ 1 erkrankt, der sich dadurch auszeichnet, dass Betroffene geringere Mengen des von-Willebrand- Faktors bilden als normal. Diese Form bereitet selten ernsthafte gesundheitliche Probleme – vor allem nicht, wenn die Menge des gebildeten Faktors annähernd normal ist.

Auf der anderen Seite des Spektrums steht der Typ 3, bei dem Patienten überhaupt keinen von-Willebrand- Faktor bilden können. Sie sind schwer betroffen und benötigen eine dauerhafte Therapie. Mit weniger als einem Prozent machen sie den kleinsten Teil der Betroffenen aus. In Deutschland geht man von etwa 250 Typ 3-Patienten aus.

Das verbleibende Drittel der von-Willebrand- Patienten ist an einem Typ 2 erkrankt, bei dem der gebildete von- Willebrand-Faktor fehlerhaft ist. Basierend auf der Art des Fehlers wird der Typ 2 in verschiedene Subtypen unterteilt. Der klinische Verlauf hängt davon ab, wie gut er seine Funktion trotzdem noch erfüllen kann.

Angeboren oder erworben In der überwiegenden Mehrheit der Fälle handelt es sich beim von-Willebrand- Syndrom um eine angeborene Erkrankung. Dabei unterscheidet sich die Vererbung bei den einzelnen Typen: Der Typ 1 sowie einige Formen des Typ 2 werden autosomal- dominant vererbt, die anderen Formen des Typ-2 sowie der Typ-3 autosomal-rezessiv. Seltener kann ein von-Willebrand-Syndrom auch infolge einer anderen Erkrankung auftreten, also erworben sein.

Normalerweise funktioniert der von-Willebrand-Faktor wie eine Art Brückenbauer bei der Blutgerinnung: Bei einer Verletzung bindet das Protein einerseits an die verletzte Gefäßwand und andererseits an die Blutplättchen, sodass diese am Ort der Verletzung haften bleiben. Zudem vermittelt er auch die Bindung von Thrombozyten untereinander und trägt so zur Bildung des Blutgerinnsels bei.

Schließlich spielt der von-Willebrand-Faktor eine Rolle als Transporter und Stabilisator für den Faktor VIII, sodass ein Fehlen des von-Willebrand-Faktors immer auch zu einem Faktor VIII-Mangel führt. Dieser ist essenziell für die Blutgerinnung – Menschen mit einer Faktor VIII-Störung leiden an Hämophilie A.

Symptome Patienten mit von-Willebrand- Syndrom neigen zu blauen Flecken, die bereits bei geringen Stößen auftreten können. Sie haben häufig und lang anhaltendes Nasenbluten; beim Zähneputzen blutet das Zahnfleisch oft und stark. Bei Mädchen und Frauen ist die Regelblutung stark und lang. Bereits bei kleineren Eingriffen wie Zahnbehandlungen oder Blutentnahmen können Blutungen auftreten, die sich nicht gut stillen lassen. Gerade leichtere Verlaufsformen fallen nicht selten in solchen Situationen erstmals auf. Vor allem beim Typ 3 können auch Gelenk- und Muskelblutungen ähnlich wie bei einer Hämophilie auftreten.

Diagnose Bei einem Verdacht auf ein von-Willebrand-Syndrom wird zunächst die Blutungszeit bestimmt. Ist sie verlangsamt, erfolgt eine Blutuntersuchung, bei der die Menge, die Aktivität und die Funktion der Gerinnungsfaktoren, einschließlich des von-Willebrand-Faktors, untersucht werden. Mit molekulargenetischen Verfahren lassen sich die veränderten Gene untersuchen und die genauen Mutationen nachweisen.

Nicht-medikamentöse Behandlung Wie für Hämophilie-Patienten sind auch für Patienten mit einem schweren Typ 3 körperbetonte Ballsportarten nicht geeignet. Wenn doch einmal Blutungen auftreten sollten, reicht bei Patienten mit Typ 1 und vielen mit Typ 2 meist eine lokale Behandlung in Form eines Druckverbandes aus. Eine medikamentöse Behandlung zur Vorbeugung von Blutungen benötigen diese Patienten in aller Regel nicht.

Medikamentöse Behandlung Es gibt aber durchaus auch bei leichten Verlaufsformen Situationen – wie beispielsweise starkes Nasenbluten – in denen Medikamente sinnvoll sind. Hier werden das Hormon Vasopressin oder das synthetisch hergestellte, strukturverwandte Desmopressin eingesetzt. Es erhöht die Menge des körpereigenen von- Willebrand-Faktors im Blut und ist deshalb nur bei Patienten wirksam, die selbst funktionsfähigen von-Willebrand-Faktor bilden können, also bei Typ 1 und machen Formen von Typ 2.

Das Medikament kann intravenös oder als Nasenspray angewendet werden. Außerdem kommt es vor operativen Eingriffen zum Einsatz, um Blutungskomplikationen zu vermeiden. In speziellen Fällen kann auch die Einnahme von Antifibrinolytika sinnvoll sein. Manche Patienten mit Typ 2 sowie Patienten mit Typ 3 benötigen eine dauerhafte Therapie mit einem Faktorkonzentrat.

Sie enthalten verschiedene für die Blutgerinnung essenzielle Faktoren und werden aus menschlichem Plasma gewonnen. Sie werden auch bei anderen Blutungsstörungen wie Hämophilie A oder B eingesetzt. Patienten mit von-Willebrand-Syndrom sollten immer einen Notfallausweis bei sich haben.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/16 ab Seite 66.

Dr. rer. nat. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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