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Deutscher Apothekertag

VIELE OFFENE FRAGEN

Um es gleich vorwegzunehmen: Die Stimmung auf dem Deutschen Apothekertag war überwiegend gut, auch wenn es natürlich immer Stichpunkte wie etwa den Medikationsplan gibt, die im Sinne der Apotheker besser gelöst werden könnten.

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Ein bedeutsamer Grund für die positive Atmosphäre war die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, die Vergütung der Rezepturen und die Dokumentationen bei der Betäubungsmittel-Abgabe anzuheben. Konkret bedeutet dies, dass die Apotheker etwa 100 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich erhalten. Für PTA ein Indiz, dass ihr Arbeitsplatz wieder ein wenig sicherer geworden ist.

Selbstverständlich spielte auch im Lagebericht des ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt die Politik eine zentrale Rolle, zumal im kommenden Jahr Bundestagswahlen anstehen. Für ihn stehen drei Kriterien zur Beurteilung der verschiedenen Wahlprogramme im Vordergrund:

1. Stehen die Parteien „zur ungeteilten fachlichen Verantwortung“ der Apotheker?
2. Bekennen sie sich zur „wohnortnahen, inhabergeführten öffentlichen Apotheke?
3. Werden sie das Vergütungssystem so gestalten, dass die flächendeckende Versorgung gesichert bleibt und dem „Berufsnachwuchs eine glaubwürdige Zukunft eröffnet“ wird? 

Kritik am Medikationsplan An die Adresse von Minister Gröhe gewandt, äußerte Schmidt im Hinblick auf den Medikationsplan Kritik. So stufte er den Wert des aktuellen Medikationsplans mit der von ihm verwendeten Begrifflichkeit „Medikationsliste“ deutlich herab und sprach von „einer absolut unbefriedigenden Situation“ und der Erwartung einer „unbedingt notwendigen Weiterentwicklung“.

Der Apothekerpräsident betonte, dass ein „wirklicher Medikationsplan vollständig sein muss“. Ohne es auszusprechen, zielte dieser Hinweis darauf ab, dass die Ärzte gemeinsam mit den Apothekern den Medikationsplan pflegen müssten. Auch wenn PTA bei diesem Projekt kaum eingebunden sein werden, ist es doch indirekt von großer Bedeutung, dass in diesem Kontext die Rolle der Apotheke gestärkt wird.

Vor dem Hintergrund, dass es Versuche interessierter Kreise im Lager der ausländischen Versandhandelsapotheken gibt, die einheitliche Preisverordnung von verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln zu unterlaufen, um im Wettbewerb gegen die Präsenzapotheken im Vorteil zu sein, äußerte Schmidt große Bedenken: „Einem Wettbewerb um Qualität und Zuverlässigkeit stellen wir uns gerne, ein Wettbewerb um Dumpingpreise hat am Ende nur Verlierer“ und wird von den Apothekern deshalb konsequent abgelehnt.

Lob an die Politik Lobende Worte fand der Apothekerpräsident für die Arbeit der Bundesregierung, zumal diese die „ordnungspolitischen Grundsätze unseres Apothekensystems in den vergangenen Jahren nicht in Frage gestellt“ hat. Ältere Leserinnen und Leser wissen, dass dem nicht immer so war, und erinnern sich an die Debatte um die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes.

Auch wenn die Vergütungssituation – wie eingangs erwähnt – aktuell eher positiv zu bewerten ist, richtete Schmidt bei diesem Thema mahnende Worte an die Politik: „Die eigentliche Herausforderung, ein planbares und zukunftssicheres Vergütungssystem zu gestalten, liegt aber noch vor uns“ und sollte in der kommenden Legislaturperiode angegangen werden. Hier wäre zu fragen, ob in diesem Kontext auch an die Vergütung der PTA gedacht wird.

Selbstkritische Fragen Gleich eine Fülle anscheinend selbstkritischer Fragen adressierte Schmidt an die eigene Organisation: „Warum sind wir nach 24 Monaten nicht schon weiter auf dem Weg zu dem modernen, zukunftssicheren Beruf, den wir 2014 beschrieben haben? Warum tragen nicht wir die Verantwortung für den Medikationsplan, sondern immer noch die Ärzte? Warum findet ARMIN nicht schon überall statt, sondern erst in zwei Bundesländern? Warum ist die Ausbildungsreform noch nicht gediehen, warum haben wir ein Nachwuchsproblem, warum schließen mehr Apotheken als neue eröffnet werden?“

Leider war bei der Frage nach dem Nachwuchsproblem nicht ganz klar, ob Schmidt dabei nur Apotheker oder eben auch PTA im Visier hatte. Für die generellen Antworten auf seine rhetorischen Fragen fand der ABDA-Chef die Metapher einer Bergbesteigung. Die deutsche Apothekerschaft ist dabei in seinen Augen eine eher weniger trainierte Seilschaft und gleicht „mehr einer in Alter und Leistungsfähigkeit sehr differenzierten Reisegruppe“.

Für ihn als Reiseleitung bedeutet dies, dass niemand zurückgelassen werde und man das Ziel entweder gemeinsam „oder gar nicht“ erreichen werde. Als Lobbyist erinnerte Schmidt auch daran, dass Apotheker im Vergleich zur Ärzteschaft eine kleine Gruppe sind: „Wir sind nicht viele: 60 000 im Vergleich zu 360 000 Ärztinnen und Ärzten. Wir sind nicht verantwortlich für mehr als 30 Prozent der GKV-Ausgaben, wie die Krankenhäuser, sondern für weniger als drei Prozent.“

Gesundheitssystem wird eher kritisch wahrgenommen Dass man dennoch stark sei, machte Schmidt an zwei Punkten fest: dem inneren Zusammenhalt und dem Vertrauen der Menschen. Schmidt wies darauf hin, dass „82 Millionen Menschen unsere Arbeit brauchen, suchen und schätzen.“ Dennoch herrscht unter den Deutschen in Bezug auf die Zukunft des Gesundheitssystems eine gewisse Skepsis.

Laut einer aktuellen Allensbach- Umfrage finden zwar 93 Prozent der Befragten die Gesundheitsversorgung in Deutschland gut oder sehr gut, aber „nur 24 Prozent glauben, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird“. Weniger als die Hälfte der befragten Personen ist der Ansicht, dass es künftig wirksamere Medikamente geben könnte. Nur 42 Prozent sind der Auffassung, dass „der medizinische Fortschritt zu besserer Diagnostik und Behandlung und damit zu Kosteneinsparungen führen könnten“.

Dass diese Zukunftsangst weitgehend unbegründet ist, zeigt eine Untersuchung des Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller (VFA) aus dem Jahr 2015. Demnach erwarten die Experten, dass bis 2019 „über 300 neue Arzneimittelprojekte für 120 Krankheiten zur Zulassung gebracht werden könnten, davon fast 180 neue Wirkstoffe.“ Schmidt warnte in diesem Zusammenhang davor, Arzneimittel ausschließlich auf „den Kostenaspekt zu reduzieren“.

Der Präsident hob vielmehr den gesamtgesellschaftlichen Nutzen hervor und nannte als positive Beispiele von Arzneimitteln die Möglichkeit, einen Krankenhausaufenthalt überflüssig werden zu lassen oder die Vermeidung von belastenden Operationen. Obwohl Schmidt die Sorgen der Finanzierbarkeit innovativer Arzneimittel ernst nimmt, plädiert er doch für „eine Politik mit Augenmaß“ und wies darauf hin, dass das Finanzierungssystem der Krankenkassen auch in der Vergangenheit solche Herausforderungen „bestanden hat und sie auch in Zukunft bestehen“ wird.

Ärgerliche Lieferengpässe Unzufrieden zeigte sich der ABDA-Präsident allerdings in Bezug auf das Thema Liefersicherheit und forderte Minister Gröhe auf, zu handeln: „Noch sorgen wir mit großer Mühe dafür, dass aus Lieferengpässen keine Versorgungsengpässe werden. Gedankt wird es uns seitens der Kostenträger mit einer absurden Abrechnungsbürokratie. Hier brauchen wir in Zukunft deutlich mehr Unterstützung“. Dass gerade auch die PTA bei Lieferengpässen sich mit verärgerten Patienten auseinandersetzen müssen, sagte der Präsident (leider) nicht.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/16 ab Seite 154.

Claus Ritzi, Pharmajournalist (wdv)

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