Mann am Schreibtisch © AndreyPopov / iStock / Getty Images
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Rückenschmerzen

TENDENZ STEIGEND

Rückenschmerzen – zumindest gelegentlich – kennt fast jeder aus eigener Erfahrung. Woran liegt es, dass Rückenleiden in einer Welt von Hightech-Medizin und körperlichem Komfort weiter zunehmen?

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Beschwerden an der Wirbelsäule stellen seit Jahren die mit Abstand am weitesten verbreitete Volkskrankheit in Deutschland dar. Rund ein Drittel der Bevölkerung hat laut aktuellen Studien öfter oder sogar ständig Rückenschmerzen. Erkrankungen der Wirbelsäule verursachen hierzulande mittlerweile sogar ein Viertel aller Arbeitsunfähigkeitstage – damit haben Rückenschmerzen erheblichen Einfluss auf unser Gesundheits- und Sozialsystem und auch auf unsere Volkswirtschaft. Jährlich werden 45 Milliarden Euro für Prävention, Behandlung & Co. ausgegeben. Davon entfallen 80 Prozent auf den Anteil der chronisch Kranken.

Moderne Lebensgewohnheiten Dauerhaftes Sitzen, schweres Heben, ruckartige Drehbewegungen – die Auslöser für Rückenschmerzen sind zahlreich. Dazu kommt, dass wir uns heutzutage viel weniger bewegen als früher. Speziell im Berufsalltag belasten wir unseren Körper häufig nur einseitig oder bringen unsere Wirbelsäule in Zwangshaltungen, die Wirbel, Bänder und Muskeln permanent reizen. Letztere sind dann nicht mehr in der Lage, den Rücken zu stützen oder zu kräftigen. Die Folge: Das ganze Gewicht lastet ausschließlich auf der Wirbelsäule und verursacht auf Dauer Schmerzen.

Nicht nur alte Menschen In den meisten Fällen sind tatsächlich mechanische Faktoren, wie etwa schweres Tragen, Heben oder auch ruckartige Drehbewegungen für Rückenschmerzen verantwortlich. Dabei lastet das meiste Gewicht auf der Lendenwirbelsäule, Bandscheiben werden gequetscht, es entsteht die berüchtigte Osteochondrose und in deren Folge Jahre später die Wirbelkanalstenose. Entstehende Verspannungen schränken die Beweglichkeit zusätzlich ein. Die überstrapazierte Muskulatur wird anfälliger für Verletzungen, das Unfallrisiko erhöht sich und auch die mit dem Altern einhergehende Degeneration der Wirbelsäule wird beschleunigt.

Doch längst sind es nicht nur ältere Generationen, die unter Rückenschmerzen leiden. Viele meiner Patienten mit Wirbelsäulenbeschwerden sind gerade einmal Anfang 20. Im Alter von 30 bis 45 häufen sich Bandscheibenprobleme und 50-Jährige und Ältere plagen sich zumeist mit Wirbelkanalverengungen. Unabhängig vom Alter sind vor allem Berufsgruppen gefährdet, die schwer heben und/oder mit dem Oberkörper belastete Drehbewegungen ausführen müssen, zum Beispiel Handwerker wie Schreiner oder auch Pflegepersonal und Krankenschwestern.

Rückenschmerzen vorbeugen Während Rückenschmerzen am Anfang meist nur gelegentlich auftauchen, werden sie im Verlauf nicht nur stärker, sondern treten auch in immer kürzeren Zyklen auf und können bei Nichtbehandlung chronifizieren. Nicht immer müssen Betroffene jedoch sofort zum Arzt gehen. Mit der Anpassung der Lebensgewohnheiten lassen sich viele Schmerzursachen bereits im Vorfeld ausschalten oder zumindest deutlich abschwächen. Sport treiben, die Rücken- und Rumpfmuskulatur mit Kraftübungen oder Gymnastik stärken und schweres Heben vermeiden sind die einfachsten Maßnahmen, einer Wirbelsäulenerkrankung vorzubeugen. Sind die Schmerzen sehr stark, treten auffällig oft auf oder halten gar dauerhaft an, sollten sich Betroffene nach dem Hausarzt an den Facharzt wenden.

Dieser beurteilt nach einem detaillierten Anamnesegespräch und der neurologischen Untersuchung, gegebenenfalls unterstützt durch einen „Schmerzfragebogen“, die Art der degenerativen oder traumatischen Veränderung. Mittels bildgebender Verfahren wie der Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) kann anschließend der genaue Schmerzursprung identifiziert werden. Ein Röntgenbild gibt in solchen Fällen übrigens nur unzureichend Auskunft. Die häufigsten Beschwerdebilder sind in absteigender Rangfolge das Facettensyndrom, der Bandscheibenvorfall, die Wirbelkanalstenose, Instabilitäten der Wirbelsäule und das ISG-Syndrom.

Therapiemöglichkeiten Grundsätzlich kommen zusätzlich zum konservativen Spektrum (Krankengymnastik, NSAR, Schmerztherapie, Infiltrationsbehandlungen, etc.) auch die mittlerweile größtenteils minimal-invasiven Operationen als Behandlungsoption in Frage. Durch den Einsatz endoskopischer und mikroskopischer Systeme können vom Facettensyndrom bis zur Wirbelkanalstenose fast 80 Prozent der Eingriffe minimal-invasiv durchgeführt werden. Selbst die ISG-Stabilisierung ist bei der Anwendung der entsprechenden Technik ein Kurzeingriff von höchstens dreißig Minuten Operationszeit.

Dennoch werden bei uns im Gelenk- und Wirbelsäulenzentrum der Rotkreuzklinik Lindenberg immer zuerst alle möglichen konservativen Behandlungsmethoden ausgeschöpft, um Operationen möglichst zu vermeiden. Treten nach sechs bis zwölf Wochen konservativer Therapie keine Besserungen ein oder liegen neurologische Symptome vor, kann jedoch eine Operation notwendig werden.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/19 ab Seite 52.

Gastbeitrag von Dr. med. Alfred Huber, Leiter des Gelenk- und Wirbelsäulenzentrums der Rotkreuzklinik Lindenberg im Allgäu

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