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Konkremente

STÖRENDE STEINE

Sie sitzen in den Nieren, in der Gallenblase, tummeln sich im Darm oder in der Mundhöhle: Steinartige Ablagerungen können sich vielerorts in unserem Körper bilden. Oft bleiben sie unbemerkt, manchmal werden sie aber auch zu schmerzhaften Störfaktoren.

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Ist von „Steinen im Körper“ die Rede, denken viele von uns automatisch an Gallen- oder Nierensteine. Kein Wunder, denn diese kristallinen Ablagerungen sind recht weit verbreitet – und ebenso ihre mitunter schmerzhaften Folgen. Krampfartige Beschwerden im Oberbauch gehen nicht selten auf das Konto von Gallensteinen. Und heftige, kolikartige Schmerzen im Unterbauch können darauf hinweisen, dass ein Harnstein durch den Harnleiter wandert. Weniger bekannt sind die vielen anderen steinartigen Rückstände, die sich in unserem Körperinneren befinden und Probleme verursachen können: Kot-, Speichel- und Ohrsteine gehören unter anderem dazu.

Und nicht zuletzt auch der Zahnstein, der durch Einlagerung von anorganischen Stoffen wie Calcium- und Phosphatverbindungen aus dem Speichel im Zahnbelag entsteht. Laut Definition handelt es sich bei Konkrementen, wie die Körpersteine von Medizinern genannt werden, um Festkörper, die sich durch Ausfällung von in Körperflüssigkeiten gelösten Substanzen in Hohlräumen unseres Organismus bilden. Die steinernen Gebilde können unterschiedlichste Farben und Formen aufweisen, winzig klein sein, aber auch beachtliche Größen von mehreren Zentimetern erreichen. Es gibt „stumme“ Konkremente, die keinerlei Beschwerden verursachen und auch nicht behandelt werden müssen, aber auch solche, die heftige Schmerzen bis hin zu lebensbedrohlichen Komplikationen verursachen.

Aus der Balance Gallensteine bilden sich, wenn die Zusammensetzung der Gallenflüssigkeit nicht mehr im Gleichgewicht ist. Zur Erinnerung: Die in der Leber gebildete Gallenflüssigkeit, umgangssprachlich Gallensaft genannt, ist wichtig für die Fettverdauung. Sie besteht zu etwa 80 Prozent aus Wasser, die restlichen 20 Prozent machen verschiedene andere Substanzen aus, darunter Gallensäure, Gallenfarbstoffe wie Bilirubin sowie Cholesterin. Der größte Teil der Gallenflüssigkeit fließt nach der Nahrungsaufnahme auf direktem Wege in den Dünndarm. Der Rest wird in der Gallenblase, einem birnenförmigen Hohlorgan unterhalb der Leber, gespeichert und eingedickt. Ist die Zusammensetzung der Gallenflüssigkeit verändert, können die Substanzen in der Gallenblase ausfallen. So entstehen Gallensteine, sogenannte Cholelithen. Überwiegend handelt es sich dabei um helle Cholesterinsteine, die häufig auf zu viel Cholesterin in der Gallenflüssigkeit zurückzuführen sind, seltener um Pigmentsteine. Diese kleinen, harten und schwarzen Gebilde entstehen bei der bakteriellen Zersetzung von Bilirubin. Auch Mischformen sind möglich. Meist befinden sich die Steine in der Gallenblase, seltener in den Gallengängen.

Zufallsbefund Oft werden Gallensteine zufällig entdeckt, zum Beispiel im Rahmen einer routinemäßigen Ultraschalluntersuchung des Oberbauchs. Das ist noch kein Grund zur Sorge, denn solange sich die Konkremente still verhalten, müssen sie meist auch nicht behandelt werden. Studien zufolge bekommen jedoch zwei bis vier von 100 Menschen mit Gallensteinen innerhalb eines Jahres spürbare Beschwerden. Typisches Anzeichen eines (behandlungsbedürftigen) Gallensteinleides ist die Gallenkolik. Charakteristisch dafür sind äußerst schmerzhafte Krämpfe im Oberbauch, die in Wellen auftreten und bis in den Rücken oder die rechte Schulter ausstrahlen können.

Übelkeit, Erbrechen, Blähungen und Aufstoßen sind ebenfalls möglich. Die krampfartigen Oberbauchschmerzen entstehen, wenn sich die Gallenblase zusammenzieht, um Gallenflüssigkeit in den Darm abzugeben, Steine jedoch den Ausgang versperren. Blockieren Gallengangssteine den Abfluss der Gallenflüssigkeit und wird der gelbe Gallenfarbstoff in der Folge nicht aus- reichend abgebaut, kann es zudem zu einer Gelbsucht (Ikterus) kommen. Typisch dafür: Haut und Augenweiß verfärben sich gelblich. Zu den möglichen Komplikationen eines Gallensteinleidens gehören unter anderem eine akute Entzündung der Gallenblase und eine Bauchspeicheldrüsen-Entzündung (Pankreatitis).

Krämpfe ade Recht unkompliziert kann der Arzt Steine in der Gallenblase mit einer Ultraschall- untersuchung diagnostizieren. Bei einer akuten Gallenkolik helfen Analgetika und krampflösende Arzneimittel. Jedoch: Eine Entfernung der Gallenblase ist bei Gallenblasensteinen, die Probleme verursachen, oft die einzige Möglichkeit, den schmerzhaften Koliken dauerhaft vorzubeugen. Heute wird das Hohlorgan mitsamt der Steine meist im Rahmen einer Bauchspiegelung (Laparoskopie) entfernt. Etwas komplizierter ist es, Konkrementen im Gallengang auf die Spur zu kommen. Hier sind häufig spezielle Diagnoseverfahren wie die Endosonografie, die Magnetresonanz-Cholangiografie oder die endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikografie erforderlich.

Ablagerung im Nierenbecken Wie der Name bereits vermuten lässt, bilden sich Nierensteine (Nephrolithen) im Nierenbecken – und zwar aus Bestandteilen des Urins. Steigt die Konzentration bestimmter, normalerweise im Harn gelöster Substanzen an, können hieraus Kristalle entstehen. Ein erhöhtes Risiko für Nierensteine haben unter anderem Menschen mit Überfunktion der Nebenschilddrüsen, Gicht oder chronischem Durchfall.

Auch ungünstige Ernährungsgewohnheiten, eine zu geringe Trinkmenge und genetische Faktoren können Nierensteinen Vorschub leisten. Viele Menschen leiden immer wieder unter den Konkrementen, weshalb es wichtig ist, den individuellen Ursachen auf die Spur zu kommen. Welche Präventionsmaßnahmen im Einzelfall ratsam sind, ist unter anderem von der Zusammensetzung der Steinchen abhängig: 80 Prozent aller Betroffenen haben Calciumsteine, die sehr häufig aus Calciumoxalat bestehen, bis zu zehn Prozent leiden unter Harnsäuresteinen.

Schmerzhafte Wanderung Ähnlich wie Gallensteine müssen auch Nierensteine nicht unbedingt Beschwerden bereiten. Stumme Konkremente entdeckt der Arzt mitunter rein zufällig, etwa während einer Ultraschalluntersuchung. Zu einem schmerzhaften Problem werden Nierensteine oft erst dann, wenn sie in die Harnleiter wandern. Mediziner sprechen dann von Harnleitersteinen. Haben die Kristalle eine gewisse Größe, können sie in den vergleichsweise engen Harnleitern steckenbleiben und heftigste Schmerzen auslösen. Typisch für eine sogenannte Nierenkolik sind krampfartige, wellenförmig auftretende Schmerzen in der Flanke, die in den Unterbauch, den Unterleib und den Rücken ausstrahlen können. Übelkeit und Erbrechen können hinzukommen, ebenso Blut im Urin und Probleme beim Wasserlassen.

Die Größe entscheidet Kleine Harnleitersteine mit einem Durchmesser unter fünf Millimeter gelangen im Lauf von ein bis zwei Wochen meist von allein in die Blase und werden dann mit dem Urin ausgeschieden. Eine erhöhte Trinkmenge und vom Arzt verordnete Medikamente können den Ausschwemmungsprozess unterstützen. Handelt es sich um Harnsäuresteine, können die Konkremente auch medikamentös aufgelöst werden. Größere Harnsteine müssen durch eine Stoßwellentherapie zertrümmert oder in einem endoskopischen Eingriff entfernt werden. Welches Verfahren zum Einsatz kommt, hängt unter anderem von ihrer Lokalisation, Anzahl und Größe ab.

Kotsteine Bei einem Kotstein, medizinisch Koprolith genannt, handelt es sich um ein oft etwa kirschkerngroßes, steinartiges Gebilde im Darm. Es besteht im Inneren aus stark eingedicktem Fäzes, umgeben von Schichten aus Schleim und eingetrocknetem Darminhalt. Kotsteine sind insbesondere in blind endenden Darmabschnitten, etwa in den Divertikeln des Dickdarms oder im Blinddarm, zu finden. Sie können sich auch im Enddarm festsetzen. Menschen mit Verstopfung haben ein erhöhtes Risiko für diese Konkremente. Lebensgefährlich können Kotsteine werden, wenn sie einen Darmverschluss oder eine Darmperforation verursachen.

Speichelsteine Meist sind die Steinchen, die medizinisch Sialolithen heißen, in der Unterkieferspeicheldrüse lokalisiert, mitunter auch in der Ohrspeicheldrüse. Die kleinen Konkremente bestehen aus Calciumcarbonat, -phosphat und anderen Bestandteilen des Speichels. Oft werden die mitunter lediglich stecknadelkopfgroßen Steine wieder von allein über die Ausführungsgänge der Drüsen ausgespült. Bleiben sie jedoch im Gangsystem einer Drüse stecken, kommt es zu einer schmerzhaften Entzündung der Mundspeicheldrüse. Kleinere Steinchen können mitunter durch konservative Maßnahmen wie Ausstreichen der Drüse oder Lutschen saurer Lebensmittel wie Zitronenscheiben ausgeschwemmt werden. Größere Konkremente können zum Beispiel im Rahmen einer Speichelgangendoskopie entfernt werden.

Ohrsteine Die kleinen Otolithen bestehen überwiegend aus Calcit-​Kristallen, befinden sich im Gleichgewichtsorgan des Innenohrs und erfüllen hier eine wichtige Funktion: Ohrsteine sind Gleichgewichtssensoren, die für die Wahrnehmung von Schwerkraft und Beschleunigung verantwortlich sind. Problematisch wird es, wenn sich die Ohrsteine – zum Beispiel durch einen Unfall oder altersbedingt – ablösen und in die Bogengänge des Innenohrs gelangen. Wird nun der Kopf in eine bestimmte Richtung bewegt, so lösen die Steinchen einen Sog aus, der vom Gehirn als Bewegung registriert wird. Da die anderen Sinnesorgane aber keine Bewegung melden, kommt es im Gehirn zu widersprüchlichen Reizen, die einen Schwindel zur Folge haben. Experten sprechen von benignem Lagerungsschwindel. Er lässt sich durch sogenannte Befreiungsmanöver gut behandeln. Dabei werden die Otolithen durch bestimmte Bewegungsübungen wieder aus der „Störzone“ hinausbefördert.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/19 ab Seite 78.

Andrea Neuen, Freie Journalistin

Gallensteine: Risiko erhöht?
Die sogenannte „6F-Regel“ gibt Auskunft über wichtige Risikofaktoren für Gallensteine. 1. Female: Frauen bekommen häufiger Gallensteine als Männer, vermutlich ist das weibliche Geschlechtshormon Estrogen mitverantwortlich dafür. Das Risiko steigt, wenn Frauen zur oralen Verhütung oder während einer Hormontherapie Estrogene zu sich nehmen. 2. Forty: Ab 40 Jahren besteht erhöhte Gallensteingefahr. Schätzungsweise jede fünfte Frau und jeder zehnte Mann über 40 haben damit zu tun. 3. Fertile: Das Risiko erhöht sich mit der Anzahl der Geburten. Bei vielen Frauen bilden sich die Konkremente auch in der Schwangerschaft. 4. Fat: Übergewicht ist in westlichen Industrienationen der Hauptrisikofaktor. Aber auch eine sehr rasche und starke Gewichtsabnahme erhöht das Gallensteinrisiko. 5. Fair: Menschen mit hellem Haar, sprich vom nordischen Typ, werden häufiger von Gallensteinen geplagt. 6. Family: Genetische Faktoren können eine Rolle spielen. Bekannt ist, dass das Steinleiden in manchen Familien gehäuft auftritt.

Nierensteinen vorbeugen
Mindestens jeder Dritte, der einen Nierenstein hatte, muss innerhalb von fünf Jahren mit einem zweiten Stein rechnen. Eine exakte Ursachenforschung und individuell geeignete, vom Arzt „verordnete“ Präventionsmaßnahmen können eine erneute Steinbildung häufig verhindern. Oft raten Ärzte dazu, die Trinkmenge insgesamt zu erhöhen. Bei Calciumoxalat-Steinen kann es ratsam sein, auf oxalatreiche Nahrungsmittel wie Rhabarber, Spinat und Schokolade weitgehend zu verzichten. Bei Harnsäuresteinen kann unter Umständen eine purinarme Kost mit wenig Fisch, Meeresfrüchten und Fleisch hilfreich sein. Eventuell wird der Arzt Medikamente zur Vorbeugung verordnen, die dauerhaft eingenommen werden. Die Auswahl des Präparates hängt von der Art der Steine ab.

Nierensteine setzen sich aus einer kristallinen, anorganischen Substanz und einem organischen Netzwerk, der Matrix, zusammen. Zunächst wird die Steinmatrix gebildet, um die herum sich dann kristalline Substanzen anlagern. Es entstehen winzige Steinchen, die in die Nierenkelche ausgespült werden und durch weitere Anlagerungen schnell wachsen.

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