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Anti-Aging

SCHÖNER ALT WERDEN?

Etwa 160 Euro gibt jeder Deutsche pro Jahr für Kosmetik aus. Dabei werden Anti-​Aging-Produkte immer beliebter, der Markt dafür immer größer und unübersichtlicher. Doch welche Produkte helfen wirklich?

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Im Alter noch jugendlich auszusehen wird wichtiger. Denn das Durchschnittsalter steigt immer weiter an, was Einfluss auf die Lebensgestaltung hat, wie eine nach hinten verschobene Familienplanung und ein längeres Verbleiben im Beruf. Auch mit 70 will man das Leben heute noch genießen – und dazu gehört für viele auch ein jugendliches Aussehen.

Altern, ein ungelöstes Problem Warum wir überhaupt altern, ist immer noch ein Rätsel. Liegt es an hochreaktiven Stoffwechselprodukten, den freien Radikalen, die Proteine, DNA und Fette in unseren Zellen schädigen? Liegt es an verkürzten Telomeren, Abschnitten am Ende jedes Chromosoms, die mit jeder Zellteilung kürzer werden, bis keine weitere mehr möglich ist? Oder daran, dass die im Alter stetig abnehmende Hormonproduktion zu schweren Krankheiten führt? Womöglich ist es eine Kombination aus all diesen Elementen.

Die Kosmetikforschung scheint es einem leicht zu machen, dem Altern entgegenzuwirken, denn ihre Produkte erzielen mit immer einfacheren Mitteln angeblich immer bessere Resultate. Doch da man nicht genau weiß, was uns altern lässt, ist es umgekehrt schwierig, zu bestimmen, was das Altern aufhält. Daher ist Anti-Aging in erster Linie ein Marketingname ohne große Trennschärfe, denn neben Kosmetikherstellern benutzen ihn auch Ernährungswissenschaftler, Achtsamkeitstrainer, Mediziner, Heilpraktiker, Esoteriker oder Schönheitschirurgen. Sichtbare Erfolge sind ledig- lich bei Anti-Aging-Produkten möglich, die äußere Alterszeichen der Haut oder der Haare mildern. Nur hier kann man einen Vorher-Nachher-Effekt zeigen.

Hauptsache Haut Der Alterungsprozess beginnt früh: Mit etwa 25 bis 30 Jahren verlangsamen sich die Zellteilungsprozesse, was sich zuerst an der Haut zeigt. Sie kann nicht mehr so viel Feuchtigkeit speichern und produziert weniger Kollagen und Elastin, wodurch sie schlaff wird und Falten entstehen. Ungünstige Umwelteinflüsse verstärken die Alterserscheinungen noch. So ist der UV-Schutz ein tatsächlich wirksamer und damit wichtiger Bestandteil von Hautcremes, denn zu starke Sonneneinstrahlung lässt Haut vorzeitig altern. Damit Anti-Aging-Hautkosmetik wirksam ist, muss sie außerdem die Barrierefunktion der Haut erhalten, ihren Feuchtigkeitshaushalt ausgleichen, die Zellerneuerung anregen und ein Defizit an Kollagen oder Elastin ausgleichen.

Ganz verschiedene Wirkstoffe Pflanzenstammzellen können je nach Kulturbedingungen mit speziellen pflanzlichen Inhaltsstoffen wie Antioxidanzien angereichert werden. Das Extrakt daraus kann zum Beispiel anti-entzündlich wirken oder die Zellregeneration ankurbeln. Glycerin ist in einer Konzentration von bis zu 15 Prozent ein guter Feuchtigkeitsspender – bei höheren Konzentrationen entzieht die wasserbindende Eigenschaft den un- teren Hautschichten jedoch Wasser! Glycerin unterstützt die Barrierefunktion der Haut und fördert die Zellregeneration. Hyaluronsäure ist ein körpereigener Stoff, der bis zum sechstausendfachen des eigenen Gewichts an Wasser speichern kann. Hyaluronsäure gibt unter anderem dem Bindegewebe seine Form, da es Elastin- und Kollagenfasern zusammenhält.

Für kosmetische Zwecke muss das Molekül fragmentiert werden, da es zu groß ist, um in die Haut einzudringen. In manchen Präparaten wird es auch unfragmentiert eingesetzt, dann bildet es eine Schicht auf der Haut, die aber nicht lange hält. Hyaluronsäure wirkt als Antioxidans gegen freie Radikale und mindert so oxidativen Stress der Zellen. Gleichzeitig erhöht es die Elastizität der Haut und lässt sie kurzfristig praller und frischer aussehen. Für längerfristige Erfolge muss die Substanz durch Spritzen in die Lederhaut gebracht werden, wodurch dann auch das Auffüllen tieferer Falten möglich ist. Die Wirkung hält aber auch dann nur etwa drei bis sechs Monate an. Peptide und Polypeptide, die in der Kosmetik verwendet werden, sind künstlich hergestellte Aminosäureketten.

Sie werden vor allem zur Faltenreduzierung eingesetzt. Nachgewiesen ist diese Wirkung unter anderem beim Acetylhexapeptid-3 oder -8. Unter dem Wirkstoffnamen Argireline® wirkt es gegen Mimikfalten, indem es die Signalübertragung durch Acetylcholin in den Nervenbahnen zwar reduziert, jedoch nicht völlig blockiert wie Botulinumtoxin. Q-10 ist ein Co-Enzym, das natürlicherweise überall im Körper vorkommt. Es ist in hohem Maße an der Energiegewinnung der Zellen in den Mitochondrien beteiligt, wirkt als Antioxidans und lindert Entzündungen. Einige Studien wiesen außerdem nach, dass es den Kollagenabbau in den Hautzellen verhindert. Allerdings sind die meisten Studien zu Q-10 in-vitro- Studien, wurden also an Zellkulturen durchgeführt. Q-10 kann nur in tieferen Hautschichten wirken, dazu muss es die Hautbarriere überwinden, was bei dem großen, schwer wasserlöslichen Molekül schwierig ist. Q-10 sollte daher zumindest immer mit Liposomen, meist einem Lecithin, kombiniert sein.

Nicht ungefährlich Vitamine in Cremes oder Tabletten wie Vitamin A, B3, C oder E fehlen in kaum einem Anti-Aging-Produkt. Tatsächlich ist ihre Wirkung gut untersucht und es wurde gezeigt, dass sie als Antioxidanzien gegen freie Radikale wirken. Die fettlöslichen Vitamine A (als Vorstufe Retinol in Kosmetika) und E halten die Haut elastisch und feucht und können so kleine Fältchen glätten. Vitamin C hat einen aufhellenden Effekt, wodurch es Altersflecken minimieren kann. Allerdings benötigt der Körper für diese Wirkungen lebenslang hohe Konzentrationen der Vitamine, was wiederum bei sensibler Haut zu Irritationen führen kann. Außerdem stehen extrem hoch dosierte Antioxidanzien immer wieder im Verdacht, gesundheitsschädigend zu sein. Denn auch freie Radikale haben ihren Sinn: Sie werden vom Immunsystem gegen Tumorzellen eingesetzt, sodass ein Zuviel an Vitaminen auch das Krebswachstum fördern kann, wie in einigen Studien gezeigt werden konnte.

Haare als Sinnbild von Jugend Wie die Haut altern auch die Haare und werden schütter und grau. Letzteres, weil der Körper mit dem Abbau von Wasserstoffperoxid nicht mehr nachkommt, das bei Stoffwechselvorgängen im gesamten Organismus entsteht und die Bildung des Farbstoffs Melanin verhindert. Durch Färben und einen guten Haarschnitt kann man bereits jünger aussehen, doch auch für die Haare gibt es spezielle Anti-Aging-Produkte. Coffein als Inhaltsstoff regt die Durchblutung der Kopfhaut an, was sich positiv auf den Haarwuchs auswirken soll. Proteinsprays machen das Haar griffiger und lassen es fülliger er- scheinen.

Balance ist das A und O Die beste Anti-Aging-Formel kostet auch am wenigsten: Eine gesunde Lebensführung mit regelmäßiger Bewegung, ausgewogener Ernährung und wenig Stress. Auch viel Wasser trinken hilft, denn ein bis zwei Liter am Tag lassen die Haut praller wirken. Dazu der Verzicht auf Rauchen oder übermäßigen Alkoholgenuss, und der erste Schritt zu einem längeren Leben und jüngerem Aussehen ist gegeben. Wer sich die über Hundertjährigen anschaut, wird vor allem bemerken, dass sie meist ein gemäßigtes Leben führten. Ein Normal- bis leichtes Untergewicht scheint ebenfalls lebensverlängernd zu wirken.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/19 ab Seite 86.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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