Katze läuft über Straße© Magdevski / iStock / Getty Images

Tiere in der Apotheke

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Ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT) kommt auch bei Haustieren häufig vor. Hunde und Katzen mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma stellen eine intensivmedizinische Herausforderung mit hohem personellen Aufwand dar.

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Es gibt keine epidemiologischen Daten zum Schädel-Hirn-Trauma in der Tiermedizin. Eine Studie aus der Schweiz kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei etwa neun Prozent der kleinen Haustiere mit neurologischen Erkrankungen um Patienten mit einem Schädel-Hirn-Trauma handelt. Eine weitere Studie gab an, dass 20 Prozent der Hunde und 35 Prozent der Katzen aufgrund eines akuten Traumas in Kliniken vorgestellt werden. Es ist eine häufige Todesursache bei Hunden. Infolge der lebensbedrohlichen Verletzungen liegt die Mortalität nach einem Schädel-Hirn-Trauma bei Hunden zwischen 18 und 24 Prozent.

Differenzierung Das primäre Schädel-Hirn-Trauma wird als die unmittelbare Folge von Blutungen und Verletzungen durch das Trauma definiert. Durch intrakranielle, also innerhalb des Schädels gelegene, Blutungen und Ödeme kommt es zum Anstieg des Drucks im Gehirn, wodurch ein sekundäres Trauma mit einer weiteren Hirnschädigung entsteht. Das Schädel-Hirn-Trauma kann zudem in ein leichtgradiges-, mittelschweres und schweres Trauma unterteilt werden. Die leichtgradige Form ist durch Bewusstlosigkeit charakterisiert, der Schädel ist jedoch nicht gebrochen. Beim mittelschweren Schädel-Hirn-Trauma bestehen Bewusstlosigkeit und eine Schädelfraktur. Bei einem schweren Schädel-Hirn-Trauma treten zusätzlich Hirnkontusion, also eine Hirnprellung, oder ein intrakranielles Hämatom auf. Weiterhin werden stumpfe und spitze Traumata unterschieden

Viele Ursachen Bei kleinen Haustieren ist eine derartige Verletzung in vielen Fällen die Folge von Verkehrsunfällen, meist wird von Zusammenstößen mit Autos berichtet. Auch Stürze aus großen Höhen von Balkonen oder Fenstern können ein Schädel-Hirn-Trauma zur Folge haben, ebenso wie Verletzungen durch Bisse anderer Tiere, Tritte von Pferden, Projektile oder Gewalteinwirkungen durch Menschen.

Merkmale eines Schädel-Hirn-Traumas Die Symptome resultieren vor allem aus dem erhöhten intrakraniellen Druck im Gehirn. Dieser kann zu Veränderungen der Pupillen wie ungleiche Pupillen, Weitstellung oder Verengung der Pupillen, Verlust der Motorik und veränderter mentaler Aktivität führen. Auch Schädelfrakturen, Ödeme des Gehirnparenchyms und Blutungen, die durch Röntgenaufnahmen von Schädel, Magnetresonanztomografie (MRT) oder Computertomografie (CT) erkennbar sind, lassen auf ein Schädel-Hirn-Trauma schließen. Ein wesentlicher Hinweis für die Diagnose Schädel-Hirn-Trauma ist der Bericht des Tierbesitzers zum Unfallgeschehen.

Sofortmaßnahmen Von wesentlicher Bedeutung sind die Entwicklung eines erhöhten intrakraniellen Drucks und einer Hypoxie. Bei Verdacht auf ein Poly- oder Schädel-Hirn-Trauma muss daher vom Tierarzt eine rasche Notfallversorgung durchgeführt werden mit Anamnese, ABC-Schema (freie Atemwege, Beatmung, Stabilisierung des Herz-Kreislaufsystems), Bestimmung von Notfall-Laborwerten wie Hämatokrit, Gesamtprotein, Harnstoff, Kreatinin, Glukose und Laktat sowie eine Blutgasanalyse. Zu den Sofortmaßnahmen gehören die Versorgung mit Sauerstoff, die erhöhte Lagerung des Kopfes, die Gabe von stark wirksamen Analgetika, die Kontrolle der Körpertemperatur und eine Infusionstherapie. Bei komatösen Tieren oder Atmungsinsuffizienz muss eine kontrollierte Beatmung durchgeführt werden.

Treten Krampfanfälle auf, wird eine antikonvulsive Therapie mit Diazepam durchgeführt. Bei Anfällen in den ersten 24 Stunden nach dem Trauma erfolgt eine antikonvulsive Therapie unter anderem mit Phenobarbital. Erst nach Stabilisierung der Vitalfunktionen werden weitere Maßnahmen durchgeführt wie Röntgenaufnahmen von Thorax, Abdomen und Wirbelsäule, um andere Läsionen wie Pneumothorax oder Wirbelfrakturen festzustellen. Durch diese Untersuchungen kann die Prognose beurteilt werden, die ein wichtiges Entscheidungskriterium für die weiterführende Diagnostik und Therapie darstellt.

Beurteilung der Prognose Um die Schwere des Schädel-Hirn-Traumas zu beurteilen, werden die motorische Aktivität, Hirnstammreflexe und Bewusstseinsveränderungen mit Punkten bewertet. 13 bis 18 Punkte bedeuten ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma mit guter Prognose, 9 bis 12 Punkte ein mittelschweres Schädel-Hirn-Trauma mit vorsichtiger Prognose. Bei weniger als 8 Punkten ist von einem lebensbedrohlichen Schädel-Hirn-Trauma auszugehen. Die Prognose ist in diesem Fall schlecht und es ist mit dem Tod zu rechnen.

Posttraumatische Epilepsie Ein Schädel-Hirn-Trauma ist der häufigste Grund für erworbene Epilepsie. Mit der Schwere des Traumas nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, eine posttraumatische Epilepsie zu entwickeln. Sie wird definiert als Auftreten von mindestens zwei unprovozierten Anfällen frühestens sieben Tage nach dem Trauma. Therapiestandard bei kleinen Haustieren, bei denen unmittelbar nach dem Trauma epileptische Anfällen aufgetreten sind, ist die Gabe von Antikonvulsiva über den Zeitraum von einer Woche.

Grundsätzliches Therapieziel ist es, die sekundären Hirnschäden möglichst gering zu halten. Der Erfolg der Behandlung eines Schädel-Hirn-Traumas hängt dabei von der Schwere des neurologischen Zustands ab. Prognostisch ungünstig sind ein komatöser oder sich zusehends verschlechternder Bewusstseinszustand, ein unkoordiniertes Atemmuster, Status epilepticus und massive, offene Schädelfrakturen.

Diesen Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/2021 ab Seite 110.

Dr. med. vet. Astrid Heinl, Tierärztin

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