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PTA-Fortbildung 08/15

SANFTE MEDIZIN

„Similia similibus curentur“ – Ähnliches werde durch Ähnliches geheilt. Fast jeder kennt diesen Schlüsselsatz der Homöopathie. Wir zeigen, was es genau damit auf sich hat.

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Die Homöopathie hat in Deutschland traditionell einen hohen Stellenwert und spielt in der Apotheke eine wichtige Rolle. Für viele Kunden ist sie eine Ergänzung oder Alternative zur Schulmedizin. Homöopathische Arzneimittel machen inzwischen einen beachtlichen Anteil am Umsatz rezeptfreier Arzneimittel aus.

Eine repräsentative Befragung der Gesellschaft für Konsumgüterforschung aus dem Jahr 2013 verdeutlicht ihre steigende Bedeutung. 90 Prozent der befragten Apothekerinnen und Apotheker gaben an, dass die Nachfrage nach homöopathischen Arzneimitteln in den letzten zehn Jahren gestiegen ist. Auch eine repräsentative Bevölkerungsbefragung des Institutes für Demoskopie Allensbach, die der Bundesverband der Arzneimittelhersteller im Jahre 2014 beauftragt hatte, bestätigt den Trend zur Homöopathie: Die neuesten Ergebnisse zeigen, dass über die Hälfte der deutschen Bevölkerung bereits Homöopathika verwendet hat, wobei der Verwenderkreis stetig weiter wächst.

Die Homöopathie ist so beliebt, da sie als besonders nebenwirkungsarm und gut verträglich gilt. Vor allem spezielle Patientengruppen wie Kinder, schwangere oder stillende Frauen sowie ältere Menschen, bei denen nicht immer problemlos allopathische Medikamente eingesetzt werden können, greifen oftmals zu Homöopathika. Am häufigsten werden entsprechende Mittel gegen Erkältungen und grippale Infekte eingesetzt.

Ähnlichkeitsprinzip Die Homöopathie ist eine ganzheitliche, sanfte und sehr gut verträgliche Heilmethode, die vor etwa 200 Jahren von dem Arzt und Apotheker Dr. Samuel Hahnemann (1755 bis 1843) begründet wurde. Der Name seiner neuen Therapieform ist vom griechischen Wort „homoios“ = ähnlich abgeleitet und verdeutlicht ihr grundlegendes Prinzip: „Similia similibus curentur“ – Ähnliches werde durch Ähnliches geheilt.

Das Grundprinzip der Behandlungsweise fand Hahnemann in einem Selbstversuch heraus. Er stellte fest, dass eine größere Menge Chinarinde vorübergehend Malaria-ähnliches Wechselfieber auslösen kann. Daraus leitete er das Ähnlichkeitsprinzip ab: Eine Substanz, die bei einem gesunden Menschen bestimmte Symptome auslöst, kann bei einem kranken Menschen ähnliche Symptome lindern. Gleichzeitig zeigt sich hier noch ein weiterer entscheidender Grundsatz der Homöopathie, demnach die homöopathischen Arzneimittel immer am gesunden Menschen getestet werden. Durch diese Arzneimittelprüfung ent- steht eine Art Wirkungskatalog für jedes Mittel, was die Homöopathen als Arzneimittelbild bezeichnen.

Bezogen auf den Versuch mit der Chinarinde bedeutet dies, dass diese bei einem Malariakranken das Fieber bekämpft. Weitere bekannte Beispiele sind die Küchenzwiebel, Alium cepa, die eine laufende Nase und tränende Augen verursacht und in der Homöopathie gegen Fließschnupfen eingesetzt wird. Oder die Kaffeebohne, Coffea, die als Kaffee getrunken anregend wirkt und homöopathisch verabreicht ein Mittel gegen Schlafprobleme ist. Allgemein formuliert sollen die Symptome, die ein homöopathisches Mittel beim Gesunden auslöst, denen des Kranken so ähnlich wie möglich sein. Eine homöopathische Arznei wirkt daher am besten, wenn sie möglichst genau zum Beschwerdebild passt.

Selbst heilen Hintergrund für die Wirkung der Homöopathie ist eine Reiz- und Regulationstherapie. Die Substanz setzt einen Schlüsselreiz, um die Selbstheilungskräfte zu mobilisieren. Der Organismus soll angeregt werden, die zu behandelnde Krankheit, die „verstimmte Lebenskraft“, wie Hahnemann es nannte, aus eigener Kraft zu bekämpfen. Dabei werden im homöopathischen Sinne die Symptome weniger als Ausdruck eines organischen Leidens gesehen, sondern auf eine Störung des inneren Gleichgewichts zurückgeführt. Die Homöopathie behandelt daher nicht wie die Allopathie die Symptome. Sie will vielmehr die Kräfte des Organismus aktivieren, um die Krankheitsursache und damit die Erkrankung grundlegend in den Griff zu bekommen.

Ganzheitlich und individuell Die Homöopathie betrachtet dabei nicht nur die Krankheit und ihre Symptome, sondern den ganzen Menschen in seiner Einzigartigkeit. Um das passende, ein speziell auf die kranke Person als Ganzes abgestimmte homöopathische Mittel zu finden, hinterfragt der homöopathisch praktizierende Therapeut sowohl das körperliche als auch das seelische Befinden. Dabei interessieren vor allem die auffallenden und außergewöhnlichen Symptome, welche die Person einzigartig auszeichnen.

HOMÖOPATHISCHES ARZNEIBUCH
Das erste Homöopathische Arzneibuch (HAB) erschien bereits 1934, allerdings nur als Privatausgabe. 1978 wurde dann das HAB 1 herausgebracht, kürzlich ist die derzeit gültige Fassung HAB 2014 erschienen. Das HAB ist eine Loseblattsammlung, die jährlich aktualisiert wird. Sie liegt in zwei Ringordnern vor und untergliedert sich in zwei Teile. Der erste Teil enthält die allgemeinen Bestimmungen zur Herstellung homöopathischer Arzneimittel. Der zweite Teil umfasst Monographien. Der Aufbau der HAB-Monographien erfolgt analog dem Deutschen Arzneibuch (DAB) und dem Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) und untergliedert sich in die Abschnitte Beschreibung, Herstellung der Arzneiformen, Eigenschaften, Identitätsprüfungen, Reinheitsprüfungen und Lagerhinweise.

Deshalb beginnt eine homöopathische Behandlung immer mit einem ausführlichen Eingangsgespräch. Gerade bei chronischen Beschwerden nimmt sich der homöopathische Therapeut viel Zeit für seinen Patienten. Eine Erstanamnese kann ein bis zwei Stunden dauern. Der Homöopath erfragt nicht nur aktuelle Beschwerden und ihre genauen Modalitäten, also die bestimmten Umstände, unter denen sich Beschwerden verbessern oder verschlechtern. Er erkundigt sich zudem nach früheren Symptomen und Krankheiten. Dabei wird nicht nur die kranke Person, sondern auch das gesamte Lebensumfeld berücksichtigt.

»Die Homöopathie aktiviert im Sinn einer Reiz- und Regulationstherapie die Selbstheilungskräfte im Körper.«

Krankheits- und Lebensgeschichten, das Lebensgefühl, Eigenarten, Vorlieben und Gewohnheiten, die gesamte Konstitution – also alles was den Menschen ausmacht, ist für die Auswahl des richtigen homöopathischen Mittels wichtig. Man spricht bei dieser Art der Behandlung auch von der konstitutionellen Homöopathie. Dabei kann es sein, dass zwei verschiedene Personen mit derselben Diagnose unterschiedliche Mittel erhalten. Ebenso kann das gleiche Homöopathikum bei unterschiedlichen Krankheiten zur Anwendung kommen.

Modalitäten beachten Voraussetzung für die richtige Arzneimittelauswahl ist nicht nur das akute Beschwerdebild, sondern auch die Umstände, die sich verschlimmernd oder bessernd auf das Allgemeinbefinden oder den Krankheitsprozess auswirken. Je eigenartiger die Modalitäten sind, umso größer ist ihr Wert für eine gezielte Arzneimittelfindung. Zu den Modalitäten

gehören beispielsweise Ruhe oder Bewegung, Wärme oder Kälte, Tageszeit, Nahrungsaufnahme und andere persönliche Empfindungsweisen. Dies soll beispielsweise an dem Beschwerdebild fließender Schnupfen mit tränenden Augen verdeutlicht werden, das homöopathisch mit Allium cepa oder Euphrasia officinalis behandelt werden kann. Bei diesen Symptomen kann eine Erkältung oder eine allergische Rhinitis zugrunde liegen.

ERSTATTUNG IN DER GKV
Viele gesetzliche Krankenkassen haben homöopathische Arzneimittel als Satzungsleistung in ihren Leistungskatalog aufgenommen und erstatten die Kosten für diese. Die entsprechenden Krankenkassen haben hierzu Erstattungsobergrenzen festgesetzt. Das bedeutet, dass die Kassen die Kosten für homöopathische Arzneimittel nur bis zu einem bestimmten Betrag übernehmen. Zudem verlangen viele Kassen von ihren Versicherten eine Eigenbeteiligung. Eine Bedingung für die Erstattung von homöopathischen Arzneimitteln ist, dass diese auf einem Grünen Rezept (oder Privatrezept) verordnet werden.

Die Diagnose hilft aber für eine Selbstmedikation in der Homöopathie allein nicht weiter. Vielmehr kommt es auf die Begleitumstände an. Durch die Berücksichtigung der Modalitäten lässt sich die Auswahl des Homöopathikums näher eingrenzen. Bei Allium cepa wird es im Freien und bei frischer Luft besser, in warmen Räumen oder spät nachmittags und abends hingegen schlechter. Bei Euphrasia officinalis verhält es sich umgekehrt. Hier kommt es im Freien und morgens zu einer Verschlechterung.

Homöopathische Beratung Da chronische Beschwerden eine eingehende Befragung mit Berücksichtigung des Gesamtbildes des Kunden erfordern, sind sie in der Regel nicht prinzipiell für die Beratung in der Apotheke geeignet. Ein so ausführliches homöopathisches Beratungsgespräch ist realistisch betrachtet nur in den wenigsten Fällen in der Apotheke praktikabel durchführbar. Gerade bei langwierigen, chronischen Beschwerden hat sich die Homöopathie zwar sehr bewährt und bringt Linderung bei Erkrankungen, bei denen die Schulmedizin oft nicht weiter weiß. Doch chronische Krankheiten sollten von einem erfahrenen homöopathischen Arzt oder Heilpraktiker behandelt werden, der individuell auf den Konstitutionstyp abgestimmt das passende Homöopathikum auswählt.

... in der Apotheke Hingegen können PTA und Apotheker ihre Kunden sehr gut bei akuten Symptomen beraten und ein homöopathisches Arzneimittel für die Selbstmedikation aussuchen. Gerade leichtere Beschwerden sind ein Fall für die Offizin. Bewährte Indikationen in der Selbstmedikation und damit für die homöopathische Beratung durch PTA oder Apotheker sind beispielsweise Erkältungskrankheiten mit Fieber, Husten, Schnupfen, Halsund Ohrenschmerzen.

Ebenso eigenen sich Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen, verschiedene akute Schmerzustände wie beispielsweise Kopf-, Zahn-, Regel- oder Rückenschmerzen sowie leichtere Hauterkrankungen wie Herpes, Warzen oder Wunden für ein kompetentes Beratungsgespräch in der Apotheke. Bei der Selbstmedikation von bewährten Indikationen spricht man von der organbezogenen Homöopathie, bei der auch individuell der Einzelfall mit seiner speziellen Symptomatik betrachtet wird.

Über 2000 Ausgangsstoffe Für die Herstellung von Homöopathika wird aus einer Vielzahl von Substanzen aus den verschiedenen Bereichen der Natur ausgewählt. Die klassische Homöopathie verwendet Pflanzen (z. B. Arnika montana/Bergwohlverleih, Pulsatilla pratensis/Küchenschelle), tierische Substanzen (z. B. Apis mellifica/Honigbiene, Calcium carbonicum/Austerschalenkalk), Mineralien (z. B. Silicea/Kieselsäure) und Metalle (z. B. Aurum metallicum/Gold) sowie chemische Verbindungen (z. B. Acidum phosphoricum/Phosphorsäure) als Ausgangsmaterialien. In den Nosoden sind Krankheitsprodukte von Mensch oder Tier, Krankheitserreger oder deren Stoffwechselprodukte oder Zersetzungsprodukte tierischer Organe enthalten, die zuvor sterilisiert wurden (z. B. Tuberculinum/Sekret eines tuberkulösen Abzesses).

Globuli & CoHomöopathische Mittel werden in verschiedenen Darreichungsformen und Potenzen angeboten. Für die innerliche Einnahme stehen vor allem Globuli, Tabletten und Dilutionen (Tropfen) zur Verfügung. Einige homöopathische Hersteller vertreiben auch Zäpfchen, Ampullen zur Injektion, Augentropfen sowie Salben für die äußerliche Anwendung.

Am häufigsten werden Globuli, auch Streukügelchen genannt, genommen. Sie weisen mehrere Vorteile auf. So eigenen sich Globuli besonders für Säuglinge und Kinder, da sie alkoholfrei und gut dosierbar sind. Sie werden auch von Personen mit einer Laktoseintoleranz bevorzugt, da sie im Gegensatz zu Tabletten keine Laktose enthalten. Globuli werden nach den besonderen Prinzipien der Klassischen Homöopathie hergestellt. Die Herstellung hat Samuel Hahnemann erstmals in seinem Grundlagenwerk der Homöopathie, dem sogenannten “Organon der Heilkunde” beschrieben. Sie findet sich heute als Vorschrift 10 im Deutschen Homöopathischen Arzneibuch (HAB), einem Teil des Deutschen Arzneibuches (DAB) wieder.

Globuli bestehen zumeist aus Saccharose und werden mit dem jeweiligen homöopathischen Mittel in flüssiger Form im Verhältnis 1:100 benetzt. Sie tragen die Potenzstufe der aufgetragenen Dilution, deren Alkoholgehalt bei mindestens 62 Prozent liegen muss. Da etwaiger sich darin befindlicher Alkohol beim Trocknungsvorgang verdunstet, sind homöopathische Globuli frei von Alkohol.

Richtige Einnahme Homöopathische Mittel werden 15 bis 30 Minuten vor oder nach den Mahlzeiten eingenommen. Dabei werden Globuli ebenso wie homöopathische Tabletten nicht einfach heruntergeschluckt, sondern direkt auf die Zunge gelegt, um eine Resorption über die Mundschleimhaut zu ermöglichen. Alternativ ist ein Einlegen in die Wangentasche denkbar.

Bei der Applikation von Tropfen empfiehlt sich ein Plastiklöffel. Metalllöffel sind zu vermeiden, da nach Ansicht der Homöopathen die Wirkung homöopathischer Mittel durch die Magnetfelder von Metallen verändert werden kann. Ebenso empfehlen Homöopathen, weder Kaffee zu trinken noch Zubereitungen mit ätherischen Ölen (z. B. Kamille, Pfefferminze, Menthol) während der homöopathischen Behandlung zu verwenden (z. B. oft in Zahnpasten).

Potenzierung – Wirkungsverstärkung Die Ausgangsstoffe sind in homöopathischen Arzneimitteln immer nur stark verdünnt enthalten, wobei die Homöopathie ein spezielles Verdünnungsverfahren einsetzt, das unter dem Begriff Potenzierung bekannt ist. Bei der Herstellung flüssiger Zubereitungen wird schrittweise der Ausgangsstoff verdünnt und gleichzeitig durch kräftig abwärts geführte Schüttelschläge verschüttelt.

Die Potenzierung fester homöopathischer Mittel erfolgt analog derjenigen der flüssigen Mittel. Dabei wird die feste Ausgangssubstanz zunächst mit einem Mörser zerstoßen. Danach verreibt man sie eine Stunde lang mit der entsprechenden Menge Laktose. Durch dieses Verdünnungsverfahren werden zum einen die Toxizität beziehungsweise die Nebenwirkungen eines Wirkstoffes geringer. Vor allem erfährt das Mittel aber mit jedem Verdünnungsschritt eine Wirkungsverstärkung.

Hahnemann selber sprach davon, dass bei der besonderen Herstellungsmethode dynamische Kräfte geweckt würden. Deshalb wird das Verfahren auch als Dynamisierungsprozess verstanden und als Potenzierung bezeichnet. Allerdings ist diese dynamisierende Verdünnung bis heute nicht wissenschaftlich nachvollziehbar und wird immer wieder zwischen den Gegnern und Befürwortern heftig diskutiert.

D-, C- und LM-Potenzen Es sind drei verschiedene Arten der Potenzierung gebräuchlich, die sich voneinander durch die jeweils angewandten Verdünnungsschritte unterscheiden. Bei D (Dezimal)-Potenzen (von lat. decem = 10) besteht eine Potenzierungsstufe aus einer Verdünnung des Wirkstoffes im Verhältnis 1:10, das heißt, es wird ein Teil der Grundsubstanz mit neuen Teilen eines Wasser-Alkohol-Gemisches verdünnt, die Lösung anschließend zehnmal verschüttelt. Dies entspricht einer D1-Potenz.

Verdünnt man dann einen Teil der D1 wiederum mit neun Teilen des Wasser-Alkohol-Gemisches, erhält man die Potenz D2, also einen Verdünnungsgrad von 1:100. Eine D6 hat dann schließlich einen Verdünnungsgrad von 1:1 000 000, eine D12 von 1:1 000 000 000 000. Bei Hahnemann erfolgte die Potenzierung ursprünglich in 100er Sprüngen. Er erhielt damit die auch heute noch gebräuchlichen C (Centisimal)-Potenzen (von lat. centum = 100). Diese sind also in einem Verhältnis 1:100 verdünnt und zehnmal verschüttelt. Damit ist die Konzentration des Ausgangsstoffes in einer C6- die gleiche wie in einer D12-Potenz.

Gemäß der homöopathischen Lehre haben jedoch die C6- und D12-Potenzen unterschiedliche Eigenschaften, da sie sich in der Anzahl der Potenzierungsstufen unterscheiden. Einer D12, also einer 12-fach potenzierten Substanz, wird daher eine größere Wirkung als einer C6 zugeschrieben. Schließlich sind noch LM (Quinquaginta-Millesimal)-Potenzen (von lat. L/quinquaginta = 50/fünfzig und M/millesimum = 1000/das tausendste) erhältlich. Sie werden auch Q-Potenzen genannt. Die Herstellung von LM-Potenzen erfolgt in Verdünnungsstufen von 1:50 000 mit 100-maliger Verschüttelung bei jedem Schritt.

Wahl der Potenz Bei den Potenzen unterscheidet man zudem noch zwischen niedrigen (D6/C6), mittleren Potenzen (D12/C12) und Hochpotenzen (ab D30/C30). Für die Beratung in der Apotheke eigenen sich vor allem die Potenzen D6 bis D12, wobei organische Beschwerden vor allem mit einer D6 behandelt werden. Ab D12 haben die Mittel einen zunehmenden Einfluss auf den seelischen Bereich, so dass eine D12 bei Beschwerden geeignet ist, die neben körperlichen auch psychische Symptome zeigt.

»Bei der Klassischen Homöopathie wird der ganze Mensch betrachtet und individuell das auf ihn abgestimmte Einzelmittel ausgewählt.«

Aber auch bei chronischen Erkrankungen, die häufig mit seelischen Problemen einhergehen, ist eine D12 eine gute Wahl. Zudem hat sich diese Potenz bei der Behandlung von Kindern bewährt. Hochpotenzen (vor allem ab C200 und LM-Potenzen) sollten nicht in der Selbstmedikation zum Einsatz kommen. Sie gehören vielmehr in die Hand eines erfahrenen homöopathischen Therapeuten, der diese hoch wirksamen Mittel für die konstitutionelle Behandlung vorsieht. Zudem sollte bei diesen Potenzen eine möglichst exakte Übereinstimmung zwischen dem Krankheits- und Arzneibild vorliegen. Darüber hinaus kommt es bei den Hochpotenzen häufiger zu einer Erstverschlimmerung.

Erstverschlimmerung möglich Zu Beginn einer Behandlung kann es kurzfristig zu einer Symptomverstärkung kommen. Homöopathen bewerten dies als positives Zeichen, das anzeigt, dass die homöopathische Arznei gut gewählt wurde und die Selbstheilungskräfte des Körpers darauf ansprechen. In der Regel tritt dieses Phänomen der Erstverschlimmerung nicht bei niedrigen Potenzen auf, sondern ist typisch bei Hochpotenzen. Homöopathen raten, bei einer Verstärkung der Beschwerden das Mittel abzusetzen und einen Tag Pause zu machen. In dieser Zeit klingen die Beschwerden meist wieder ab. Danach kann das Mittel erneut genommen werden.

Dosierung Prinzipiell richtet sich die Häufigkeit der Einnahme nach der Aktualität der Beschwerden. Als Faustregel gilt: Je akuter die Beschwerden, desto häufiger sollte die Einnahme erfolgen. Geht es dem Patienten zunehmend besser, wird das Homöopathikum weniger oft appliziert. Die Dosierung kann nach folgendem Schema vorgenommen werden: Sind die Beschwerden sehr akut, wird die passende Arznei zunächst halbstündlich bis zur Besserung genommen. Tritt nach fünf Stunden keine Besserung ein, muss das Mittel gewechselt oder vor allem bei Verschlimmerung ein Arzt aufgesucht werden.

Bei einem subakuten Zustand wird das Mittel alle ein bis zwei Stunden bis zur Besserung gegeben. Erfolgt nach 12 bis 24 Stunden keine Besserung ist wiederum ein Mittelwechsel oder Arztbesuch ratsam. Weniger akute Zustände beziehungsweise chronische Zustände erfordern lediglich eine zwei- bis dreimal tägliche Gabe. Nach drei Wochen sollte eine deutliche Besserung eingetreten sein und die homöopathische Therapie beendet werden. Bei anhaltenden Beschwerden kann nach einer einwöchigen Pause wieder mit der Einnahme begonnen werden.

Einzel- und Komplexmittel Die Homöopathie hat sich nach Hahnemann in verschiedene Richtungen weiter entwickelt. Neben der Klassischen Therapie, die nur die Anwendung eines einzigen Mittels bei einer Erkrankung postuliert, ist beispielsweise auch die Komplexmittelhomöopathie entstanden. Diese verwendet homöopathische Präparate, die aus verschiedenen Einzelmitteln in teilweise unterschiedlichen Dosierungen zusammengesetzt sind. Diese Arzneispezialitäten werden als Komplexmittel bezeichnet und sollen durch eine synergistische Wirkung ihrer Bestandteile ein breites Wirkspektrum aufweisen. Die Wahl des Komplexmittels erfolgt wie bei allopathischen Arzneimitteln nach Indikationsgebieten.

Im Gegensatz zu den Einzelmitteln, die lediglich hinsichtlich ihrer Qualität und Unbedenklichkeit überprüft und nach einem Verfahren des Homöopathischen Arzneibuches hergestellt sein müssen und dann ohne Angabe einer Indikation registriert werden, unterliegen Kombinationspräparate der Zulassungspflicht. Sie müssen ihre therapeutische Wirkung für die deklarierte Indikation belegen. Obwohl Vertreter der klassischen Homöopathie diese Mittel ablehnen, haben sie sich in der Praxis vielfach bewährt und sind aus der homöopathischen Therapie nicht mehr wegzudenken.

Schüßler Salze Eine andere Strömung innerhalb der Homöopathie, die sich inzwischen fest etabliert hat, ist die Biochemie. Der Oldenburger Arzt und Homöopath Dr. Wilhelm Heinrich Schüßler (1821 bis 1898) entwickelte eine neue Therapierichtung, die sich von der Klassischen Homöopathie mit ihrem Ähnlichkeitsprinzip abwendet. Sein Heilverfahren gründet sich auf die physiologisch-chemischen Vorgänge, die sich im menschlichen Organismus vollziehen.

EINE HOMÖOPATHISCHE GABE
Je nach Alter des Patienten wird eine unterschiedliche Menge des homöopathischen Mittels gegeben. Säuglinge (bis zu 12 Monate) erhalten pro Verabreichung ein Globulus, Kleinkinder (ein bis fünf Jahre) bekommen drei Globuli und bei Schulkindern und Erwachsenen stellten fünf Globuli, fünf Tropfen oder eine Tablette die angemessene homöopathische Gabe dar.

Schüßler wurde stark beeinflusst durch den Berliner Arzt Rudolf Virchow (1821 bis 1902), der die bahnbrechende Entdeckung machte, dass der gesamte Organismus aus einer Vielzahl von einzelnen Zellen besteht, und dass sowohl alles Leben als auch die pathologischen Vorgänge an das Gewebe gebunden sind. Schüßler fand in seinen eigenen Forschungen heraus, dass es zwölf lebenswichtige Bausteine gibt, die in einem ausgewogenen Verhältnis im Körper vorhanden sein müssen, wenn es nicht zur Krankheiten oder Mangelerscheinungen kommen soll.

Er ordnete jedem dieser zwölf wichtigen Funktionsmittel bestimmte Aufgaben in den einzelnen Zellen und im gesamten Organismus zu. 1874 publizierte er sein Buch „Eine abgekürzte Therapie“, in dem er seine neue Therapierichtung erläuterte, die er wenig später als Biochemie bezeichnete. Sie ist eine Substitutionstherapie, da Schüßler die homöopathisch zubereiteten Mineralstoffverbindungen als Funktionsmittel einsetzte, um Defizite an Mineralstoffen im Körper auszugleichen. Damit sollten die biochemischen Mittel eine Wiederherstellung des zum normalen Funktionsablauf der Zelle notwendigen Ionengefälles ermöglichen.

Wahl der Mittel Schüßler schloss anhand bestimmter Merkmale im Gesicht wie beispielsweise Hautfarbe, Spannkraft, Röte oder Faltigkeit auf den Versorgungszustand des betreffenden Menschen an biochemischen Funktionsmitteln und damit auf ein Beschwerdebild. Die Zeichen im Antlitz sind bereits sichtbar, bevor körperliche Störungen auftreten. Noch heute gehen Therapeuten nach dieser Antlitzdiagnose vor. Darüber hinaus werden aber auch andere Methoden (z. B. Irisdiagnose, labordiagnostische Verfahren) eingesetzt.

Funktions- und Ergänzungsmittel Die ursprünglichen zwölf Mineralsalze nach Schüßler wurden Funktionsmittel genannt, da sie einen Einfluss auf bestimmte Funktionen der Körperorgane ausüben. Sie umfassen:

  • Nr. 1 Calcium fluoratum (Salz des Bindegewebes, der Gelenke und Haut)
  • Nr. 2 Calcium phosphoricum (Salz der Knochen und Zähne)
  • Nr. 3 Ferrum phosphoricum (Salz des Immunsystems)
  • Nr. 4 Kalium chloratum (Salz der Schleimhäute)
  • Nr. 5 Kalium phosphoricum (Salz der Nerven und Psyche)
  • Nr. 6 Kalium sulfuricum (Salz der Entschlackung)
  • Nr. 7 Magnesium phosphoricum (Salz der Muskeln und Nerven)
  • Nr. 8 Natrium chloratum (Salz des Flüssigkeitshaushalts) , Nr. 9 Natrium phosphoricum (Salz des Stoffwechsels)
  • Nr. 10 Natrium sulfuricum (Salz der inneren Reinigung)
  • Nr. 11 Silicea (Salz der Haare, Haut und des Bindegewebes)
  • Nr. 12 Calicum sulfuricum (Salz der Gelenke)

Später nach Schüßlers Tod wurden noch weitere Mineralstoffe im Blut und Gewebe für die Gesundheit des Organismus bekannt. Sie werden als Ergänzungsmittel bezeichnet und sind im Laufe der Zeit auf 15 Stück angewachsen. Es handelt sich um Mineralstoffe, die Aluminium, Arsen, Brom, Jod, Kupfer, Lithium, Mangan und Zink enthalten.

ZUSATZINFORMATIONEN
Verschiedene Potenzen
Die Herstellung der biochemischen Mittel erfolgt nach den homöopathischen Herstellungstechniken. Die Potenzierung der biochemischen Funktionsmittel sollte ermöglichen, dass die Mineralstoffe in die Zellen gelangen können. Alle Funktionsmittel sind in Form von Tabletten in den Potenzen D3, D6 und D12 erhältlich. Die Ergänzungsmittel liegen in D6 und D12 vor. Schüssler selbst empfahl bei den meisten Funktionsmitteln die D6. Lediglich bei der Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 11 bevorzugte er die D12, da diese drei Mineralsalze eine geringere Löslichkeit besitzen und daher vom Organismus schlechter resorbiert werden können.

Richtige Dosierung
Schüssler empfahl bei akuten Beschwerden alle fünf Minuten die Einnahme einer Tablette bis zum Eintritt der Besserung. In chronischen Fällen schlug er ein bis zwei Tabletten drei- bis sechsmal täglich vor. Diese sollten jeweils eine halbe Stunde vor oder nach dem Essen langsam unter der Zunge zergehen. Im Gegensatz zur Klassischen Homöopathie ist es in der Biochemie üblich, mehrere Mittel miteinander zu kombinieren. Zudem ist die gleichzeitige Zufuhr koffeinhaltiger Getränke oder ätherischer Öle problemlos möglich. Und während in der Klassischen Homöopathie die Arzneimittel nur kurzfristig bis zum Abklingen der Symptome gegeben werden, sollte die Einnahme von Schüssler Salzen längerfristig erfolgen, um die Mineralstoffspeicher zuverlässig wieder aufzufüllen.

Grenzen der Homöopathie
Die Homöopathie lässt sich sehr gut bei leichten Alltagsbeschwerden einsetzen und selbst chronische Beschwerden sind behandelbar – allerdings nur, wenn das passende Mittel gewählt wurde. Daher sollten Sie sich nicht scheuen, den Kunden eventuell zu einem erfahrenen Homöopathen zu schicken, wenn Sie den Eindruck haben, dass bislang noch nicht das richtige Homöopathikum zum Einsatz gekommen ist. Eventuell wäre auch eine konstitutionelle Therapie sinnvoll, die nur mit einer ausführlichen Anamnese möglich ist. Auch sollten Sie zum Arzt raten, wenn Sie ernsthafte Krankheiten vermuten, die nicht hinreichend mit Homöopathika therapiert werden können, sondern einer allopathischen ärztlichen Therapie bedürfen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/15 ab Seite 34.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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