© Beat Ernst, Basel

Heilpflanzen

ROSENWURZ – ARKTISCHE WURZEL

In russischen und skandinavischen Ländern findet seit langem Rosenwurz traditionell als Stärkungsmittel Verwendung. Bei uns macht die Pflanze als Mittel bei Burnout von sich reden.

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Rosenwurz ist eine widerstandsfähige Pflanze, die bevorzugt in arktischen und höher gelegenen Regionen Europas, Nordamerikas und Asiens zu finden ist, worauf ihr Beiname arctic root, arktische Wurzel, deutet. Die etwa 25 bis 35 Zentimeter hohe Pflanze wächst aufrecht und unverzweigt in kleinen Horsten.

Rosenwurz ist eingeschlechtlich (diözisch), das heißt, die Pflanze besitzt nur männliche oder weibliche Blüten, die recht unscheinbar sind. Im Reifestadium bilden die gelb-grünen weiblichen und die gelb-rötlichen männlichen Blüten braunrote auffällige Balgkapseln aus. Die mehrjährige Pflanze entwickelt einen dicken Wurzelstock (Rhizom), der ihr als Überdauerungsorgan ein Überleben unter ungünstigen Lebensbedingungen sichert.

Zudem können die fleischigen, blau-grünen Blätter Wasser speichern, sodass ein Gedeihen auch an trockenen Standorten möglich ist. Als Sukkulente gehört Rhodiola rosea zur Familie der Dickblattgewächse (Crassulaceae) und ist von den 200 Rhodiolaarten die wissenschaftlich am intensivsten untersuchte Form.

Goldene Wurzel Schon der griechische Arzt Dioskurides beschrieb die Pflanze „rodia riza” und erwähnte den rosenähnlichen Duft, den ihre Wurzel beim Zerreiben verströmt. Diesem charakteristischen Geruch verdankt Rhodiola rosea (griechisch rhodon = Rose mit dem lateinischen Diminutiv „-iola“) auch ihren Namen. Die vor allem in Asien gebräuchliche Bezeichnung Goldene Wurzel spiegelt die Anerkennung wieder, die der Pflanze in der traditionellen Volksmedizin seit Jahrhunderten aufgrund ihrer zugeschriebenen Wirkungen zuteil wird.

Traditionelle Anwendung Verwendet werden die Rhizome der Pflanze. Bereits vor Tausenden von Jahren wurden sie vor allem in China, Russland, Japan und Korea genutzt, um stressreichen Lebenssituationen besser gewachsen zu sein. Auch die Wikinger schätzten Rhodiola rosea als Heilpflanze zur Stärkung ihrer Kraft und Ausdauer. In der Volksmedizin Skandinaviens und Russlands wurde die Rhodiolawurzel viele Jahrhunderte lang als Mittel zur allgemeinen Stärkung und zur Erhöhung der Widerstandskraft gegen Infektionen gebraucht.

Darüber hinaus sind viele weitere traditionelle Indikationen bekannt: Stimulation des Nervensystems, Beseitigung von Erschöpfungszuständen und Müdigkeit, Stimmungsaufhellung, Verbesserung der Schlafqualität, Steigerung der Energie und Leistungsfähigkeit, verbesserte Aufmerksamkeit, Stärkung des Immunsystems, Verhinderung der Höhenkrankheit, Gewichtsreduktion, Potenzerhöhung und Langlebigkeit.

Eine Unbekannte mit Potenzial Mitte des letzten Jahrhunderts wuchs das wissenschaftliche Interesse für die volkstümlich verwendete Heilpflanze. Vor allem in Russland und Schweden wurde Rosenwurz intensiv beforscht, ist in Pharmakopöen und pharmazeutische Handbücher aufgenommen worden und hat sich besonders als anregendes Mittel zur Steigerung der Leistung und zum Stressabbau etabliert.

»Bereits die Wikinger verwendeten die Pflanze zur Stärkung ihrer Kraft und Ausdauer.«

Hier zu Lande ist die Pflanze allerdings noch relativ unbekannt. Sie ist weder im Europäischen Arzneibuch monografiert noch hat sich ihr die Kommission E gewidmet. Inzwischen gewinnt Rosenwurz aber zunehmend an Bedeutung und hat Eingang in die deutsche Phytotherapie gefunden. Rosenwurzextrakte sind bei uns als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich.

Auf der Suche nach dem Wirkmechanismus Dieser ist noch nicht vollständig identifiziert. Man geht davon aus, dass Rosenwurz in der Lage ist, den Neurotransmitterstoffwechsel im Gehirn zu beeinflussen. Daneben gibt es Hinweise für kardioprotektive und antioxidative Wirkungen. Für die Wirksamkeit wird ein breites Spektrum an Inhaltsstoffen in Zusammenhang gebracht.

Der Rhodiolawurzelextrakt enthält Phenylpropanoide und -ethanoide (Rosavine, Salidroside), Flavonoide, Polyphenole, Mono- und Triterpene sowie organische Säuren. Dabei ist für Rhodiola rosea ein Rosavine-Salidrosid-Verhältnis von drei zu eins charakteristisch.

Adaptogene Effekte In Studien wurden vor allem stressmindernde und leistungssteigernde Effekte nachgewiesen. Die Heilpflanze wirkt dabei wahrscheinlich adaptogen. Das bedeutet, dass sie zur Normalisierung der physiologischen Antworten auf Stress führt, wodurch der Organismus widerstandsfähiger und anpassungsfähiger gegenüber Stressauslösern wird. Ergebnisse neuerer klinischer Studien belegen eine therapeutische Wirkung bei stressbedingter mentaler und körperlicher Erschöpfung (z. B. bei Burn-out-Patienten).

Praktische Tipps Rosenwurzextrakte sollten aufgrund ihrer anregenden Wirkung am besten morgens oder am Vormittag eingenommen werden. Aufgrund fehlender Daten ist der Extrakt nicht für Schwangere, Stillende und Kinder unter zwölf Jahren geeignet.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/12 ab Seite 32.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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