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Transplantation

RETTUNG BEI FUNKTIONSVERLUST

Seit gut 50 Jahren ist es möglich, Patienten mit unheilbaren Organerkrankungen durch Transplantationen zu helfen – dank der fortschrittlichen Medizin mit immer besseren Erfolgsaussichten.

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Verpflanzen kann man Herz, Lunge, Leber, Nieren, Pankreas, Darm, Teile der Haut und eine Reihe von Geweben. Nur Personen, die durch einen Hirntod sterben, während durch intensivmedizinische Maßnahmen gleichzeitig verhindert wird, dass die übrigen Organe geschädigt werden, kommen für eine Organentnahme in Frage – sofern die Bereitschaft zur Organspende dokumentiert ist beziehungsweise die Angehörigen einwilligen.

Das Alter des Verstorbenen ist nicht unbedingt entscheidend; ausschlaggebend ist, ob das benötigte Organ funktionstüchtig ist. Infektionen oder Tumorerkrankungen müssen ausgeschlossen werden. Entnahme und Transport des Organs müssen zügig vor sich gehen, um die Zeitspanne, während derer das Transplantat von Blutzufuhr abgeschnitten ist – die so genannte kalte Ischämiezeit –, möglichst kurz zu halten. Eine Alternative ist die Lebendspende, die, um möglichen Missbrauch auszuschließen, nur unter nahen Verwandten oder einander sehr nahe stehenden Menschen möglich ist. Von den paarweise vorhandenen Nieren kann eine ohne Einbußen bei der Entgiftungsfunktion entnommen werden.

MANIPULATION BEI ORGANSPENDEN?
Auf www.dso.de finden Sie eine Stellungnahme der Deutschen Stiftung Organtransplantation zu den aktuellen Vorfällen sowie allgemeine Informationen zu Organspende, -vermittlung und -transplantation.

Bessere Planbarkeit der Operationen und kurze Konservierungszeit des Organs bewirken, dass transplantierte Organe nach einer Lebendspende länger und besser funktionieren als nach der Post-mortem-Spende. Als regenerierungsfähiges Organ eignet sich auch die Leber für die Lebendspende: Zur Verpflanzung in ein Kind wird der kleinere linke, für erwachsene Empfänger der größere rechte Leberlappen entnommen. Voraussetzung ist, dass der Spender sich in körperlich guten Zustand befindet.

Das „passende” Organ Die entscheidende Frage bei jeder Transplantation ist, wie gut der Körper das fremde Gewebe toleriert: Schließlich ist das Immunsystem darauf programmiert, fremde Stoffe und Zellen als möglicherweise gefährliche Eindringlinge zu identifizieren und zu bekämpfen. Die Zellen jedes Menschen weisen ganz eigene, unverwechselbare Antigene auf ihrer Oberfläche auf, die sie als körpereigene Struktur kenntlich machen. Das so genannte HLA-System (Humanes Leukozytenantigen-System) fungiert wie eine Art „Erkennungscode”; Zellen mit abweichenden HLA-Mustern werden zerstört.

Um eine hohe Gewebeverträglichkeit (Histokompatibilität) zu erzielen, versucht man, Spender zu finden, die in ihren HLA-Antigenen möglichst gut mit den HLA-Antigenen des Empfängers übereinstimmen (HLA-kompatibler Spender). Dieses Spender/Empfänger-“Matching” verringert die Gefahr, dass das Transplantat vom Empfängerorganismus angegriffen wird. Bei älteren Patienten über 65 Jahren verzichtet man heute oft auf das HLA-Matching. Das ist möglich, weil das Immunsystem mit höherem Alter weniger aktiv ist.

Zwar überleben die transplantierten Organe durch die schlechtere Gewebeübereinstimmung nicht so lange wie sonst, dafür können so die Wartezeiten stark verkürzt werden, was gerade in dieser Altersgruppe medizinisch wichtig ist. Auch die an sich notwendige Verträglichkeit der Blutgruppen von Spender und Empfänger kann man dank moderner Möglichkeiten (Immunadsorption und spezielle Antikörper) neuerdings vernachlässigen – und so die Zahl der in Frage kom

Lebenslange Medikation Da prinzipiell zu jedem Zeitpunkt nach der Transplantation eine akute Abstoßung auftreten kann, ist die dauerhafte Unterdrückung der körpereigenen Abwehr, also immunsuppressive Therapie erforderlich. Um größtmögliche Wirkung bei einem möglichst akzeptablen Niveau von Nebenwirkungen zu erzielen, werden Substanzen mit unterschiedlichem Wirkprinzip – Calcineurininhibitoren wie beispielsweise Cyclosporin A, Antimetabolite wie Azathioprin, mTor-Inhibitoren wie Sirolimus sowie Kortikosteroide – kombiniert. Die Immunsuppression wird individuell „maßgeschneidert, je nach immunologischem Risiko, dem Auftreten von Infektionen etc. Auf lange Sicht sind oft Dosisreduktionen möglich.

Erkauft wird die gedämpfte Reaktionsbereitschaft der Immunabwehr mit einem erhöhten Infektionsrisiko. Organtransplantierten sollten so gut es geht versuchen, sich durch gute Körperpflege und Hygiene sowie eine gesunde Lebensweise vor Ansteckung zu schützen.

Was es zu beachten gilt Ein weiterer Punkt, auf den man organtransplantierte Patienten aufmerksam machen muss, sind die vielfältig möglichen Interaktionen – unter anderem auch mit Johanniskraut und Grapefruitsaft (bei Cyclosporin und Tacrolimus). Die Calcineurinhemmer verlangen zudem eine strikte Einhaltung der jeweils gleichen Einnahmezeit, damit der Wirkspiegel stimmt.

Da die Substanzen eine geringe therapeutische Breite haben, kann ein Präparatewechsel nach Organtransplantation gefährlich werden. Verschiedenste Faktoren wie zum Beispiel Begleitmedikamente oder Infekte können die Blutspiegel der Immunsuppressiva beeinflussen; darum werden die Medikamentenspiegel im Blut routinemäßig geprüft (therapeutisches Drug-Monitoring).

Zahlreiche langfristige Nebenwirkungen unter der Dauertherapie können Glukose- und Fettstoffwechsel sowie die Knochendichte betreffen. Insbesondere aber besteht auf lange Sicht ein erhöhtes Krebsrisiko, vermutlich, weil die Patienten sich mit onkogenen Viren infizieren oder es zu einer Reaktivierung früherer Infektionen kommt. Vor allem Hautkrebs kommt relativ häufig vor; daher werden intensiver UV-Schutz und regelmäßige Vorstellung beim Dermatologen empfohlen.

Abstoßung Bei einem Angriff des Immunsystems kommt es zu Entzündungsreaktionen und Drosselung der Blutzufuhr, mit dem Resultat eines zunehmenden Funktionsverlusts bis zum Organversagen. Zeichen einer akuten Abstoßungsreaktion können ein Schwächegefühl und herabgesetztes Allgemeinbefinden sein; auch erhöhte Temperatur und Schmerzen im Bereich des verpflanzten Organs oder organspezifische Probleme kommen vor. Allerdings können solche Alarmsignale auch fehlen, weshalb regelmäßige Labortests nötig sind, um den Zustand des Organs zu beurteilen, gegebenenfalls wird es mittels Biopsien untersucht. Wird rechtzeitig hochdosiertes Kortikosteroid gegeben, zusammen mit einer Intensivierung der Basisimmunsuppression, kann der Organverlust verhindert werden.

Die chronische Abstoßungsreaktion entwickelt sich eher schleichend; hauptsächlich durch Gefäßschäden verschlechtert sich die Organfunktion langsam, aber kontinuierlich, zum Teil über Jahre hinweg. Neben immunologischen Reaktionen werden noch andere Einflüsse dafür verantwortlich gemacht. Dieser Funktionsverlust ist deutlich schlechter behandelbar.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/12 ab Seite 72.

Waltraud Paukstadt, Dipl. Biologin

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