Pollen © Alkimson / iStock / Thinkstock
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Heuschnupfen und Allergie

REIZENDE ZEITEN

Die meisten Menschen freuen sich, wenn sich im Frühling die ersten Sonnenstrahlen zeigen und es endlich wieder blüht. Für Pollenallergiker beginnt dann jedoch die qualvolle Zeit des Heuschnupfens.

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Therapie Die Pharmakotherapie erfolgt rein symptomatisch, dazu stehen verschiedene Antiallergika zur Verfügung. Bei leichten Ausprägungen kann eine lokale Anwendung von Antihistaminika gute Ergebnisse erzielen. Die Nasensprays und Augentropfen mit Azelastin oder Levocabastin werden zweimal täglich appliziert. Antihistaminika der ersten Generation sind zur systemischen Therapie geeignet, darunter fallen Wirkstoffe wie Dimenhydrinat, Dimetinden oder Clemastin. Sie überwinden allerdings die Blut-Hirn-Schranke und verursachen Müdigkeit. Bei regelmäßigen, allergischen Beschwerden empfiehlt es sich, die bewährten, rezeptfreien Wirkstoffe Loratadin oder Cetirizin einzunehmen.

Dabei handelt es sich um Antihistaminika der zweiten Generation – sie besitzen im Gegensatz zu Wirkstoffen der ersten Generation eine höhere H1-Rezeptor-Spezifität und passieren kaum die Blut- Hirn-Schranke. Bei beiden Substanzen ist eine Tagesdosis von zehn Milligramm üblich und sie werden vorwiegend abends eingenommen. Cetirizin zeigt bei allergischen Hautreaktionen einen stärkeren Effekt, Loratadin hat den Vorteil, dass es weniger müde macht. Zu den verschreibungspflichtigen H1- Antihistaminika der dritten Generation zählen die Wirkstoffe Desloratadin, Levocetirizin oder Fexofenadin.

Sie zeichnen sich durch ihre hohe H1-Rezeptor-Selektivität, durch ihre schnelle Resorption und hohe Bioverfügbarkeit aus. Bei geringer Sedierung weisen sie eine 24-stündige Wirksamkeit auf. Eine Alternative ist der Leukotrien-Rezeptorantagonist Montelukast, welcher Beschwerden bei Asthma und jahreszeitlich bedingte Allergie- Symptome lindert. OTC-Arzneimittel der zweiten Wahl ist der Mastzellenstabilisator Cromoglicinsäure. Er wird zur saisonalen Dauerprophylaxe eingesetzt, das heißt, seine Anwendung beginnt bereits drei Wochen vor dem ersten Pollenflug und muss drei bis vier Mal täglich stattfinden.

Cromoglicinsäure blockiert in aktivierten Mastzellen die Chloridkanäle und verhindert somit die Freisetzung von Entzündungsmediatoren wie Histamin. Prophylaktisch verwendet bewahren Cromoglicinsäure und Nedocromil gleichermaßen vor der Sofort- und der Spätreaktion. Zur Therapie von längerfristigen, mäßigen bis starken Beschwerden sind nasale Glukokortikoide wie Beclomethason geeignet. Der Wirkstoff ist der einzige Vertreter aus dieser Gruppe, der ohne Rezept für die nasale Applikation erhältlich ist. Er wirkt gegen laufende Nase, Juck-und Niesreiz. Glukokortikoide finden darüber hinaus auch in der Selbstmedikation in Form von Hydrokortison-haltigen Cremes bei Kontaktallergien Verwendung.

Eine weitere Option bei der topischen Behandlung von allergischen Symptomen ist das Antihistaminikum Levocabastin. Zusätzlich können Pollenallergiker sich mit Medizinprodukten helfen: Eine Nasendusche mit einer isotonischen Salzlösung spült Allergene aus, ein Allergiespray mit natürlichen Inhaltsstoffen (Alpensalz und Ectoin®) lindert die Beschwerden bei plötzlichen Pollenattacken. Das Wirkprinzip des Sprays besteht darin, die Allergene aus der Nase zu entfernen und einen luftdurchlässigen Hydrofilm auszubilden, der die Nasenschleimhaut beruhigt.

WEITERE ALLERGIEFORMEN

Bei Nahrungsmittelallergien leiden Betroffene unter Symptomen im Mundund Rachenbereich. Typische Beschwerden sind Kribbelgefühle sowie Schwellungen bis hin zur Atemnot. Häufig sind es Nahrungsmittel wie Milch, Eier, Obst und Getreide, die Allergien auslösen. Davon zu unterscheiden ist die Kontaktallergie. Die Symptome erscheinen, nachdem die Haut mit einem bestimmten Stoff in Berührung gekommen ist. Ein gängiges Beispiel ist die Nickelallergie. Wissen Betroffene, welche Substanz die Beschwerden hervorruft, sollte diese gemieden werden.

Kreuzweise allergisch Bei bestimmten Allergenen sind Kreuzallergien nicht selten. Pollenallergiker reagieren beispielsweise häufig auf den Genuss bestimmter Obst- und Gemüsesorten. Wer auf früh blühende Bäume und Sträucher (wie Erle, Hasel oder Birke) anschlägt, plagt sich meist auch beim Verzehr von Nüssen sowie einigen rohen Obstsorten (etwa Äpfel, Birnen, Kirschen, Pfirsiche, Pflaumen) mit Beschwerden. Die Kreuzallergie beruht auf der Ähnlichkeit der Pollen mit den Eiweißen der entsprechenden Nahrungsmittel. Heuschnupfenallergiker sollten demnach im Hinterkopf behalten, dass sich hinter den Symptomen, die sich nach dem Genuss bestimmter Lebensmittel bemerkbar machen, möglicherweise Kreuzallergien verbergen.

Allergieschock durch körperliche Aktivität Eine sehr seltene Form der Allergie ist die sogenannte WDWIA (wheat dependent excercise induced anaphylaxis, übersetzt: weizenabhängige, anstrengungsinduzierte Anaphylaxie). Hier wird deutlich, wie wichtig die medizinische Abklärung durch den Arzt ist. Selbst für den erfahrenen Mediziner erfordert die Diagnostik der WDWIA Detektivarbeit: Diese Form der Weizenallergie führt nur in Kombination mit einem Trigger (Anstrengung, Alkohol oder Sport) zu lebensbedrohlichen Beschwerden.

Tipps für Ihre Kunden Im Beratungsgespräch sollten PTA und Apotheker zunächst nachfragen, in welchem Zusammenhang die Beschwerden typischerweise auftreten. Berichten Kunden von länger anhaltenden oder wiederkehrenden Beschwerden, empfiehlt sich ein Arztbesuch zur Diagnose des Allergens. Nur wenn klar ist, worauf man allergisch reagiert, ist es möglich, den Auslöser bewusst zu meiden. Auch die Einnahme von Arzneimitteln gehört zu den Themen im Beratungsgespräch, denn einige Menschen reagieren auf die Einnahme von bestimmten Wirkstoffen, etwa Penicillinen oder Cephalosporinen, allergisch.

Dabei können sich die Beschwerden auch zeitlich verzögert entwickeln. Betrifft die Reaktion den gesamten Körper oder deuten die Symptome auf Asthma hin, sollte unbedingt ein Arzt konsultiert werden. Es ist außerdem hilfreich, Pollenallergikern folgende Ratschläge mit auf den Weg zu geben:

  • nach dem Aufenthalt im Freien sollten die Haare gewaschen, die Kleidung gewechselt und Brillengläser gereinigt werden,
  • draußen getragene Kleidung am besten sofort waschen und auf keinen Fall im Schlafzimmer ablegen,
  • in die Lüftungsanlage des Autos kann ein Pollenfilter eingebaut werden,
  • Allergiker erfahren über das Internet oder über den telefonischen Polleninformationsdienst alles über den aktuellen Pollenflug,
  • Betroffene mit einer starken Allergie bleiben während der individuellen Pollenflugzeit vorzugsweise bei geschlossenen Türen und Fenstern in der Wohnung,
  • der Rasen rund um das Haus sollte bei einer Allergie auf Wiesengräser möglichst kurz gehalten werden.

Wer an einer Hausstaubmilbenallergie leidet, sollte:

  • milbenundurchlässige Matratzenbezüge verwenden,
  • die Wohnung feucht wischen anstatt zu staubsaugen,
  • Staubfänger (Stofftiere, Gardinen) möglichst reduzieren,
  • Bettwäsche regelmäßig reinigen, sodass Hautschüppchen, die den Milben als Nahrung dienen, beseitigt werden.

Im Fall der Fälle gerüstet PTA und Apotheker sollten Kunden, denen bekannt ist, dass sie beispielsweise allergisch auf Insektenstiche reagieren, empfehlen, ein Notfallset bei sich zu führen. Es enthält einen Autoinjektor, mit dem sich Betroffene im Akutfall selbst Adrenalin in den Oberschenkel spritzen können. In der Regel sind in dem Set auch ein Glukokortikoid sowie ein Antihistaminikum enthalten.

„Impfung“ gegen Allergie Viele Allergiker sind erleichtert, wenn der Sommer vorbei ist, denn es folgt in der Regel eine symptomfreie Zeit. Im Herbst fliegen keine Pollen, sodass sich in dieser Jahreszeit eine Hyposensibilisierung in Vorbereitung auf den nächsten Frühling anbietet. Diese spezifische Immuntherapie ist die einzige kausale Maßnahme gegen Allergien. Sie wird meist bei Heuschnupfen, Insektengiftallergien sowie allergisch kontrolliertem Asthma bronchiale angewendet. Zusätzlich ist sie bei Reaktionen auf Hausstaubmilben, Katzenhaare oder bestimmte Schimmelspore möglich.

Bei der Hyposensibilisierung erhält der Allergiker über einen längeren Zeitraum eine stetig ansteigende Menge des Allergens, bis eine Erhaltungsdosis erreicht ist. Wie beim Prinzip der Impfung kommt es durch den kontrollierten und wiederholten Kontakt mit der Substanz zu einer Gewöhnung, die über die Beendigung der Therapie hinaus reicht. Während Antihistaminika oder Kortikosteroide allergische Beschwerden nur vorübergehend reduzieren, besteht die Wirkung der spezifischen Immuntherapie dauerhaft.

Die präsaisonale Hyposensibilisierung startet nach der Allergiesaison mit einer Aufbaubehandlung und ruht während des Pollenflugs. Bei der perennialen (ganzjährigen) Therapie wird die Dosis während des Pollenflugs lediglich vermindert. Die Dauer der Anwendung beträgt je nach Allergietyp zwischen drei und fünf Jahren, nur selten ist ein längerer Zeitraum angezeigt. Demnach erfordert die Maßnahme ein stabiles Durchhaltevermögen von Seiten des Allergikers.

Verschiedene Darreichungsformen Die Allergene werden bei der spezifischen Immuntherapie entweder unter die Haut gespritzt oder als Tropfen oder Schmelztabletten verabreicht. In der Regel sind die Präparate gut verträglich, dennoch können allergische Reaktionen auftreten, die den Kreislauf, die Atemwege oder die Haut betreffen. Daher ist es empfehlenswert, dass die Patienten nach der Injektion für etwa eine halbe Stunde in der Arztpraxis warten, sodass der Allergologe im Notfall rasch handeln kann. Bei der Behandlung mit Tropfen oder Tabletten findet mindestens die erste Einnahme in der Arztpraxis statt.

Kontraindikationen Der ärztlichen Betreuung kommt im Rahmen der Hyposensibilisierung ein hoher Stellenwert zu. Zum einen, weil sich in sehr seltenen Fällen ein allergischer Schock entwickeln kann und zum anderen, weil die Maßnahme verschiedene Entscheidungen etwa in Bezug auf die Indikationsstellung, Dosissteigerungen oder Therapieintervalle beinhaltet. Vor Beginn der Behandlung muss der Allergologe zudem abklären, ob sich diese überhaupt für den Patienten eignet: Bei schweren Autoimmunerkrankungen, bei nicht ausreichend behandeltem Asthma, bei schweren Erkrankungen des Herz-Kreislauf- Systems, bei der Einnahme von Medikamenten wie Beta- Blockern oder ACE-Hemmern oder bei Personen mit einer unzureichenden Compliance ist eine spezifische Immuntherapie nicht sinnvoll.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/17 ab Seite 56.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin

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