Säugling © MJPS / iStock / Getty Images Plus
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Säuglinge und Kleinkinder

PROBLEME MIT DEM GROSSEN GESCHÄFT

Leiden Kinder unter Verstopfung, sollte der Stuhlgang möglichst schnell wieder normalisiert werden. Es gilt einen Teufelskreis, der zu chronischer Verstopfung führt, zu vermeiden.

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Unter einer Verstopfung werden im allgemeinen Sprachgebrauch zu seltene Darmentleerungen verstanden. Doch was ist zu selten? Das lässt sich nicht so einfach definieren. Zum einen ist die Häufigkeit der Stuhlausscheidung individuell ganz verschieden. Zum anderen hängt sie vom Alter und den Ernährungsgewohnheiten ab. So machen gestillte Säuglinge in der Regel viel häufiger in die Windel als ältere Kinder auf die Toilette gehen müssen.

Während die ganz Kleinen, die noch Muttermilch erhalten, üblicherweise vier oder fünf Mal am Tag ihren Stuhl ausscheiden, haben gewöhnlich Kinder mit sechs Jahren durchschnittlich ein- bis zweimal täglich Stuhlgang. Letztendlich variiert die Stuhlfrequenz von mehrmals täglich bis zu einmal in der Woche – selbst bei Stillkindern. Alles dazwischen gilt als normal und zieht keinen Handlungsbedarf nach sich, vorausgesetzt der Stuhl ist nicht hart, löst keine Bauchkrämpfe aus und die Darmentleerung bereitet den Kindern keine Schmerzen.

Achtung Teufelskreis Verweilt der Stuhl länger als eine Woche im Darm oder ist dieser hart und trocken, sodass die Ausscheidung nur unter Schmerzen oder mit starker Anstrengung möglich ist, liegt eine Verstopfung vor. Dann sollte möglichst schnell Abhilfe geschaffen werden. Kinder neigen sonst dazu, aufgrund der schmerzhaften Stuhlentleerungen Ängste gegen den Toilettengang zu entwickeln und ihn bewusst zu unterdrücken. Daraufhin erweitert sich der Enddarm und die zurückgehaltenen Stuhlmassen werden immer größer und härter und damit die Darmentleerung immer anstrengender und schwieriger.

Häufig resultieren Einrisse in der Schleimhaut am Darmausgang, die wiederum den Toilettenbesuch zunehmend schmerzhafter gestalten. Ein Teufelskreis kommt in Gang, bei dem der natürliche Entleerungsreflex verloren geht. Chronische Verstopfung ist die Folge, die eine ärztliche Abklärung und konsequente Therapie erfordert. Kinderärzte sprechen von einer chronischen Verstopfung beziehungsweise von einer chronischen Obstipation, wenn der Zustand länger als zwei Monate andauert oder wenn ein Kind über einen Zeitraum von drei Monaten nur selten, das heißt nicht jeden zweiten Tag, harte, große oder kleine Stuhlballen unter Schmerzen ausscheidet.

Symptome erkennen Eine Verstopfung geht nicht nur mit Schmerzen beim Toilettengang einher. Sie ist auch oft Ursache für Bauchschmerzen, Blähungen und Appetitlosigkeit. Da sich bei einer Verstopfung viel Stuhl im ausgeweiteten Enddarm ansammelt, kann das Kind das Gefühl für abgehenden Stuhl verlieren, sodass es häufiger unbemerkt zum Abgang kleiner Stuhlmengen („Stuhlschmieren“) kommt. Manchmal entleert sich der Darm auch als „Überlaufstuhl“, wenn das Kind nicht mehr in der Lage ist, die angesammelten Stuhlmassen zurückzuhalten.

Schließlich finden sich häufig aufgrund der Einrisse der Schleimhaut am Darmausgang Blutauflagerungen auf dem Stuhl, ein Warnsignal für die Eltern, dass etwas mit der Verdauung ihres Kindes nicht stimmt. Ebenso sollten sie hellhörig werden, wenn sie bei ihrem Kind ein Stuhlvermeidungsverhalten beobachten. So legen sich beispielsweise Kinder statt eines Toilettenganges auf den Boden und überstrecken die Wirbelsäule oder sie schlagen die Beine übereinander, um sich die Darmentleerung zu verkneifen.

Viele Ursachen möglich Zu den häufigen Auslösern für eine Verstopfung zählen seelische Faktoren. So können die Geburt eines Geschwisterchens, Konflikte in der Familie, die Trennung der Eltern oder andere psychische Belastungssituationen mit einer verzögerten Darmentleerung einhergehen. Aber auch andere weit weniger einschneidende Erlebnisse, die Änderungen im gewohnten Tagesablauf mit sich bringen, wie ein Umzug, der Wechsel der Kindertagesstätte oder eine Reise können negative Auswirkungen auf die Verdauung haben. Bei Säuglingen ist nicht selten die Umstellung von Muttermilch auf Breimahlzeiten der Auslöser.

Kleinkinder können beim Trockenwerden auf das Abgewöhnen der Windel mit Verstopfung reagieren („Lernverstopfung“). Nicht zu unterschätzen sind zudem ungünstige Lebensgewohnheiten. So gilt die Aufnahme von zu wenig Ballaststoffen in Kombination mit einer zu geringen Flüssigkeitsaufnahme als häufigste Ursache für eine Darmträgheit. Dabei unterstützt der Verzehr von (zu) viel Schokolade, Kuchen, Weißbrot oder Bananen die verstopfende Wirkung und auch mangelnde Bewegung trägt dazu bei. In seltenen Fällen diagnostiziert der Arzt organische Gründe wie Fehlbildungen des Darms. Aber auch eine erbliche Darmkrankheit wie der Morbus Hirschsprung, bei dem eine Funktionsstörung der Darmnerven vorliegt, kann sich bereits bei Kindern durch eine chronische Verstopfung bemerkbar machen.

Ebenso können die Kleinen bereits unter entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn leiden, die mit Motilitätsstörungen des Darms einhergehen. Weitere Ursachen für eine organisch bedingte Obstipation sind beispielsweise eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose), Elektrolytstörungen infolge hoher Flüssigkeitsverluste durch Fieber, Durchfall oder Erbrechen (Dehydratation) oder genetisch bedingte muskuläre Störungen wie eine Muskelhypotonie. Zudem sind Nahrungsmittelunverträglichkeiten auf Kuhmilchproteine oder Gluten potenzielle Auslöser.

Kein Fall für die Selbstmedikation Kinder, die unter einer Verstopfung leiden, gehören in die Hand eines Arztes. Dieser muss organische Ursachen mittels einer körperlichen Untersuchung ausschließen und eine adäquate Therapie einleiten und begleiten. Vor allem sollten junge Säuglinge schnell dem Kinderarzt vorgestellt werden, da Verstopfungsprobleme in den ersten Lebenswochen und -monaten eine organische Ursache wahrscheinlich machen. Liegt bereits eine chronische Verstopfung vor, ist Geduld gefragt, da die Normalisierung des Stuhlgangs bis zu einem Jahr dauern kann.

Der Arzt verordnet Präparate, die den Stuhl weich machen und den After pflegen, damit eine regelmäßige, vollständige und schmerzfreie Darmentleerung wieder möglich wird – eine wichtige Voraussetzung, um den Teufelskreis aus immer größer werdenden, sich anstauenden Stuhlmassen und ihrer zunehmend schmerzhaft erlebten Entleerung zu unterbrechen. Zudem leitet er eine Ernährungsumstellung und bei bereits sauberen Kindern ein Toilettentraining ein.

Medikamentöse Therapie Vorzugsweise kommen osmotisch wirksame, stuhlaufweichende Substanzen zur Anwendung. Bei den Kleinen ist Macrogol erste Wahl. Zu beachten ist, dass einige Macrogol-haltige Präparate für Kinder verschreibungspflichtig sind. Alternativ eignen sich vor allem Lactulose, Lactiol und Milchzucker, wobei deren Wirkung schwächer ist. Einläufe und Suppositorien werden vor allem initial zur Entleerung angestauter Stuhlmassen angewendet und nicht im Rahmen einer längerfristigen Therapie.

Zudem werden diese Optionen von Kindern als äußerst unangenehm empfunden und können somit die Angst vor dem Toilettengang verstärken, sodass sie möglichst vermieden werden sollten. Laxanzien wie Bisacodyl oder Natriumpicosulfat spielen zur Behandlung von Verstopfung bei Kindern keine Rolle, ebenso wenig Paraffin oder Flohsamenschalen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/2021 ab Seite 82.

Gode Chlond, Apothekerin

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