Mann mit Brille © Ridofranz / iStock / Thinkstock
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Repetitorium

MÄNNERGESUNDHEIT – TEIL 1

Jahrelang stand in der medizinischen Forschung Frauengesundheit im Vordergrund. Doch allmählich wird auch der Mann in der medizinischen Wissenschaft „entdeckt“. Im Zuge der demographischen Entwicklung gewinnt das Thema zusätzlich an Bedeutung.

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Wer kennt Sie nicht, die typischen Frauen- oder Männersprüche beziehungsweise -witze, alle mit dem unterschwelligen Tenor: Frauen sind anders, Männer auch. Zu Zeiten des Neandertalers hieß „typisch Mann“ stark sein, Mut haben, risikobereit sein, Mammute jagen, Höhlen bauen, Kinder zeugen. Herbert Grönemeyers „Wann ist ein Mann ein Mann?“ (1984) hat sicherlich fast jeder noch im Ohr. Zu dieser Zeit hieß es: Ein Mann muss ein Haus bauen, einen Sohn zeugen, einen Baum pflanzen. Heißt es zwar heute auch noch, aber es dürfen – zumindest in Deutschland – auch Töchter sein. Männer dürfen hierzulande auch Elternzeit nehmen, sollen mehr an der Entwicklung der Kinder teilnehmen, dürfen auch mal weinen. So gleicht sich der Mann der Frau an? Teils, teils!

Rätselhafter Mann Fakt ist: Männer ticken anders als Frauen – auch in Sachen Gesundheit! Doch das Thema ist recht jung. 1995 fand erstmals in London eine Konferenz zur Männergesundheit statt. Die Revolution der Potenzmittel Ende der 90er Jahre („Viagra“ wurde ursprünglich gegen Hypertonie und Herzbeschwerden entwickelt und getestet) brachte „Männergesundheit“ mit einseitigem Blick auf „Sex“ (Erektionsstörungen) stärker ins Gespräch. Im Jahr 2010 gab es den ersten deutschen Männergesundheitsbericht, im Jahr 2013 einen weiteren mit dem Fokus auf psychische Gesundheit. Im Januar 2013 veranstaltete die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) und das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) den ersten Männergesundheitskongress. Heutzutage veröffentlicht das Robert Koch-Institut in Berlin im Rahmen der „Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes“ regelmäßig einen Bericht zur „Gesundheitlichen Lage der Männer in Deutschland“ – und der Männergesundheitskongresse gab es mittlerweile drei.

DEFINITION MÄNNERGESUNDHEIT*

Männergesundheit umfasst diejenigen Dimensionen von Gesundheit und Krankheit, die insbesondere für Männer und Jungen relevant sind.Gesundheit ist physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden, das aus einer Balance von Risiko- und Schutzfaktoren entsteht, die sowohl in individueller, partnerschaftlicher, als auch kollektiver Verantwortung liegen. Als Schutzfaktoren wirken ein gesunder und achtsamer Lebensstil, Akzeptanz der eigenen Stärken, aber auch Schwächen als Mann, Sinnerfahrung und Lebensfreude, soziale Unterstützung und Anerkennung. Die Risiko- und Schutzfaktoren sind besonders bei Männern in Abhängigkeit von Bildung, Herkunft, Einkommen und beruflicher Stellung ungleich verteilt. Die gesundheitlichen Probleme der Männer bedürfen im gesamten Lebenslauf besonderer Präventionsund Versorgungsangebote, die größtenteils noch zu entwickeln sind.

*Stiftung Männergesundheit

Wie geht es Männern? Und diese Männergesundheitsberichte offenbaren: Männer sind viel häufiger krank als Frauen und sterben nach wie vor früher. Da zeigt sich das „starke Geschlecht“ eindeutig von der schwachen Seite. Statistisch fünf Jahre kürzer zu leben als Frauen, doppelt so häufig chronisch krank zu sein, ist kein Pappenstiel. 1991/ 1993 lag der Unterschied in der Lebenserwartung allerdings noch bei mehr als sechs Jahren, er hat sich also leicht verringert. Zudem sind Männer bei fast allen Erkrankungen benachteiligt, weil Mann sich gerne vor Arztbesuchen drückt, die Vorsorge vernachlässigt, körperliche Warnsignale missachtet: 25 Prozent weniger Arztbesuche und etwa 15 Prozent längere Verweildauer im Krankenhaus als ihre bessere Hälfte sprechen eine deutliche Sprache.

Männer treiben also häufiger Raubbau an ihrer Gesundheit – und verwechseln das mit Stärke. Doch es fängt schon in der Wiege an: Es sterben mehr Jungen als Mädchen am plötzlichen Kindstod. Das möchte und kann man dann doch lieber nicht auf schlechtes gesundheitliches Verhalten der armen Kleinen zurückführen. Dass Männer häufiger durch Unfälle und Gewalt sterben – davon etwa dreimal häufiger an Verkehrsunfällen – , wird man ursächlich neben hormonellen Veranlagungsgründen doch eher schon auf psychosoziale Aspekte (unter anderem höhere Risikofreudigkeit) zurückführen dürfen.

Erwiesen ist zudem: Männer leiden mehr unter Suchterkrankungen – und da ist Rauchen noch eine der harmloseren. Sie begehen zudem etwa dreimal so häufig Selbstmord wie Frauen. Bis zum 65. Lebesjahr sterben Männer im Vergleich zu Frauen zudem etwa fünfmal häufiger an einem Herzinfarkt beziehungsweise an koronaren Herzkrankheiten (KHK) und zweimal so häufig an Leberzirrhose (meist verursacht durch langjährigen chronischen Alkoholmissbrauch). Auch Krankheiten der Verdauungsorgane sind in der Altersgruppe zwischen 35 und 64 Jahren bei Männern deutlich höher.

Und auch die Erkrankungshäufigkeit an Tumoren (Krebs) liegt deutlich höher. Ebenso die Mortalität (Sterberate). Am häufigsten sterben die Männer an Lungenkrebs, gefolgt von Dick- und Enddarm-, Prostata-, Bauchspeicheldrüsen- und Magenkrebs. Doch im Alter zwischen 20 und 25 ist Hodenkrebs die häufigste Krebsart. Und der Anteil tabakassoziierter Krebserkrankungen/Krebssterbefälle (Bauchspeicheldrüse, Mundhöhle und Rachen, Speiseröhre, Harnblase, Niere, Kehlkopf) ist bei Männern besonders groß. Männer haben häufiger genetische Defekte.

Und leider sind immer noch etwa 84 Prozent der neu HIV-Infizierten und 81 Prozent der HIV/AIDS-Kranken insgesamt in Deutschland Männer. Das verwundert umso mehr, als weltweit mehr Frauen von HIV betroffen sind. Den sorgloseren Umgang mit der Gesundheit kann auch jeder Hausarzt daran ablesen, dass nur etwa 20 Prozent der Männer die kostenlosen Check-ups ab dem 35. Lebensjahr nutzen. Insgesamt haben Alter, Lebensumstände, Lebensform (Single/ verheiratet) und Erwerbsstatus deutlichen Einfluss auf die Gesundheit und das Gesundheitsverhalten. Verheiratete Männer leben anscheinend gesünder – und damit im Regelfall länger!

Zumindest weisen Analysen der Todesursachenstatistik darauf hin, dass die Ehe einen Schutzraum schafft, in dem die Partner sich im gesundheitsfördernden Verhalten unterstützen und im Notfall Hilfsangebote und Unterstützung mobilisieren können. Männer profitieren hierbei deutlich mehr als Frauen. Zudem scheint der gesundheitsfördernde Effekt der Ehe einen kumulierenden Effekt zu haben: Je länger die Ehe andauert, desto größer ist der Gesundheitsschutz. Beim Arbeitsumfeld wiederum sind Männer mehr mit Berufen konfrontiert, die mit Lärm, Schmutz, Staub, Hitze und Stress einhergehen.

Bedingungen also, die Krankheiten oder früheres Ableben eher begünstigen. Andererseits scheint auch der Verdienst eine große Rolle zu spielen: Männer mit einem Bruttoeinkommen von mehr als 4500 Euro haben eine um fast zehn Jahre höhere Lebenserwartung als wenn sie ein Bruttoeinkommen von weniger als 1500 Euro ihr Eigen nennen. Niedrige Erwerbsklasse (einfacher Arbeiter), niedriges Bildungsniveau, fehlendes Wohneigentum erhöhen insbesondere bei Männern das Mortalitätsrisiko beziehungsweise verringern die Überlebenswahrscheinlichkeit. Frauen sind hier weit weniger betroffen.

INTERESSANTE INTERNET-ADRESSEN:

www.mann-und-gesundheit.com – Unter dem Dach der „Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit e.V.“ (DGMG) sind Ärzte (Kardiologen, Sportmediziner Urologen, Andrologen, Allgemeinmediziner und Psychologen) vereint, die sich mit dem Thema Männergesundheit befassen.

www.maennergesundheit.info – Das Portal für den Mann. Internetseite von Prof. Dr. Frank Sommer, Universitätsprofessor für Männergesundheit am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

www.maennergesundheitsportal.de – Portal für Männergesundheit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA). Enthält auch eine Wissensreihe Männergesundheit mit für Patienten interessanten Broschüren.

www.stiftung-maennergesundheit.de – 2006 gegründete gemeinnützige, unabhängige Institution, die Prävention, Diagnostik, Therapie, medizinische Forschung im Bereich Männergesundheit fördert.


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„Männergesundheit – Teil 1”

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