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LAKTOSE – BESSER OHNE?

Laktose ist in aller Munde. Auch viele Kunden Ihrer Apotheke sind sensibilisiert und fragen vielleicht nach laktosefreien Arzneimitteln. Ist dies ein berechtigtes Anliegen oder ist es übertrieben?

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Laktose ist der Fachausdruck für Milchzucker. Unter Laktoseintoleranz versteht man deren Unverträglichkeit aufgrund eines Enzymmangels. Die Folgen sind Verdauungsprobleme mit Symptomen wie Bauchkrämpfe, Durchfälle, Blähungen und Erbrechen. Dadurch kann die Lebensqualität sehr eingeschränkt sein. Deshalb ist es verständlich, dass der erste Impuls der Kunden ist, Laktose zu meiden. Ob dies immer sinnvoll ist, erfahren Sie auf den nächsten Seiten.

Wie viele Menschen sind betroffen? Bei der primären Form, auch Hypolaktasie genannt, handelt es sich um eine genetische Veranlagung, die im Laufe des Lebens in Deutschland bei 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung ausbricht. Das passiert aus folgendem Grund: Da Laktose ein Disaccharid ist, also aus zwei Kohlenhydrat-Bausteinen besteht, muss es durch das Enzym Laktase vor der Resorption im Dünndarm gespalten werden. Im Laufe des Lebens nimmt bei diesen genetisch entsprechend veranlagten Menschen allerdings die Laktase-Bildung und damit auch die Laktose-Spaltung ab. Dadurch gelangt Laktose in tiefere Darmabschnitte, was zu den oben genannten unangenehmen Folgen führt.

Innerhalb von Europa gibt es für Erwachsene bei der primären Form ein Süd-Nord-Gefälle. Während in Nordeuropa nur etwa 2 Prozent der Bevölkerung betroffen ist, sind es im Mittelmeerraum zwischen 25 und 75 Prozent. Die erwachsene deutsche Bevölkerung befindet sich mit 15 bis 20 Prozent im Mittelfeld. Damit ist hier jeder fünfte bis sechste Erwachsene betroffen. Wesentlich seltener kommt eine sekundäre Laktoseintoleranz vor. Diese entsteht infolge von Darmerkrankungen, die mit Schädigungen der Dünndarmoberfläche einhergehen. Hier ist es vor allem wichtig, so gut wie möglich die Grunderkrankung zu therapieren.

Wie wird Laktoseintoleranz diagnostiziert?Da es sich auch um eine „Modeerkrankung“ handelt, ist eine korrekte Diagnose wichtig. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten:

  1. Ernährungs- und Symptomprotokoll: Für einen Zeitraum von ein bis zwei Wochen wird die Art, Menge und Uhrzeit der Nahrungsaufnahme sowie das Befinden notiert. Diese kostengünstige Maßnahme ist als erster Test sehr sinnvoll.
  2. Atemtest: Bei diesem sehr genauen, aber aufwändigen Test wird eine Menge von genau 50 Gramm (g) Laktose in 250 bis 300 Milliliter (ml) Wasser gelöst und dann oral eingenommen. Vorher wird die Wasserstoff-Konzentration in der Atemluft gemessen, nach der Einnahme in festen Zeitabständen mehrfach erneut gemessen. Wenn der Wasserstoffgehalt in der Atemluft über einen Wert von 20 ppm (parts per million) im Vergleich zum Ausgangswert steigt, wird dies als Laktoseintoleranz gewertet.
  3. Gentest: Eine Bestimmung des Genotyps geht schnell, ist aber teuer und das Ergebnis sagt lediglich aus, wie sich die genetische Bereitschaft zur Bildung von Laktase verhält. Es sagt nichts über die Spaltungsaktivität der Laktase und die Symptome des Patienten aus.
  4. Messung von Blutglucose nach Gabe von Laktose: Dieser Test gilt als überholt, denn das Ergebnis der Glucose, die durch die enzymatische Laktose-Spaltung entstanden ist, kann durch zu viele andere Faktoren beeinflusst und verfälscht werden.
  5. Dünndarmbiopsie: Dieses aufwendige, invasive Verfahren ist nur in internistischen Spezialpraxen oder Kliniken möglich.


Welche Verhaltensmaßnahmen und Therapien sind zu empfehlen?
Falls eine Laktoseintoleranz nur vermutet wird, sollten Sie Ihre Kunden zur Abklärung zum Arzt schicken, da hinter den Symptomen auch viele andere Ursachen stecken könnten. Handelt es sich um eine sekundäre Form der Laktoseintoleranz, muss die Grunderkrankung behandelt werden. Hierbei ist das Therapieziel die Rückkehr zur normalen Laktose-Verträglichkeit und zum normalen Laktose-Verzehr. Im Fall der primären genetischen Form bei Erwachsenen ist das Therapieziel ein Ernährungsstil mit laktosearmer, modifizierter Kost. Dabei handelt es sich aber nicht um absolut laktosefreie Ernährung, denn dadurch würde die Restaktivität der Laktase noch weiter zurückgehen.

Welche Strategie gilt bei primärer genetischer Hypolaktasie als zeitgemäß? Eine Vorgehensweise nach dem 3-Phasen-Modell (Karenz, Testphase, Langzeiternährung) hat sich bewährt.

  1. Phase: Karenz – Diese maximal zweiwöchige Phase hat eine weitestgehende Beschwerdefreiheit zum Ziel. Durch laktosearme Ernährung reicht die vorhandene Laktase aus, um die in der Nahrung vorkommende Laktose zu spalten. Eventuell kann dies durch zeitgleiche Aufnahme von Nahrungseiweiß (Protein) oder Nahrungsfett unterstützt werden, wodurch das Anfluten von Laktose im Dünndarm verlangsamt wird und somit weniger Laktase gleichzeitig benötigt wird.
  2. Phase: Testphase – In dieser bis zu sechs Wochen dauernden Zeit sollen die zuvor strikten Diätmaßnahmen verringert werden, um die vorhandene Restaktivität der Laktase besser zu nutzen. Dabei wird jeweils über Zeitabschnitte von drei bis sieben Tagen ein Ernährungsprotokoll geführt, um anhand der Symptome die individuelle Laktoseverträglichkeit herauszufinden. Nach und nach kann so die Lebensmittelauswahl optimiert und den Essgewohnheiten individuell angepasst werden.
  3. Phase: Langzeiternährung – Hierbei wird nicht nur eine dauerhafte Symptomfreiheit angestrebt, sondern auch darauf geachtet, dass auf Dauer der Nährstoffbedarf an Makro- und Mikrobausteinen gedeckt ist. Deshalb sollten Sie zu einer ausgewogenen Ernährung mit einem persönlichen Maximum an Laktose raten.


Welche Fragen und Probleme treten häufig in der Apotheke auf?
Vielen ist nicht klar, dass es sich bei der Laktoseintoleranz (im Gegensatz zur Milcheiweißallergie) um ein mengenabhängiges Problem handelt. Durch die vorhandene Restmenge an Laktase können 10 bis 15 g Laktose pro Tag vertragen werden. Deshalb ist die in einigen Arzneimitteln (vor allem Tabletten) vorhandene Menge, oft als Füllstoff benutzte Laktose allein für sich kein Problem. Nur wenn dadurch die tägliche Gesamtmenge überschritten wird, kann es dadurch zu den unangenehmen Symptomen kommen. Es ist also keineswegs sinnvoll, wegen in Tabletten üblichen Laktosemengen auf wichtige Arzneimittel zu verzichten. Aber natürlich gehört es zu einem guten Service, wenn Sie für Ihre Kunden nach einem laktosefreien Alternativpräparat suchen. Falls dies zum Beispiel wegen Lieferschwierigkeiten nicht möglich ist, sind die meisten Kunden aber durch die Erklärung des genannten Sachverhaltes zu beruhigen.

Laktase-Tabletten oder Kapseln können Sie Ihren Kunden für Situationen mit unvermeidbarer oder schwer zu berechnenden Laktosemengen in der Nahrung empfehlen, zum Beispiel bei Essenseinladungen. Verständlicherweise bevorzugen viele Betroffene dabei Präparate mit besonders hoher Enzymkonzentration, entsprechend bis zu 18 000 Einheiten. Dagegen ist, um sicher vor unangenehmen Überraschungen zu sein, für seltene Ereignisse auch nichts einzuwenden. Bei regelmäßigem Gebrauch wird durch diese hohe Enzymkonzentration aber die körpereigene Restlaktase-Produktion noch mehr reduziert. Dies ist aber unbedingt zu vermeiden! Deshalb sollten Sie Ihren Kunden erklären, dass es für sie besser ist, wenn sie zu einem niedriger dosierten Präparat greifen, um die Restaktivität der eigenen Laktase zu nutzen.

Welche Zusatztipps können Sie Ihren Kunden geben? Mit laktosefreien Milchprodukten haben die meisten Patienten meistens nach kurzer Zeit kaum noch Probleme. Da viele Menschen betroffen sind, hat sich die Industrie darauf eingestellt und so gibt es inzwischen auch in normalen Supermärkten eine Vielzahl von laktosefreien Artikeln. Von diesen sind einige gar nicht nötig, weil gewisse Milchprodukte während ihrer Verarbeitung die vorhandene Laktose verbrauchen und dann im fertigen Produkt sowieso keine bedeutenden Laktosemengen mehr vorhanden sind. Das trifft beispielsweise auf normalen Hartkäse wie Parmesan zu. In diesem Fall ist laktosefreier Hartkäse, der zudem teurer ist, nur eine gut funktionierende Marketingstrategie. Schwieriger einzuschätzen ist das Vorhandensein von versteckter Laktose in Fertigprodukten. Diese werden oft aus Trockenmilchpulver mit viel Laktose hergestellt, weil diese durch ihre Kristallstruktur technologisch gut zu verarbeiten ist.

Davon profitiert besonders die Fleisch-, Back- und Süßwaren-Industrie. Milchersatzprodukte wie Soja oder Hafermilch werden immer beliebter und sind ebenfalls in Supermärkten überall erhältlich. Sie sollten Ihre Kunden aber darauf hinweisen, dass bei diesen Ersatzprodukten die zur Versorgung mit den fettlöslichen Vitaminen A und D sowie den wasserlöslichen Vitaminen Vitamin B2 und B12, Folsäure und Panthenol sowie dem Mineralstoff Calcium ausfällt. Hier muss durch andere Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel ein Ausgleich geschaffen werden. Deshalb sollte bei der Ernährung für Ersatz der genannten Mikronährstoffe gesorgt werden, um Folgeerkrankungen vorzubeugen. Bei manchen Mikronährstoffen ist der Zusammenhang Ihren Kunden leicht zu erklären. So könnte es durch die verringerte Zufuhr von Calcium und Vitamin D zu Osteoporose kommen. Falls Sie Ihre Kunden nicht von den vielfältigen Calcium-Alternativen wie Brokkoli, Porree, Grünkohl, Fenchel, Spinat, Sesam oder calciumreichen Mineralwässern überzeugen können, dürfen Sie Ihnen gerne entsprechende Nahrungsergänzungsmittel anbieten.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/2020 ab Seite 93.

Ute Kropp, Apothekerin und PKA-Lehrerin

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